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Weg Mit Dem Schund! Oder?

Weg mit dem Schund! Oder?

Was ist eigentlich Schundliteratur? Das liegt im Auge des Lesers. Oder der Behörden. Und vor allem diese wurden tätig, wenn es gegen Schundliteratur ging. Auch wenn sich der Blick auf den Schund aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen verschiebt, so ging es nach dem Zweiten Weltkrieg in diesem Zusammenhang meist um Comics aus Amerika und Trivialliteratur. Wir wollen uns nicht im Versuch verlieren, die Begriffe an dieser Stelle im Detail zu erläutern, aber wir ahnen um was es geht. Während des Zweiten Weltkriegs erlebte diese neue kulturelle Ausdrucksform einen unglaublichen Aufschwung. 300 Millionen Comic-Hefte brachten einen jährlichen Umsatz von 30 Millionen US-Dollar (Wikipedia). In dieser Zeit erlebten Batman (ab 1939), Superman (ab 1939), The Flash (ab 1940) und Captain America (ab 1941) eine Verankerung im amerikanischen und später auch im europäischen Kulturleben. Verlage wie Marvel Comics und DC Comics sind heute noch Begriffe. Aber eigentlich wollten wir uns unserem Titelbild zu wenden.

In den 1950er Jahren kam es in Österreich, Westdeutschland, aber auch in der DDR zu Verbrennungen von Schundliteratur! Gerade einmal 20 Jahren nach den Bücherverbrennungen der Nazis im Jahr 1933. In der öffentlichen Wahrnehmung ist das heute vollkommen verschwunden. Ob es solche Aktionen auch in Innsbruck gegeben hat, kann bisher nicht sicher gesagt werden. Vor einigen Jahren war jemand bei mir, der sich zu erinnern glaubte, dass vor der Jesuitenkirche solche Comicverbrennungen stattgefunden haben sollten. Ich kann es nicht beurteilen.

Im Jahr 1953 veröffentlichte das Landesjugendreferat Tirol in Zusammenarbeit mit der Tiroler Handelskammer diesen Aufruf, der sich an die Tiroler Jugend richtete: Man soll doch seine Schundhefte gegen die „Tiroler Heimat“ eintauschen. Interessant dabei ist, dass es zwanzig Schundheft brauchte, dass man dafür ein gutes Jugendbuch bekam. Damit soll die Wertlosigkeit dieser Hefte nochmals unterstrichen werden.

Diese Aktionen spiegeln die Einstellung der österreichischen Gesellschaft wider: Der Krieg war vorbei. Die Amerikaner und die anderen Besatzungsmächte haben sich weitgehend aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Für eine Aufarbeitung der möglichen Schuld war der Abstand noch nicht groß genug. Die Gesellschaft war nicht bereit. Oder so.

Wie erfolgreich diese Austauschaktionen waren, lässt sich heute nicht mehr sagen. Aber es dauerte noch viele Jahre bis Comics als nicht schädlich und nochmals so viele Jahre, bis sie als eine Kunstform anerkannt wurden.

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck; Fl-681)

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare
  1. Die Arbeiterzeitung vom 29. April 1953 berichtet über eine ganz ähnliche Tauschaktion in Wien, bei welcher über 7.000 sogenannte Schundliteratur eingetauscht wurden – was von der Arbeiterzeitung als großer Erfolg hervorgehoben wurde. Manche Mütter haben die Hefteln auch den Vätern weggenommen und zur Eintauschstelle gebracht…. Für die Buben waren solche Hefte in der Nachkriegszeit geradezu eine Art Bargeldersatz, um auch unter sich Sachen zu tauschen. Die Zeitung berichtet:

    „Vom Pin-up bis zur Colt-Story:
    Aus den vollgestopften Taschen quoll eine
    Flut literarischen Schmutzes. Von der so­
    genannten Sittenliteratur bis zum reich­
    bebilderten Nacktphotomagazin, vom blut­-
    rünstigen Kriminalroman bis zur revolver­-
    rauchenden Wildwest-Story war alles vor­
    handen.
    Zum Glück haben Alfred und Günter nicht
    alle diese Hefte gelesen. Sie haben sie an
    allen Ecken und Enden zusammengesammelt:
    bei den Tanten und Onkeln, bei der Groß-­
    mutter und den Nachbarn. Und als dann
    alles sortiert und gebündelt ist, kamen rund
    280 Stück zusammen. Dafür bekommen
    sie schon ein dickes gebundenes Buch vom
    Jungbrunnen-Verlag, R. M. Stoibers „Die
    harte Straße“, und zahlreiche Hefte der
    spannenden, aber literarisch wertvollen
    Jugendbuchreihe „Das große Abenteuer“….
    „Die können wir uns wenigstens in den
    Bücherkasten stellen“, meinen der Alfred
    und der Günter noch, als sie endlich ab-
    ziehen. Und dabei haben sie das, Gefühl, ein
    gutes Geschäft gemacht zu haben.
    Was ein Schundheft wert ist:
    Es ist gar nicht so einfach, die Buben zum
    Umtausch zu bewegen. Für sie haben die
    „Krimis“, die Wildwestbüchlein und die
    Tom Sharks einen festumrissenen Wert. Für
    sie sind die abgegriffenen Broschüren mit
    dem zweifelhaften Inhalt ein Tauschobjekt,
    das praktisch das Bargeld ersetzt. Für
    fünfzig Schundhefte kann man eine lädierte
    Fußballhülle ohne bekommen, für
    zehn Hefte einen halbausgeschriebenen
    Kugelschreiber.
    Das ist einer der Gründe, warum die
    Buben die Hefte nicht wegwerfen. Darin
    besteht aber auch die große Gefahr der
    Schmutzliteratur, die Möglichkeit zum
    Tausch und zur Verbreitung. Der Wirkungs­-
    bereich solch eines Schundbüchels wird da­-
    durch weit mehr vergrößert als der eines
    guten Buches.
    Die Umtauschaktion ist bis jetzt ein großer
    Erfolg. Noch vor den ersten zwei offiziellen
    Umtauschtagen wurden bereits sieben­-
    tausend Kitschhefte von Kindern abgeliefert.
    Überwiegend kommen Buben im Alter von
    sieben bis vierzehn Jahren.
    Auch zahlreiche besorgte Mütter tauchen
    vormittags auf. Ganz heimlich haben sie,
    während der Bub in der Schule ist, die
    Büchelin zusammengesucht, damit „der
    Schmarrn endlich wegkommt aus der Woh­-
    nung“. Eine Frau aus Perchtoldsdorf machte
    den weiten Weg bis zur Secession mit zwei­-
    hundert Schundheften im Rucksack. Eine
    andere nahm sie ihrem Mann weg, während
    er in der Arbeit war, und tauschte für ihren
    sechsjährigen Buben ein gutes Kinderbuch
    ein.
    In der Secessions-Umtauschstelle häuft sich
    die Schmutz- und Schundliteratur zu Bergen,
    Mancher der Buben die Umtauschen
    kommen, sagt dann: „Wumm, de Packeln!“
    und möchte gerne einmal drin wühlen.
    Mancher aber fragt auch mißtrauisch, wohin
    der schmutzige Segen jetzt komme. Er kann
    beruhigt sein. „Frank der Killer“, „Der
    Mann mit dem Teufelshirn“ oder „Die Hexe
    von Verona“ werden bald von der Papier­
    mühle zermalmt werden…..“

  2. In der 2. und 4, Klasse Hauptschule Wilten hat unsere damalige Deutschlehrerin tatsächlich a l l e Schultaschen nach Schundliteratur durchstöbert.
    Tatsächlich hatte eine Mitschülerin in Ihrer Schultasche Hefte der Reihe „El Coyote“ und „Der Kapuzenmann“
    Keine Ahnung, was drinstand – ich gehörte nicht zum inneren Kreis der Auserwählten.
    Aber der Abscheu vor dieser Heftl-Schundliteratur war mir so gründlich eingeimpft worden, daß ich ehrlich erschüttert war, welch reger Tauschhandel mit den „Kommissar Wilton“-Romanheften bei den B-Beamten der Buchhaltung Postdirektion jeweils stattfand.
    Erst als meine Mutter meinte – ja, da säßen in irgendwelchen Schreibwerkstätten gute Schreiber, die sich damit ihr Geld verdienten, daß der eine das Handlungsgerüst, der zweite Charakterzeichnung und der dritte die Dialoge verfasse – und halt ein vierter für die „Szenerie“ zuständig sei – lauter arme Häuter, die einmal geträumt hätten, jeder ein großer Dichter zu werden – und von etwas müsse man leben – und wenns sooo schlecht wäre, dann täts doch eh keiner lesen….., erst da sah ich diese Literatur nicht mehr so streng an.
    „Wer wird nicht einen Klopstock loben?
    Doch wird ihn jeder lesen? Nein!
    Wir wollen weniger gehoben
    und häufiger gelesen sein“

  3. Wieso fällt mir da der Bischof Stecher ein mit seinem bei einem Besuch im Kloster Wilten getätigten Ausspruch „Wenn die Moral so in dicken Flocken durch die Luft fliegt, dann wirds gfahrlich“ ?

    Gemeint waren wohl die leicht versteckbaren und wegen des Kleinformats („Scheckformat“) auch leicht versteckbaren Sigurd heftel, auch Nick, der Weltraumfahrer, der lange vor Gagarin den Kosmos unsicher machte, oder ganz einfach Tex, nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer. Etwas „erwachsener“ wahrscheinlich das verpönte und darum viiiel interessantere Wiener Magazin.

    Damit die Eltern überhaupt wußten, was es zu verurteilen gab, sah ich im beste Rotzpiepenalter einmal ein Plakat der galaktischen Moralpatrouille, welches zu einer Austellung selbiger Literatur in die Handelskammer einlud.
    Letzte Zeile: !Eintritt nur für Erwachsene! – Bei mir gingen alle Lichter aus.

    Apropos Rufezeichensalet angesichts obigen Pamphletchens: Ich bin einmal mit einem Psychiater ins Gespräch gekommen. Während des small talks verriet er mir, daß er bei Diagnosen und Gutachten handschriftlicher Proben zuerst immer schaut, wo und wieviele Rufezeichen verwendet wurden. „!!“ oder gar „!!!“ stufte er schon als eindeutig pathologisch ein, solche Menschen haben eine Macke. Und zwar je öfter desto Mack.

    Wenn der obige unbekannte Dichterfürst statt Mist und Bruch(?) Bruch ind Mist geschrieben hätte, wäre ein Reim auf liest möglich gewesen-

    Jungösterreich war ein braves „Kinder, sagt Euren Vätern, sie sollen ÖVP wählen und in die Kirche gehen“) Heftl, Tiroler Heimat heute eindeutig rechts Bruch.

    1. Die Kinderpost war die Konkurrenz zur Wunderwelt. Der politische Konter zu Jungösterreich war wahrscheinlich eine Erbauungsblättchen der Roten Falken.

      1. Ja, die drei großen Kinderzeitungen der Nachkriegszeit waren:
        – die von der KPÖ herausgegebene „Unsere Zeitung“, teilweise mit politischen Anspielungen, wie der Bildergeschichte „Die Drachenblume Orchidax“ mit dem Häuptling Adobu und dem Feldmarschall Hermago
        – die Kinderpost
        – und die Wunderwelt, z.B. mit dem Zwerg Bumsti, Willibald dem Zauberlehrling, Piff und Paff, Benjamin und Kasimir usw.

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