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Von Der Schiene Auf Die Straße (Die Innsbrucker Botenzentrale I)

Von der Schiene auf die Straße (Die Innsbrucker Botenzentrale I)

Im Jahr 1938 schmuggelte sich eine neue Rubrik in die Gewerbetreibenden der Innsbrucker Adressbücher: der Botendienst. Er tat dies so offenbar so heimlich, dass er es sich von den Setzern unbemerkt, fälschlicherweise noch vor dem „Bortenwirker“ gemütlich machte. Ein Jahr später war dann aber die alphabethische Korrektheit wiederhergestellt: Bodenwichser und –reiniger – Botendienst – Branntweinbrennereien.

Wie es zu dieser Rubrik kam, wäre eine spannende Frage. Sie umfasste nämlich 1938 lediglich zwei Einträge: Die „Botenzentrale“ von Rudolf Kirchmair am Innrain 25 (Einfahrt Bürgerstraße 2) und die „Innsbrucker Botenzentrale“ von Dr. Blaas & Co in der Hofgasse 2 mit ihrer Sammelstelle in der Höttinger Au 34. Ein Jahr später gab es dann nur mehr Kirchmairs Botenzentrale, an der Adresse der Blaas’schen. Zuvor fand man diese Unternehmen unter den Spediteuren – aber vermutlich machten sie sich solch einen Namen, dass ihn auch die Adressbücher schließlich abbildeten.

Die Beförderung zur eigenen Rubrik war natürlich nicht der Beginn der Botenzentralen. Schon Anfang 1931 taucht eine „Botenzentrale ‚Innbrücke‘“ mit der Adresse Mariahilf 14 in den Zeitungen auf, wohl nicht zufällig an der Adresse zwischen den Gasthöfen Lamm und Schwarzer Bär. Ähnliches galt nämlich für den neuer Standort ab April 1931 in der Bürgerstraße 2 bzw. dem Innrain 25, dem Gasthaus Hentschel. Wenn die Baulichkeiten der 1930er-Jahre noch jenen der Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts glichen, aus denen das heutige Titelbild stammt, kann man sich gut vorstellen, warum: Einfahrt von der Bürgerstraße, Ent- und Beladen im Hof, Ausfahrt in den Innrain, weiter gehts. Und nicht zu vergessen natürlich die Labe- und Übernachtungsmöglichkeit im Gasthof.

Schon 1931 war das Novum an der Botenzentrale aber höchstens das Wörtchen und der Gedanke einer „Zentrale“. Denn „nach den Anfängen des Botenwesens in Tirol zu fahnden“ wäre zwecklos, wie die Innsbrucker Nachrichten am 4. Dezember 1935 aufklärten: „So lange es Höfe und Dörfer und Städte in unserem Lande gab, solange hat es auch Boten gegeben, die den Warenverkehr zwischen Dorf und Dorf und Dorf und Stadt besorgt haben.“ Je nach geografischer Situation konnte die Eisenbahn ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Fuhrwerke weitgehend ersetzen – aber nie ganz verdrängen. Die späten 1920er Jahre brachten dann einen gegensätzlichen Trend nämlich den „Aufschwung ungeahnter Art […] namentlich mit der zunehmenden Verbreitung des Autos, durch das manche Vorteile des Bahntransportes, vor allem die Schnelligkeit, mit denen des Straßenfuhrwesens vereint werden konnten.“

Das bereitete auch Sorgen. Die Innsbrucker Nachrichten beobachteten am 31. Juli 1931, dass man an Samstagen „50 und noch mehr vollbeladene Botenautos vor der damals nur wenige Monate alten Innsbrucker Botenzentrale nach allen Richtungen abfahren“ sehen könne. Man sah bereits die Zukunft der Eisenbahn gefährdet: „Die Bahn kämpft hart um ihr Dasein gegen die unerbittliche Autokonkurrenz. Sollte der Schienenstrang bereits einem Zeitalter angehören, das sich überlebt hat?“ Auch ein Bundesbahninspektor namens Plank gestand wenige Tage später ein, dass sowohl der Personen- als auch der Güterverkehr auf der Schiene „nicht nur beträchtlich, vielmehr sogar beängstigend zurückgegangen“ sei. Einen Hauptgrund sah er in völlig unterschiedlichen Ausgangspositionen und forderte deshalb, dass „die gegenwärtige, wilde Autokonkurrenz“ stärker reglementiert werden müsse. (ATA, 5. August 1931, S. 9)

Womöglich auch vor diesem Hintergrund regelte 1933 ein Landesgesetz, dass Boten ebenso wie Spediteure Haftungen zu tragen hatten. Auch für die Löhne gab es „seit Jahren“ schon Vorschriften. Um welches Landesgesetz es sich hier genau handelte, ist mir jedoch nicht ganz klar. Dem Geschäft des Botenwesens tat dies freilich keinen Abbruch. 130 verschiedene Boten durchfuhren 1935 Tirol, „die teilweise die Talortschaften untereinander verbinden, teils die Verbindung mit der Hauptstadt herstellen“. Die Wägen aus dem Oberinntal und Außerfern brachten im Herbst Heu, Kartoffel und Kraut, jene aus dem Unterinntal Äpfel und Nüsse. Und zurück lieferten sie Mehl, Kaffee, Zucker und Stoffe für die Landgeschäfte. Deshalb konnte man in der Botenzentrale am Innrain „nicht nur das Mannsvolk tüchtig an der Arbeit sehen, man kann dort auch ein Kolleg über den Warenverkehr innerhalb Tirols bis in alle Einzelheiten mitmachen“, resümierten deshalb die Innsbrucker Nachrichten am 4. Dezember 1935.

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-24624)

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Wilde Konkurrenz:
    So ein Wildwuchs waren die gar nicht, denn die Straße war von den Zwanzigerjahren an unverhältnismäßig gemeindlich und staatlich gefördert, wie die vielen in dieser Zeit entstandenen und nach dem 2.Wk weitergeführten Straßenprojekte zeigten.
    Zwischen 1920 und 1930 gab es in der ÖIAZ in fast jeder Ausgabe eine mehrseitige Beilage über gute Beispiele zur Staubfreimachung und Schaffung ebener Stadtfahrbahnen. Wenn man sich vergewärtigt, was da für ein Etnwicklungsaufwand dahintersteckte, zeigt das, dass damals die Konkurrenzverhältnisse Auto zu Schiene gehörig verschoben wurden, wohl in erster Linie mit Geld von Menschen, die sich damals kein Auto leisten konnten.

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