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Zwischen Fürst Und Kaiser

Zwischen Fürst und Kaiser

Vorgestern war an dieser Stelle „der verhinderte Stadtpark“ Thema. In den zahlreichen Kommentaren wurden unter anderem die Namen des Platzes sowie der angrenzenden Straßen erwähnt. Der ehemalige Bismarckplatz geht auf das Jahr 1914 zurück – und diese Zahl lässt natürlich sofort aufhorchen: Deutschland und Österreich-Ungarn marschierten dank des Bündnisses, das auf Otto von Bismarck (1815-1898) zurückging, gemeinsam in den ersten Ersten Weltkrieg; die „Deutsche Treue“ und die „Bundesbrüderschaft“ wurden viel beschworen, ebenso wie markige Sprüche des „eisernen Kanzlers“, etwa „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt„. (Der zweite Teil des 1888 getätigten Zitates ist hingegen weitgehend in Vergessenheit geraten: „Und diese Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt.“)

Vor diesem Hintergrund scheint der am 1. Oktober 1914 im Innsbrucker Gemeinderat diskutierte Antrag logisch, den östlichen Teil der Maximilianstraße von der Triumphpforte zum Bahnhof (die vormalige Grenzstraße und heutige Salurner Straße) in „Bismarckstraße“ umzubenennen. Rückblickend könnte man meinen: Eine klare Sache. Aber das ist ein Trugschluss.

Der Fürst war in der Habsburgermonarchie ein Politikum. Die Deutsch-Völkischen verehrten den Mann „der die Deut­schen aus der Kleinstaaterei herausgeführt hat zu dem starken, geeinten Deutschen Reich, dem Bis­marck vor allem, der das Bündnis geschaffen hat mit Oesterreich-Ungarn“. (Innsbrucker Nachrichten, 1. April 1915, S. 6) Katholisch-konservative, kaisertreue Kreise argumentierten hingegen, dass sich „die große Mehrheit der Bevölkerung tief verletzt fühlen mußte wegen des vom Fürsten Bismarck einst verursachten blutigen Bruderkampfes in Deutschland und Oesterreich und wegen der überhaupt jahrzehntelang geübten Gewaltpolitik gegen Oesterreich, welche Thaten durch den späteren Bundesabschluß mit Oesterreich keineswegs wett gemacht wurden.“ (Tiroler Stimmen, 2. Oktober 1914, S.3)

Als der Innsbrucker Gemeinderat im Jahr nach Bismarcks Tod beschloss, eine der nächsten neu zu errichtenden Straßen nach dem „eisernen Kanzler“ zu benennen, beeinspruchten die Gegner dies erfolgreich bei der Landesverwaltung. In der am 6. November 1899 medial widergegebenen Begründung hieß es:

„Die Benennung einer Straße nach dem Namen eines Mannes ist eine Ehrung, welche nur Männern, die sich in hervorragender Weise um den Staat, das Land, die Gemeinde oder um Kunst und Wissenschaft verdient gemacht haben, zukommt. Nachdem aber nicht die geringsten Verdienste Bismarcks um Innsbruck, Tirol oder Oesterreich vorliegen, kann der Landesausschuss in dem mit Stimmenmehrheit gefassten Gemeindebeschluss vom 14. September 1899 nur eine politische Demonstration zu erblicken, welche geeignet ist, die patriotisch gesinnte Bürgerschaft Innsbrucks zu verletzen, die bestehenden politischen Gegensätze noch mehr zu verschärfen und das Ansehen der Landeshauptstadt in weiten Kreisen zu schmälern.“

Man ist aus der heutigen Sicht versucht, zwei Dinge anzumerken: Nona ist eine Straßenbenennung immer auch eine „politische Demonstration“. Und, man merke: Eine Straßenbenennung ist eine Ehrung, „welche nur Männern […] zukommt“. Das war zwar schon damals nicht ganz so, aber bis heute zeigt sich ein beachtliches, historisch gewachsenes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern.

Wie auch immer, der Verwaltungsgerichtshof wies ein Jahr später den Einspruch der Stadt als unbegründet ab. (Innsbrucker Nachrichten, 7. Dezember 1900, S. 3-4). Innsbruck war hier übrigens kein Einzelfall, auch in Linz und anderswo gab es derartige Scharmützel.

Italienische Besatzungstruppen marschieren vom Bahnhof kommend am Bismarckplatz vorbei.

Als also 1914 der Antrag der Straßenbenennung eingebracht wurde, führte das sogleich zu einer heftigen Auseinandersetzung. Der altliberale Karl Kapferer kritisierte den „Wortführer der ‚allein Deutschfühlenden‘“ Ing. Heinrich Suske dafür, gerade in der jetzigen Zeit so einen Antrag zu stellen, der „das Trennende, einen Zwist“ in der Bevölkerung hervorrufen und wie vor 15 Jahren zu Einsprüchen und womöglich einer weiteren Blamage für die Stadt führen werde. Stattdessen solle man den Namen „Kaiser Wilhelm-Platz“ wählen, denn dieser sei „der Mann, welcher unsere Verehrung verdient“. Suske wies den Vorwurf zurück und meinte, inzwischen würden wohl auch die vormals opponierenden „Klerikalen“ seinen Vorschlag unterstützen da auch ihnen klar sein musste „daß wir dem Deutschen Reiche der Schöpfung Bismarcks eigentlich unseren Schutz verdanken und dadurch wir vor dem Slawischwerden geschützt werden“. (Tiroler Stimmen, 2. Oktober 1914, S.3)

Als Lösung wurde die Abstimmung zunächst vertragt, bis eine Einigung erzielt werden konnte und dann offenbar intern ein Kompromiss ausverhandelt. Denn am 5. November 1914 wurde, „ohne jegliche Debatte unter vollem Stillschweigen der merkwürdige Antrag des Baukomitees angenommen“, den östlichen Teil der Maximilianstraße nach Kaiser Wilhelm II. und den an sie anschließenden Platz nach Otto von Bismarck zu benennen, wie die konservativen Tiroler Stimmen Tags darauf berichteten.

Einen Monat später informierte Bürgermeister Wilhelm Greil den Gemeinderat, dass gegen den Beschluss wie erwartet eine Reihe von Rekursen eingelangt waren, gezeichnet von durchaus bekannten Namen wie Prof. Dr. Ernst Malfatti, Abt Adrian Zacher, den Abgeordneten Dr. Josef Wackernell und Josef Schraffl sowie Gotthard Graf Trapp. (Meraner Zeitung, 12. Dezember 1914 S. 15).

Als der Deutsche Volksverein Ende März 1915 im Gasthof „Breinößl“ eine Gedenkfeier zum 100. Geburtstag Bismarcks abhielt, war das Verfahren noch anhängig. Vizebürgermeister Erler lobte die Verdienste des Fürsten in flammenden Worten und schloss seine Rede mit einer gehörigen Portion Pathos: „Und wenn man uns, was dem gesunden Menschenverstand kaum glaublich erscheint, die Tafel verbietet, die dem Platz in aller Öffentlichkeit den Namen des eisernen Kanzlers gibt, in unserem Herzen wird der Platz für alle Zeiten der Bismarckplatz sein und bleiben.“ (Innsbrucker Nachrichten, 1. April 1915, S. 6)

Das „kaum glaubliche“ trat nicht ein; wohl aufgrund des Krieges blieb die Benennung aufrecht. Der junge Platz durfte sich auch gleich in den Dienste des Krieges stellen und diente ab 1916 dem Gemüse-Anbau. Zwar hielt sich sein Name deutlich länger als die Kaiser-Wilhelm-Straße, die nach weniger als 10 Jahren wieder Geschichte war, aber keineswegs „für alle Zeiten“, wie wir heute wissen… (Das obige Foto zeigt den Platz in den 1950er-Jahren.)

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-A-16649-4, Ph-G-24938)

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare
  1. Ein herrliches Titelfoto. Der Platz war eine echte grüne Oase im dichtverbauten Stadtgebiet. Sehr interessant ist auch das kleine Häuschen mit der Tabaktrafik des Anton Winkler.

  2. Danke für diesen äußerst interessanten Artikel! Tragisch ist natürlich auch die bestialisch-brutalistische Betonwüste die man heute dort findet, selbst wenn mancher von den Einrichtungen dort profitieren kann…

    1. Ja, Innbruck und seine Plätze – eine unendliche Geschichte.

      Der Landhausplatz und der Sparkassenplatz waren anno dazumal auch grüner als heute.
      Sogar vor der Annasäule gab es ein hübsches kleines Blumenbeet.

      Die größten noch existierenden innerstädtischen Grünoasen sind wohl der Hofgarten, der Rapoldipark, der Servitengarten und der Kapuzinergarten.

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