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Wer War Rupert Schneidinger?

Wer war Rupert Schneidinger?

Ein Frühlingstag in Innsbruck. Es ist noch recht kühl, die Menschen tragen Wintermäntel. Die Aufschrift auf dem Stadttheater verrät, dass das Bild aus der Zwischenkriegszeit stammen muss (später war das das Reichsgau- und dann das Landestheater. Der Ort nennt sich Rennplatz oder vielleicht auch Dollfuß-Platz (etwas später dann Adolf-Hitler-Platz). Es könnte sogar Anfang März 1938 sein, irgendwie herrscht Aufregung im Bild. Am Straßenrand steht ein Kabriolet, dessen Zulassungsbesitzer wir heute eruieren können, dank der großartigen Datenbanken des Technischen Museums Wien. Ein allfällige Parkstrafe wäre schon verjährt, aber es ist doch interessant, dass der Fahrzeughalter im Jahr 1936 ein gewisser Rupert Schneidinger war. Er war laut Adressbuch der Stadt Innsbruck (dazu bald viel mehr) in den Jahren 1932 bis 1957 stets in der Maximilianstraße gemeldet, die Hausnummer wechselte von Nr. 11 im Jahr 1932 auf 25, 27 und 29 in den späteren Ausgaben. Von Beruf war er zunächst Privatbeamter, Disponent und Vertreter der Firma Josef Linser und Söhne und ab etwa 1940 selbstständiger Wäschereibesitzer.

Privat war Rupert Schneidinger ein Zeit lang verheiratet, die Geschichte endete schließlich vor dem Kadi. Aber lesen Sie selbst.

Allgemeiner Tiroler Anzeiger, 25.1.1929
Dieser Beitrag hat 13 Kommentare
  1. Auffallend ist, daß fast alle, die nicht in Gruppen herumstehen, Richtung Franziskanerbogen zu gehen scheinen. Was jetzt wahnsinnig erhellend ist :-). Corso scheint es keiner zu sein.

  2. Auffallend ist, daß fast alle, die nicht in Gruppen herumstehen, Richtung Franziskanerbogen zu gehen scheinen. Was jetzt wahnsinnig erhellend ist :-). Corso scheint es keiner zu sein.

    Die Nummerntafel der Beiwagenmaschine lese ich als E 4228

  3. In den detailliert geführten Kirchenbüchern der Pfarre Hötting finden sich dazu folgende Hinweise:

    Trauung am 8. Feber 1921
    Bräutigam
    Rupert Schneidinger, wohnhaft in Hungerburg 5, Privatbeamter, 26 1/2 Jahre alt
    zuständig nach Salzburg und geboren in Linz, Pfarre St. Matthias am 2. 7. 1894
    Sohn des Rupert Schneidinger sen. und der Elise Lirsch

    Braut
    Maria Senecic, zuständig nach Serbien, geboren in Budapest am 30. 3. 1879
    Pflegerin, 42 Jahre, uneheliche Tochter der Wilhelmine Senecic.
    Witwe nach Georg Granscac-Dikovic, gestorben 1904 in Kroatien

    Ehe gestrichen über Anordnung des Landeshauptmannschaft Innsbruck vom 13. Feber 1936
    Nach einem weiteren Nachtrag hat die Maria Senecic 1908 einen Paul Keresczeny geheiratet, welcher zur Zeit der Eheschließung mit dem über 15 Jahre jüngeren Rupert Schneidinger noch lebte.
    Die Ehe mit Rupert war also die dritte Ehe der Braut….. was mit dem Zeitungsartikel übereinstimmt.

  4. Die Worte „Adressbuch der Stadt Innsbruck (dazu bald viel mehr)“ klingen ja hochspannend.
    Was diese kryptische Andeutung wohl bedeuten mag? Etwa die Onlinestellung der gesamten Adressbücher von Innsbruck??
    Auf das „viel mehr“ bin ich jedenfalls schon sehr gespannt, was immer es auch bedeuten mag….!

  5. Die kleine Bude mit dem Flachdach rechts der Bildmitte war übrigens eine Tabaktrafik.

    Ob es damals bereits Zigarettenautomaten in Innsbruck gegeben hat, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. Der erste öffentliche Zigarettenautomat mit dem Schild „K. k. Tabakverschleißautomat“ wurde in Österreich interessanterweise bereits 1899 im 16. Wiener Gemeindebezirk Ottakring aufgestellt.

  6. Die Eltern von Rupert jun. haben am 4. Feber 1894 in der St. Matthias Pfarrkirche in Linz geheiratet. 5 Monate später kam Rupert jun. zur Welt.
    Der Vater Rupert Schneidinger sen. war Magazineur bei der Staatsbahn, 25 Jahre alt und stammte aus Vöcklabruck. Die Mutter Elisabeth Lirsch war bei der Eheschließung 19 Jahre alt.

  7. Das Neuigkeits-Weltblatt von 1915 berichtet über den Rupert Schneidinger, Bahnpensionist und Vater von Rupert jun. eine aufregende Story:

    „Aus Salzburg wird gemeldet: Seit Neujahr wurde
    am Postamte Salzburg-Bahnhof eine nicht un­-
    bedeutende Anzahl Feldpostpakete gestohlen, ohne daß es
    gelungen war, der Täter habhaft werden zu können. Post-
    kontrollor Seiler bemerkte eines Tages in der Klosett­-
    muschel Teile von Paketkarton, worauf der Sache be­-
    sonderes Augenmerk zugewendet wurde. Es gelang auch
    die Langfinger ausfindig zn machen und sie dem Gerichte
    einzuliefern. Es sind dies der 1869 in Vöcklabruck ge­-
    borene Bahnpensionist Rupert Schneidinger, dessen
    Mündel, der 1897 geborene Georg Rabl und der
    19 Jahre alte, in Mendorf (Ob.-Oest.) geborene Franz
    Hasnedl, gegenwärtig Infanterist des 59. Jnf.-Reg.
    Alle drei waren am Bahnhofpostamte als Postaushilfs-
    diener angestellt. Sie öffneten mehrmals Liebesgabenpakete,
    welche an in Spitälern befindliche Kranke und verwundete
    Soldaten bestimmt waren, und stahlen daraus Zigaretten,
    Schokolade, Tee- und Kaffeewiirfel, Selchfleisch, Salami
    u. dgl. m. Nun hatte sich die saubere Diebsgesellschaft,
    gegen die anfänglich ein Verfahren wegen Verbrechens des
    Diebstahls anhängig war, vor dem Bezirksgerichte zu ver­-
    antworten. Bezirksrichter Winglmaier verurteilte sämtliche
    Angeklagte zn einer strengen, mit Fasttagen verschärften
    Kerkerstrafe von je zwei Monaten, Hasnedl und Rabl
    nahmen die Strafe an, während Schneidinger erklärte, an
    das Landesgericht die Berufung ergreifen zn wollen!“

  8. Mit der Ehe Schneidinger waren sogar die Apostolische Signatur in Rom und der Oberste Gerichtshof in Wien befasst. Der Zeitungsartikel ist von 1929, das endgültige Urteil gab es jedoch erst 1936. Die Geschäftszahl beim Obersten Gerichtshof lautet 3 Ob 247 / 36 / 3.

  9. Wahrscheinlich hatte Vater Schneidinger noch eine uneheliche Tochter namens Cäcilia Buttinger, welche ebenfalls eine wegen Bigamie ungültige Ehe schloss. Ein unschuldiger Straßenbahnschaffner ist auch involviert. Dass die Halbgeschwister Rupert jun. und Cäcilia beide eine zweifache Ehe eingingen, ist wohl ein sonst noch nie dagewesener Treppenwitz der Geschichte.
    Das Grazer Tagblatt berichtet 1928:

    „Zweifache Ehe.
    Die jetzt 23-jährige Cäcilia Buttinger hatte vor
    mehreren Jahren in Salzburg einen Straßenbahn-
    schaffner namens Gruber geheiratet, die Ehe wurde nach
    kurzer Dauer einverständlich gerichtlich geschieden.
    Cäcilia kam nach Graz und lernte hier im Mai 1925
    den Eisenbahnschaffner Franz Kellner kennen und
    lieben, nach einigen Monaten gingen beide zum Pfarr­-
    amt St. Andrä um ihre Verehelichung in die Wege zu
    leiten. Buttinger, die durch ihre Verehelichung zum
    Namen Gruber gekommen war, wollte an ihre ver­-
    unglückte erste Ehe nicht erinnert werden, nannte sich in
    Graz mit ihrem Mädchennamen Buttinger und er­-
    wähnte auch Kellner gegenüber nichts von ihrer ersten
    Ehe. Sie hatte sich auch durch ihren Vater an Behörden
    gewandt um die Befugnis, ihren Mädchennamen
    wieder gebrauchen zu dürfen, ohne eine offizielle Er­
    ledigung zu erhalten. Bei ihrer Vorsprache beim Pfarr­-
    amt St. Andrä (Graz) gab sie sich als ledig aus, doch
    wurde ihre Verehelichung mit Keller von der Auf-
    hebung der Minderjährigkeit der Cäcilia, sie war da­
    mals erst 20 Jahre alt, abhängig gemacht. Cäcilia und
    Franz warteten nun ein Jahr zu. Auf Veranlassung der
    Frau erschlich inzwischen ihr Vater, Rupert Schnei­-
    dinger, in Salzburg die Ausstellung eines Heimat­-
    scheines, in welchem die Frau als ledig bezeichnet wurde.
    Mit Hilfe dieses Dokumentes schlossen die beiden am
    27. September 1926 in Graz die ersehnte Ehe. Kellner
    wußte noch immer nichts davon, daß seine nunmehrige
    Gattin eine geschiedene Frau ist. Nach der Trauung
    gestand die Frau ihm ihre erste Ehe, er fand nichts be­-
    sonderes daran, da ihr ja auch neue Dokumente, auf
    ihren Mädchennamen lautend, ausgestellt worden
    waren. Durch Zufall wurde die Doppelehe der Cäcilia
    aufgedeckt, vor dem Schöffensenat (Vorsitzender
    DL GR. Dr. Bayer) hatten sich die beiden neuen Ehe­
    gatten wegen doppelter Ehe und Schneidinger wegen
    der Dokumentenerschleichung zu verantworten. Cäcilia
    wurde zu sechs Monaten strengen Arrestes, bedingt auf
    drei Jahre, Schneidinger zu vier Monaten Kerker ver­-
    urteilt, Franz Kellner freigesprochen.“

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