Wie kann ein Eck rund sein?
Wenig andere Orte in Innsbruck haben in der Bevölkerung eine solche Bekanntheit wie das „Scharfe Eck“. Der Bekannteste ist wahrscheinlich das „Vier-Viecher-Eck“ in der Altstadt.
Dennoch ist das „Scharfe Eck“ in Pradl eine klassische Adresse, die vor einigen Jahren sogar Namenspate für eine Kolumne im nationalen Radio war.
Wahrscheinlich geht die Bezeichnung auf die Straßenbahn zurück, die hier recht abrupt in die Pradlerstraße einbiegt. Wie jede/r Anrainer/in einer Straßenbahn aus leidvollem Erleben weiß, gaben die Räder der Straßenbahn ein sehr schrilles metallisches Geräusch von sich. Wer da im Sommer bei offenem Fenster schlafen wollte, musste Nerven aus Stahl haben oder schwerhörig sein.
Wo es einen interessanten Ort gibt, gibt es meist auch ein Gasthaus. So ist es auch hier. Bezeichnenderweise befindet sich seit vielen Jahren ein chinesisches Restaurant am „Scharfen Eck“.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Signatur: Ph/A-24-375-29)
Ich teile die Auffassung, dass das „Scharfe Eck“ seinen Namen der Straßenbahn verdankte. Auch wenn der Radius des ehemaligen Gleisbogens der Linie 3 mit 21 m am Innenbogen gar nicht so eng war und es im Gleisnetz durchaus engere gab und gibt, so wirkte er mit seinen vier Ausgleichsbögen doch technisch nicht ganz unspektakulär, und letztlich handelte es sich doch um eine 90-Grad-Kurve.
Woher sonst könnte der Name kommen, wenn nicht von der Tram (die wohl dem Gasthaus als Namansgeber diente)? 90-Grad-Kreuzungen gibt es in dieser wie jeder Stadt wie Sand am Meer, und die Hauptrelation im Straßenverkehr ist dort bis heute die Nord-Süd-Richtung entlang der Pradler Straße.
Zum Kurvenquietschen sei gesagt: im „Scharfen Eck“ war sogar eine Schmieranlage eingebaut, die bei jedem Befahren ein wenig Schmiermittel an die Spurkränze der Bahnen abgab. Dennoch verschwand dieser von vielen Faktoren (Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Zustand der Spurkränze, Abnutzung der Spurkränze, Fahrgeschwindigkeit, Zustand der Schiene, Gewicht des Fahrzeugs) abhängige Lärm niemals vollständig, wie auch an allen anderen derartigen Stellen. Es wird wohl weiterhin untrennbar Teil der urbanen Geräuschkulisse bleiben.
Schade ist jedenfalls, zumindest für Nostalgiker*innen, dass es das „Scharfe Eck“ seit dem Bau der Strecke der Linien 2 und 5 somit überhaupt nicht mehr gibt, und irgendwann wohl auch die noch vorhandenen stillgelegten Tramgleise in der Pradler Straße verschwinden werden. Vielleicht sollte jemand dem (hervorragenden!) Chinarestaurant eine der Stadtgeschichte entsprechende Umbenennung vorschlagen? 🙂
Beim Ghedina haben wir immer unsere ganzen Schulsachen eingekauft. Elektro Buhl (war später in der Pradlerstraße bei der Straßenbahnhaltestelle nach dem Scharfen Eck) war in unserer Gegend für alles, was mit Elektrizität zu tun hatte, zuständig. Ich selbst übergab der Firma in den Sechzigern einen Auftrag zum Unterputzlegen der Stromkabel in unserem Haus Pradlerstraße 15 – bis dahin waren alle Leitungen auf Putz mit Keramikstöpseln angebracht!
Die Wandmalereien auf diesem Haus Pradlerstraße 38 stammen vom Pradler Kunstmaler Raffael Thaler, er wohnte ein paar Häuser weiter in der Pradlerstraße 32 – siehe auch Tiroler Kunstkataster https://gis.tirol.gv.at/kunstkatasterpdf/pdf/74309.pdf
Raffael Thalers Werke kann man in der ganzen Stadt entdecken – vom Sonnenburger Hof bis zur Linde auf der Hungerburg! Auch im übrigen Tirol.
Zum „Quietschen“ der Dreier um die Kurve: Bei Südwind konnte man das früher bis nach Altpradl hinunter hören! Am linken Bildrand ist wahrscheinlich eh ein IVBeler damit beschäftigt Schmiere in die Schienen zu streichen (??)
Eine Frage Herr Roilo – War die Elektrofirma BUHL mit dem Bergsteiger Hermann Buhl irgendwie verbunden?
Leider, Herr Schneider, kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten – vielleicht weiß das sonst wer????