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Schmutziger Lesestoff

Schmutziger Lesestoff

Es gibt sicher wenige Menschen auf dieser Erde, die noch nie über einen schmutzigen oder geschmacklosen Text gestolpert sind.  Wie wir einen Text bewerten, hängt allerdings, zumindest empfinde ich das so, sehr stark von unserer subjektiven Wahrnehmung ab. Was ich als literarisch beeindruckend empfinde, könnte für den anderen schon Folter sein. Diese starken Meinungsunterschiede mögen heutzutage nicht mehr so stark erkennbar sein, jedoch war man damals noch etwas dünnhäutiger.

1948 sorgte eine kleine rechteckige Importware aus Amerika für viel Wirbel innerhalb der Tiroler Bevölkerung: die Comics. Sie erfreuten sich bei den Jugendlichen an großer Beliebtheit, was den Erwachsenen viel Kopfzerbrechen bereitete. Schnell war man sich einig, dass die kleinen Heftchen mit den Sprechblase als Schundliteratur abgestempelt werden sollen. Aber wie konnte man nun die Kinder davon überzeugen?

Im März desselben Jahres veranstaltete das Jugendschriftwerk des Landesjugendreferates Tirol gemeinsam mit anderen Organisationen die erste österreichische Jugendbuchausstellung. In der Handelskammer eröffnete man eine Ausstellung unter dem Motto „Das gute Jugendbuch“. Sie verfolgte das Ziel den Pädagogen und Jugendlichen erstklassige Literatur schmackhaft zu machen und den verruchten Comics somit den Kampf anzusagen. Tauschte man eine gewisse Anzahl an ,,Schundheften“ ein, so erhielt man entweder ein ,,gutes Jugendbuch“ oder Abonnements sowie Gutscheine, um der hochwertigen Literatur ein Stück näher zu kommen. Unser Beitragsbild zeigt eine Werbung für besagte Ausstellung in den frühen 50er-Jahren. Ob ich für die damalige Auswahl an „guten Jugendbüchern“ meine Micky Mouse-Comicsammlung aufgegeben hätte?  Wer weiß.

(TT,1948,Nr.56,S.3)

(Verena Kaiser)

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare
  1. Ganz offensichtlich haben die Verantwortlichen des Landesjugendreferates sich nicht sehr mit dieser „Schundliteratur“ auseinandergesetzt. Bei näherem Hinsehen hätten sie nämlich bemerken müssen, dass z. B. Dagobert Duck sehr häufig Goethe, Schiller oder auch Heinrich Heine zitierte. Auch sein Neffe Donald befleißigte sich häufig einer gehobenen Ausdrucksweise, wenn er beispielsweise seine Katze, die ihn gerade vor Schreck angefallen hatte, fragt: „Mieze, was ficht dich an?“
    So las man eben die Schundhefterln mit leicht (ganz, ganz leicht) schlechtem Gewissen, tauschte stets untereinander aus, sammelte fleißig und hat in den allermeisten Fällen doch (oder gerade deshalb?) den Weg zur Weltliteratur gefunden.

    1. Dies ist der Übersetzerin Erika Fuchs zu verdanken, die von 1951 bis 1988 die englischsprachigen Originale durch ihre sehr freien Übersetzungen aufwertete und völlig neue Maßstäbe bei deutschsprachigen Comics setzte.

  2. Ich war damals 5 Jahre alt, und noch nicht einmal Micky Mouse oder Fix und Foxi Leser.

    Ich glaube, mit Schundliteratur waren nicht die Werke von Walt Disney und Rolf Kauka gemeint, sondern diese schmalen Abenteuerheftchen im Scheckheftformat (Suchbegriff Picolo Comics). Wobei, was ist denn ein Scheckheft? Auch was Ausgestorbenes
    .
    Da gab es die Abenteuer von Falk, Sigurd, Nick dem Weltraumfahrer, Silberpfeil, Tibor dem Sohn des Dschungels, und was weiß ich alles.

    Aber warum so schmal? Die hatten die Chance, von Eltern und Lehrern nicht so schnell entdeckt zu werden. Außerdem waren sie billiger als ausgewachsene Schundhefte…und man konnte wahrscheinlich tauschen. Nein, nicht gegen ein Jugendbuch.

    Ihre Stärke lag in der Benutzbarkeit für Grenzdebile abwärts. Bildele und Zack-Bumm-Text. Und im Picolocomic hat der junge Leser ein vermeintlich wahres Leben fern von Vatis und Muttis Welt erlebt, manchmal mit wohligem Schaudern. Wer hat Vatern jemals Kinnhaken austeilen und Muttern in etwas windiger Bekleidung aus den Klauen eines Monsters bergen gesehen?
    Schuund!! Was der Rusch dazu gesagt hätte, mag ich nicht wissen. Aber dem Kripp hätte es auch eine Augenbraue hochgerissen.

    Das unterklassige, aber auch erfolgreiche dieser Heftchen war neben der amerikanischen Denkweise, Gewalt mit Gewalt beantworten, die Unnotwendigkeit, den zack-bumm Text auch noch lesen zu müssen. Das Schöne der Literatur, daß man sich die dem Text zu Grunde liegende Welt mit ihren Menschen in der eigenen Phantasie hinzufügt, fiel hier weg. Nick sah aus wie Nick und Sigurd wie Sigurd.

    Damit man nicht meint, es habe nur die Polarität Jugendbuch – Schundheftl gegeben: Meine wohlbehütete Kindheit begleitende Literatur war die von mir heiß geliebte und an Biederkeit nicht zu überbietende „Wunderwelt“. Da gab es die Bildgeschichten von Zwerg Bumsti, der Aliens Piff und Paff und auf der letzten Seite vom Zauberer Hokus mit seinem Lehrling Willibald. Das meiste in Versen beschrieben. Und alles ohne Sprechblasen. Bumsti und die Aliens waren auch keine Comics, sondern illustrierte Geschichten, was etwas ganz anderes ist. Und daneben noch manch Lehrreiches aus Natur und Technik.
    Ein Konkurrenzprodukt, die „Kinderpost“ galt hingegen als Sozi-Hefterl und war daher für viele Eltern schräg angesehen. Meines Vaters rotes Tuch in der Kinderpost war die Bildergeschichte von „Tschin Bell, der Trapper“. Wahrscheinlich hat er sogar recht gehabt, ich kann mich nimmer erinnern,
    Genug geplappert.

    1. „Eduard und Ottokar, das fidele Brüderpaar“ hams vergessen, Herr Hirsch ! I kann mi no erinnern, wie i eines Abends in jenen Tagen bei meinen Eltern vorlesen mußte und dabei die Betonung auf das i legte – also das fÍdele Brüderpaar – die haben Tränen gelacht, echt fies, aber leicht zu unterhalten…

  3. Ja. Das waren Zeiten.
    Die „Kinderpost“ – ob das wirklich……??? In den 40-er Jahren, noch während der Volksschulzeit, habe ich sie gelesen. Sie war – gestatten, bitte! – eher als „gehobene“ Kinderlektüre gedacht. Wieso?
    Nun, es gab da jeweils eine Fortsetzungsgeschichte. Die kindliche „Heldin“ mußte jeweils aus der Umgebung i
    ihrer Kindheit fort. Wohin??? Natürlich in ein feines Internat. Im ersten Jahr wars die Dunki, aufgewachsen auf Java. Im zweiten Jahr – nein, die Evi kam als Buch heraus- wie hieß die nur? Kurz und gut – zu Weihnachten durften sie endlich heim – und was srand unterm Lichterbaum? Natürlich entzückende rote Stiefelchen – genauso wie beim g.uten alten „Trotzkopf“, den bessere bis gute Kreise ihren Töchterchen beizeiten in die Hand drückten, um ihre „Vorfreude“ aufs „Mädchenpensionat“, wo es doch so „lustig“ ist, zu wecken.
    Klingt wohl eher antiquiert – gutbürgerlich bis adelig.
    Dann gab es die UZ – „Unsere Zeitung“ – die angeblich in Wien in einer Druckerei „bei die Russen“ hergestellt wurde. Das Papier war eindeutig „windiger“ als bei der Kinderpost, Briefonkel gabs auch nicht, dafür einmal eine papierene „Ankleidepuppe“ mit auszuschneidenden Papiergwandln, wo jeweils drunterstand, aus welcher Zeit sie stammten(Wie geht der Vers? „Gotik, Barock, Renaissance – des is ihnen olles aans“) Ja, Kostüm- und Stilkunde. Und wenn da was Kommunistisches… – mein Papa, aus christlich – sozialem Elternhause – also da hätte er mir dieses Blattl sicher nicht mitgebracht. (Er selbst war übrigens Christl Vertrauensmann)
    Und dann – 1948???- kam erst die Wochenpost – und für Zwergerln und Mäuse ist man in der 1.Klasse Hauptschule doch eindeutig schon v i i i i e l zu erwachsen – oder?

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