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8 Monate Anno 1902 (4)

8 Monate anno 1902 (4)

Am 27. Februar berichtet Marie, dass „die Liebe Frau Mutter“ erschien und am Tag darauf war „der Sterbetag der lieben Mama! R. i. P.“ In diesen wenigen Worten steckt viel Schicksal. Die „liebe Mama“, Luise Fuchs, starb nur 12 Tage nach der Geburt ihrer Tochter im Kindbett. Weil der Vater wenig später wieder heiratete – die „liebe Frau Mutter“ Angelika von Gasteiger zu Rabenstein und Kobach – kam Marie zuerst zu ihren Großtanten Marie und Nanni Cornet und im Alter von drei Jahren zu den Großeltern Fuchs in Hall. Wie ihre leibliche Mutter erhielt sie später eine dreijährige Erziehung im angesehenen Institut Thurnfeld, bevor sie als 14-Jährige zu der bereits im ersten Tagebucheintrag genannten Tante Anna (geb. Fuchs) und ihrem Mann, Onkel Nikolaus (Posch), nach Innsbruck kam. Diese Praxis, dass Kinder aus erster Ehe bei neuerlicher Verheiratung eines Elternteils anderswo in Obhut gegeben wurden, war damals durchaus verbreitet.

25 Februar, Dienstag. Trübes, nebeliges Wetter.

26.II. Eben stand ich im Begriffe einen Brief an Martha zu schicken, als ich durch ihren Besuch überrascht wurde. Um 5 Uhr musste sie wieder nach Hall fahren, da morgen der Geburtstag ihres Vaters ist.

27. II. Donnerstag. Mit der Trambahn um ¾ 10 Uhr erschienen die liebe Frau Mutter und Madleine; nachmittags ½ 3 Uhr kam Martha, welche wir zum heutigen Theater „Jadwiga“ einluden. Ich putze für Nigg Luise denn Sommerhut auf. Wir unterhielten uns alle sehr gut u. auch Herr Bechtold, welcher gegen ½ 5 Uhr zu uns gekommen war, verbrachte ein paar angenehme Augenblicke bei uns, obschon er um 6 ¼ Uhr wieder nach Hall fuhr. 

28 Februar 1902. Heute ist der Sterbetag der lieben Mama! R. i. P.

Nachmittags giengen wir alle sammt u. sonder in das Kaiserpanorama. „Palästina“ hieß die heutige, vielversprechende Serie, u. wir wurden auch nicht enttäuscht. In naturgetreuer Ausführung zogen die berühmten Orte des Heiligen Landes vor unseren Augen vorbei, da war Betlehem, Jerusalem, dann die schon europäisch angehauchte Hafenstadt Jaffa, dann aber auch recht orientalische, undefinierbare Höhlenansammlungen, welche den stolzen Namen „Städte“ führen so z. B. Betsaida, Cana et cetera. Auch das Innere einige berühmter Kirchen wurde vorgeführt, dann wieder Landschaftsbilder wie das todte Meer, die Säulen des Herodes, der Brunnen Josefs, Rachels Grab etc. Höchst befriedigt kamen mir von dieser kurzen u. doch so interessanten Reise nach Hause; Martha setzte nach einigem Rasten selbe bis Hall fort. Um 7 ¼ Uhr fuhr auch Madeleine zum gleichen Zeil [sic].

Text: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Cod-2072-1; Bild: Martin Kohler. Das Kaiserpanorama, das Marie besuchte, dürfte übrigens erst wenige Wochen zuvor in der Müllerstraße neu eröffnet worden sein. Siehe dazu diesen Beitrag auf unserer Seite.)

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Die Beschreibung der Palästina-Vorführung durch eine Besucherin ist sehr interessant. Laut den Zeitungsarchiven konnte man diese Vorführung bis Anfang März 1902 besuchen. Die Innsbrucker Nachrichten vom 1. März 1902 berichten:

    (Kaiserpanorama Müllerstraße Nr. 4.)
    „Die diesmalige Bildergruppe, eine Wanderung
    durch Palästina, wird gewiss in besonderem Maße
    die Theilnahme und das Lob der Panoramabesucher
    finden. Wir lernen das heilige Land, die denk-
    würdigen Städte und Orte kennen, wo Jesus
    Christus lebte und lehrte. Mit hohem Interesse
    betrachten wir dieses Land, welches noch heute zum
    größten Theil den damaligen Charakter bewahrt
    hat. Wir sehen Jerusalem mit dem heiligen Grab,
    dem Oelberg; Betlehem mit der Geburts-Kirche;
    Nazareth; Capharnaum und Jericho; den Ort der
    Taufe am Jordan; das Todte Meer etc. Die
    Bilderwahl ermöglicht es, einen vollständigen Ge-
    sammteindruck über Palästina zu erhalten und es
    sollte niemand die Besichtigung dieser so überaus
    sehenswerten Serie, welche nur noch bis zum
    5. März ausgestellt bleibt, versäumen.“

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