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Zwischen Maria Und Theodora

Zwischen Maria und Theodora

Vor kurzem habe ich einen Beitrag zum Winklerhaus in der Leopoldstraße 2 verfasst, mit Fokus auf die Jugendstilelemente der Fassade. Heute werfen wir einen Blick um die Ecke auf die zurückversetzte Fassade über den Geschäftstrakt in der Maximilianstraße 1. Im dritten Stock, in einer Ädikula auf der Ostseite des Hauses, befindet sich ein Madonnenmosaik, das eine starke Anlehnung an die byzantinische Mosaikkunst erkennen lässt.

Ecke Leopoldstraße und Maximilianstraße mit dem Madonnenmosaik oben rechts (Stadtarchiv / Stadtmuseum Innsbruck Ph-28843)

Darstellungen von Maria mit dem Kind sind uns in Tirol wohlvertraut – man denke nur an die zahlreichen Mariahilf-Bilder an den Fassaden vieler Häuser in Innsbruck. Meist handelt es sich dabei um Gemälde, doch hin und wieder findet sich auch ein Mariahilf-Mosaik.

Das Mosaik am Winklerhaus unterscheidet sich jedoch stilistisch stark von den Darstellungen des cranachischen Mariahilf-Bildes. Statt eines Dreiviertelporträts von Maria mit dem nackten Kind, das sich an das Gesicht der Mutter schmiegt, sehen wir hier eine frontal thronende Madonna im Ganzkörperporträt. Das Christuskind sitzt ebenso frontal auf ihrem Schoß und zeigt den Segensgestus. Die innige Beziehung der Mariahilf-Bilder weicht hier einem starren, ikonischen Thronen, und der transparente Schleier wird ersetzt durch eine mit Edelsteinen besetzte Krone.

Die reiche Ornamentik des Thrones, insbesondere das mit Sternen verzierte Sitzkissen und die mit Edelsteinen geschmückten Armlehnen, erinnert stark an das frühchristliche Mosaik der Madonna mit Kind in Sant’Apollinare Nuovo in der italienischen Stadt Ravenna. Dieses Mosaikensemble gehört überhaupt zu meinen Lieblingswerken (schaut euch nur die Leoparden-Leggings der Heiligen Drei Könige an!). Auch die identische Haltung der Figuren und die auffällige Ähnlichkeit im Faltenwurf der Gewänder von Maria und Christus lassen keinen Zweifel am Vorbild des Künstlers. Selbst die schneeweißen Lilien und blutroten Blumen zu beiden Seiten des Thrones tauchen am unteren Rand des byzantinischen Mosaiks in Ravenna wieder auf.

Sant’Apollinare Nuovo, Ravenna, 5./6. Jahrhundert (Foto: Muriël Robbers, Februar 2024)

Ein weiteres Vorbild, speziell für die prächtigen, mit Edelsteinen besetzten Kronen, lässt sich im Mosaik der Kaiserin Theodora in San Vitale in Ravenna erkennen. Theodora, die Frau des byzantinischen Kaisers Justinians I., ist im Apsis-Gewände des Kirchenraums dargestellt (und das, obwohl beide nie selbst in Ravenna waren). Die Parallelen zum Innsbrucker Mosaik sind auffällig – nicht nur in der Gestaltung des Kopfschmucks, sondern auch in der unverkennbaren Übereinstimmung der Gesichtsausdrücke von Theodora und der Madonna am Winklerhaus.

Der Entwurf zu dieser von byzantinischen Vorbildern geprägten Madonna stammt aus dem Jahr 1903 und geht auf Bernard Rice zurück, den damaligen künstlerischen Leiter der Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt in Innsbruck. Im selben Jahr unternahm Rice eine Reise nach Ravenna und Venedig, um die dortigen berühmten Mosaiken zu studieren. Die Früchte dieser Reise zeigen sich bis heute im Madonnenmosaik am Winklerhaus.

Kaiserin Theodora mit Hofstaat, San Vitale, Ravenna, 6. Jahrhundert (Foto: Muriël Robbers, Februar 2024)

Autorin: Muriël Robbers

(Stadtarchiv / Stadtmuseum Innsbruck Ph-28845)

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Der ganze Gebäudekomplex ist sooo schön, herrlich, einmalig. Danke, Stadtarchiv für diese Perspektive, man läuft hunderte Male vorbei und beachtet die Schönheit nicht. In Zukunft werde ich an dieser Ecke aufmerksamer vorbeigehen.

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