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Vollkornbrot Vür Volksgesundheit!

Vollkornbrot vür Volksgesundheit!

Vielleicht geht es dem werten Leser anders, aber der Autor hätte es wahrscheinlich für einen Witz gehalten, wenn man ihm erzählt hätte, dass das NS-Regime 1939 den Reichsvollkornbrotausschuss ins Leben rief. Doch so seltsam es auf den ersten Blick klingen mag, war der besagte Ausschuss Teil einer großangelegten Kampagne für die Volksgesundheit aber auch der Vorbereitung der Ernährung für den Krieg.

Viele Wissenschaftler propagierten damals bereits die Vorzüge von Vollkornbrot, seit nachgewiesen werden konnte, dass es mehr Vitamine und Ballaststoffe enthielt, doch die Nationalsozialisten versuchten daraus „das deutsche Brot“ zu machen. Es wurde als Gegenstück zu „verweichlichtem“ und „unnatürlichem“ Weißbrot präsentiert. Das an sich lobenswerte Ziel, Karies, Übergewicht und anderen Krankheiten vorzubeugen, wurde durch das nationalsozialistische Weltbild verzerrt. Motiv war nicht das Wohl des Einzelnen, sondern der Nutzen für den „Volkskörper“. So erklärte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsforschung 1937: „Nur der Mensch stellt einen Wert dar, der über Leistung verfügt“.[1]

Der Ausschuss normierte den Begriff Vollkornbrot, legte Richtlinien für das Backen und den Verkauf fest. Jeder Bäcker, der sich rühmen wollte, deutschen Vollkornbrot zu verkaufen, musste sein Brot von der zentralen Stelle in Berlin testen lassen. Bäcker, deren Vollkornbrot den Standards entsprach, konnte sich mit dem Gütesiegel mit Lebensrune (unten rechts im Titelbild zu sehen) kennzeichnen. Während der Vollkornbrotkonsum durchaus gesteigert werden konnte, blieben die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück. Somit wurden neben dem Reichs- auch Gauvollkornausschüsse eingerichtet, die ihre Arbeit bis Kriegsende fortsetzten.  

(Signatur Fl-796)


[1] H. Reiter, Ansprache des Präsidenten bei der 2. Versammlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsforschung am 8. März 1937, zitiert nach: Uwe Spiekermann, Vollkornbrot in Deutschland. Regionalisierende und nationalisierende Deutungen und Praktiken während der NS-Zeit, S. 36.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare
  1. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, noch ein paar weitere „Blüten“ von Anno dazumal zur Kenntnis zu bringen:
    „Wir sollten unsere Kinder zu Brotessern erziehen. Das Schwarzbrotessen ist im Interesse der Gesundheit durchaus anzustreben. Die wissenschaftliche Forschung hat, auf zwei jahrtausende zurückgreifend, den Beweis erbracht, daß dort, wo eine übermäßige Verfeinerung („Verzuckerung“) der Eßsitten Platz gegriffen hat, das gesunde, kräftige Gebiß verschwand und Zahnfäulnis aufgetreten ist“
    „Als Hauptnahrungsmittel ist das Brot auch das Hauptaufbaumittel für unser Wachstum und die Erhaltung unserer menschlichen Kräfte. Es enthält die wesentlichen Bausteine für unseren Leib. Auf der Kunst des Ackerbaues sowohl wie der Kunst der Brotzubereitung baut sich unsere ganze abendländische Kultur als eine bäuerlich bestimmte Kultur auf, im Gegensatz zu einer händlerisch-nomadischen Gesittung frmdblütiger Völker“ (Zitiert nach Kingelin „Boden und Brot“)“
    Aus „Das Kind Der Mutter Glück, der Mutter Sorge“, 3.Auflage, 1943 Leopold Stocker Verlag/Graz und Leipzig
    (Es soll schon damals Leute gegeben haben, die insgeheim fragten: „Wiaso ham nacha aber die Italiener, de was lei Weißbrot essn, so gsunde kräftige Zähnnd?“)

  2. Es ist aber auch wissenschaftlich anerkannt, daß der Getreideanbau durch ungünstige Beeinflussung der Mundschleimhaut durch die entsprechenden Nahrungsmittel die erste Verschlechterung des Zahnstatus gebracht hat. Aber das wußten die generell überhaupt nichts wissenden Nazis natürlich nicht. Wo bliebe da auch die blutdurchtränkte Väterscholle.

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