Wilten-Ost mit rosa Brille
Auf Richard Frischaufs Frühjahrsflug 1971, dessen erste beide Bilder wir schon gesehen und besprochen haben, hat der Pilot nun den Ostteil Wiltens erreicht. Der Fotograf lehnt sich aus dem Fenster und das Licht malt einen Zeitschnitt aus der Vogelperspektive auf Zelluloid. Besonders auffällig ist, dass sich Anfang der 1970er Jahre das Parkplatzthema zu entwickeln scheint; die Innsbrucker Straßen sind, anders als in den 1960ern, bereits alle zugestellt mit tonnenschweren Blechkonstruktionen, die den Stadtbewohner*innen das Gefühl von Wohlstand und die Illusion von moderner Mobilität geben. Schon ein Jahr später würde der Club of Rome den Menschen zu erklären versuchen, dass es auch Grenzen des Wachstums gibt. Davon will man in Innsbruck einstweilen noch nichts wissen.
Das Thema der Stadt bleibt das Bauen. Manchmal auf den letzten Brachen, bei anderen Gelegenheiten an der Stelle von aus Sicht der Stadtplaner noch nicht optimal genutzten Gevierten. Auf diesem Bild schön zu sehen ist die noch handwerklich genutzte Gegend rund um die Mentlgasse, an deren Stelle kurze Zeit später mit den Blocks des Edith-Stein-Wegs ein Beton gewordenes architektonisches Missverständnis getreten ist. Auch einen unerlaubten Blick in den Hof der Karmelitinnen kann man erhaschen, von den Raiffeisen Rechenzentren ist dagegen noch nichts zu sehen. Weiter westlich scheint trotz der noch kalten Temperaturen ein Hausmeister sein Gemüse in den Vorgärten des nunmehrigen Landesarchivs ziehen zu wollen, in der Lieberstraße steht noch das Haus der Tyrolia-Chefredakteure.
Damals hieß das Landesarchiv interessanterweise noch „Landesregierungsarchiv für Tirol“ und befand sich noch nicht in Wilten. Seinen heutigen Namen trägt es seit 1972.
Seit den 1990er-Jahren ist das Landesarchiv in der Michael-Gaismair-Straße beheimatet.
Das betreffende multifunktionale Amtsgebäude wurde bereits in den Jahren 1887 bis 1890 als Landes-Gebäranstalt erbaut.
Ein besonderes Highlight ist auch der schöne alte Busbahnhof mit seinem überdachten Wartebereich. Ein architektonisches Kleinod, welches vor einiger Zeit abgerissen wurde.
Ein Bild voller Details und Geschichten!
Links unten sieht man sogar die Villa Nachsommer. In der gründerzeitlichen Blockverbauung Wiltens ist diese Villa auf Grund ihrer Lage eine interessante Besonderheit.
Gehts noch ein bissel kleiner? 😉 Das Foto meine ich.
Was ist interessanter, das noch Stehende, das gerade im Bau befindliche oder das Übriggebliebene?
Der Busbahnhof ist auch mir noch in bester Erinnerung mit seiner Ladenzeile und der „Kleinen Halle“ mit den Schaltern und dem Zeitungsgeschäft. Durch einen kleinen Gang kam man zur Spanischen Halle. Allerdings standen die Busse komplett im Freien, an heißen Tagen eine Qual für die späteren Insassen. Was mir beim neuen Busbahnhof (lustiges Wort) aufgefallen ist, war der geringe Platz für die Fahrzeuge. Wenn man da einmal alles in die Öffis packen möchte, oder muß, dann sehe ich ein Problem. Naja, wir haben ja den Landhausplatz als Reserve.
Das Adambräu war damals auch noch in Betrieb, ich erinnere mich an das eine oder andere Mal „Bierkistlholen“ bei der Rampe im Hof neben dem altehrwürdigen Hauptgebäude (Supermarktkauf war noch ungewohnt oder nicht billiger) und an das allerdings fast nie frequentierte brauereieigene Gasthaus an der Ecke zur H. Geist Straße. Das Bier selber galt wie der sprichwörtliche Prophet im eigenen Land nicht viel, man meckerte und trank. Immerhin, als in Dänemark einmal die Brauereien streikten, konnte das Adambräu sofort kiefern und einen Exportschlager verzeichnen. Adambräu statt Carlsberg.
Die Neubauten aufzuzählen ist mir zu fade, Holliday Inn und Gebietskrankenkasse als schnell aufgefallene Beispiele. Die Erweiterung der Knödelakasemie (Ferrarischule) steht schon. Und hinten in der Reichenau noch viel Platz zum Austoben des architektonischen Genies.
Das Landesarchiv war ergänzend bemerkt damals noch in der Herrengasse. Und das Kongresshaus daneben stand damals auch noch nicht. War Parkplatz 🙂 :-).
Sorry das Bild ist jetzt so groß wie es sein soll…
Vielen vielen Dank Herr Hofinger, so macht der digitale Spaziergang Vergnügen! Und man kann die Parkplatzwüste erst jetzt so richtig bewundern. Was dabei auffällt ist das vielerorts noch mögliche Schrägparken (z.B. W. Greilstraße).
Auch noch entdeckt: Ganz rechts unten im Eck die Mercedes und DKW Werkstatt der Firma Retter in der Fischergasse, Heut ist unter Einbeziehung des alten Substanz der M-Preis. Kennt noch wer die schönen, am Kühlergrill der Mercedesautos angebrachte mehrfarbig emaillierte Retterwerkplakette mit dem Ritterhelm? Da wurde auch die Kunstburg des Retterschlößls verständlich.
Vielen Dank, lieber Herr Hofinger!
Jetzt macht das Panoramabild 100x mehr Spaß.
Anhand dieses Bildes sieht man auch, welch ungeheures Potenzial der Parkplatz in der Michael-Gaismair-Straße als städtische Grünanlage hätte. Eine Oase der Erholung mit vielen Bäumen anstelle der nunmehr parkenden Autos würde hier in der Tat sehr gut herpassen.
Ein faszinierendes Detail für alle Pradl-Liebhaber ist auch das Gaswerk hinter dem Städtischen Hallenbad.
Wo heute friedliche Vögel zwitschern, ragte damals noch für kurze Zeit ein riesiger Gasometer in die feinstaubbelastete Pradler Stadtluft.
Um 1950 wurden hier täglich 100 bis 120 Tonnen Kohle verbraucht!
1974 wurde das Gaswerk schließlich geschlossen und in weiterer Folge der Rapoldi-Park wesentlich vergrößert.
Ja, Herr Auer, unser Gaskessel! Das Schreckgespenst während des Krieges! „Wenn da eine Bombe hineinfällt, dann sind wir alle tot“ – so wurde es uns Kindern immer gesagt!!
Der Luftverpester war aber der Koloss nördlich des Gaskessels – die damals erst neugebaute Verbrennungsanlage, der mehrstöckige nach Norden hin offene „Ofen“. Besonders bei entsprechender Witterung (Föhnlage) war es unerträglich!
In irgendeinen Beitrag habe ich das schon einmal näher beschrieben!
Das war in https://innsbruck-erinnert.at/kennt-sich-jemand-in-pradl-aus/
Dazu eine Ergänzung: Ich habe auf der Karte nachgemessen: Die Entfernung Pradlerstraße 15 zum Ofenhaus betrug 150 m!
Mein Lieblingsgebäude ist der kleine sechseckige Pavillon auf dem Grundstück der Templstraße 24, westlich des jetzigen Landesverwaltungsgerichts.
Sehr schön sieht man auch das altehrwürdige Scheuchenstuel´sche Waisenhaus in der Museumstraße, welches hier schon öfters Thema der Diskussion war.