Weitgereist …
… ist diese Ansichtskarte des bekannten Gasthauses Schöneck. Sie wurde am 14. August 1915 ebendort geschrieben und noch am gleichen Tag in Innsbruck zur Post getragen. Adressiert war sie an den Architekten und Baumeister Alfons Mayr jun. (1884-1963), der im August 1914 als Reserveoffizier zu den Kaiserjägern eingerückt, bald darauf schwer verwundet in russische Gefangenschaft geraten war und nun in einem Spital in Nischni-Nowgorod lag.
Bemerkenswert ist, dass es den Rot-Kreuz-Gesellschaften Österreich-Ungarns und des Zarenreichs relativ rasch gelang, eine Vereinbarung zu erzielen, die es ermöglichte, die Post zwischen den Kriegsgefangenen der jeweiligen Staaten direkt, d.h. ohne den Umweg über das Internationale Rote Kreuz in Genf, zu vermitteln. Selbstverständlich unterlag die Kriegsgefangenenpost – wie die Feldpost – der Zensur. Allerdings wurden die Karten und Briefe der Kriegsgefangenen gleich zweimal, nämlich sowohl von den österreichisch-ungarischen als auch von den zaristischen Behörden, geprüft.

Rund vier Monate nachdem die Karte in Innsbruck aufgegeben worden war, langte sie schließlich bei Alfons Mayr jun. in Nischni-Nowgorod ein. Mayr bewahrte die Karte offensichtlich gut auf, denn er brachte sie – als er im Juni 1918 endlich heimkehren konnte – mit zurück nach Innsbruck.
Über seine Heimkehr berichteten die Innsbrucker Nachrichten am 28. Juni 1918:
Dieser Tage ist Ing. Alfons Mayr jun., ein Sohn des Architekten und Baumeisters Alfons Mayr in Innsbruck, glücklich zurückgekehrt. 45 Monate lang hat Ing. Alfons Mayr die Leiden der Gefangenschaft getragen. Nachdem er am 6. Aug. 1914 als Reserveoffizier des 3. Tiroler Kaiseriäger-Regtmentes ins Feld gezogen war und die Kämpfe und Stürme von Uhnow, Komarow, Korczow und Deltatyn mitgemacht batte, geriet er in der Schlacht von Tomaszow in Russisch-Polen sehr schwer verwundet in Gefangen schaft. Nach längerem Aufenthalt in verschiedenen Spitälern Moskaus und Nischntj-Novgorods kam er nach seiner Ausheilung im Jänner 1916 nach Tomsk, Sibirien. Die persönliche Freiheit war in Tomsk sehr beschränkt, die Verpflegung wurde seit 1916 immer schlechter, die Ueberhebung der Kommandanten, der Roten Gardisten und insbesondere der Tschecho-Slowaken immer ärger. Sogar den Invaliden des Austauschzuges, mit dem Ing. Mayr zurückkehrte, wurden von den Tschecho-Slowaken die Offiziers-Distinktionen zum Zeichen der Degradierung abgenommen. Endlich schlug nach langer banger Zeit vieler seelischer und körperlicher Leiden die Stunde der ersehnten Heimkehr.
(StAI, Archiv der Baufirma Mayr)