Unscharf, aber gut. Besonderes aus der Sammlung Kreutz – IX
Wenn es um die Sammlung Kreutz geht, dann sind schienengebundene Fahrzeuge oder deren Spuren meist nicht weit. So auch hier. Dass wir uns am Eisenbahn-Viadukt befinden, ist klar. Sogar bei einem unscharfen Foto.
Interessant ist die Aufnahme unter anderem deswegen, weil man relativ gut erkennen kann, dass die Flächen unter den Bögen früher als bescheidener Wohnraum dienten. Man beachte das Heizungsrohr, das auf Höhe des Bahndamms endet.
Offen bleibt beispielsweise, ob das Viadukt bereits zweigleisig ausgebaut ist oder das Geländer diesen Eindruck vermittelt. Welche anderen Gebäude auf diesem Fenster in die Vergangenheit sind erwähnenswert?
Und dann ist da noch die „Kaffee-Brennerei“ des Franz Voglsanger auf die an der Südseite hingewiesen wird. Befand sich diese hier oder doch ganz wo anders? Und – für die jüngeren LeserInnen – was ist eigentlich ein Feigen-Kaffee? Oder ist dieser schon wieder als Retro-Getränk in Mode?
Daran schließt sich noch die Frage nach der Bogennummer an. Gerne erzähle ich die stadthistorische Anekdote, auf die mich übrigens Andreas Rauch vor 25 Jahren hingewiesen hat, nämlich, dass der Bogen durch den der Sillkanal floss, als Einziger keine Nummer (oben mittig) trägt. Das sind die „Hausnummern“ der Bögen. Aber welcher war das gleich…?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck; Slg. Kreutz)
Der nachgefragte Bogen ohne Nummer, durch den seinerzeit der Sillkanal führte, liegt zwischen den Bögen 33 und 34. Der einzige ist’s aber nicht. Alle Bögen, durch die seinerzeit bereits Straßen, Wege oder eben der Sillkanal führten wurden bei der Nummerierung übersprungen. Andererseits blieben nachträgliche Strassendurchbrüche nach wie vor nummeriert.
Die Aufnahme wird gleich neben dem Kapuzinergassendurchgang entstanden sein. Man sieht es auch an der Höhe der Bögen, die Richtung Inn deutlich höher sind und Richtung Bahnhof zu niedrig sind, um einer zusätzlichen Etage Platz zu bieten.
„Schuld“ an den niederen Bögen vom Kapuzinergassendurchgang Richtung Bahnhof hat das Kapuzinerbergl https://innsbruck-erinnert.at/ein-berg-verschwindet/
Sie haben recht, ein paar Bögen waren auch davon betroffen. Der große Höhenunterschied zwischen Innbrücke und Bahnhof spiegelt sich, wenn auch nicht gleichmäßig, so doch im gesamten Verlauf des Viaduktes wieder, weshalb er ja ursprünglich auch errichtet wurde. Man sieht auch, dass das gesamte Bahnhofsniveau wohl über dem ursprünglichen liegen muss wie letztlich auch die Steigung der Brunecker Straße runter in die Ing. Etzl Straße deutlich macht.
Also, das mit dem Bahnhofsniveau – das hängt mit dem „Schwemmfächer der Sill“ und ihrer Ablagerungen zusammen.
Ich zitiere aus „Alt- und Neupradl – Ein Heimatbuch“. Da steht im Artikel „Innsbruck – Pradl in der Vorzeit“ von Dr. Georg Mutschlechner im Kapitel „Die Sill und ihre Ablagerungen“ folgendes:
„Die Begrenzung des Schwemmfächers“ (der Sill!) „ist trotz mancherlei Veränderungen (Anschüttungen und Planierungen) immer noch wahrnehmbar. Sie beginnt im Südwesten der Stadt bei den Bahndurchlässen unterhalb des Hußlhofes, folgt der Egger-Lienz-Straße und Innerkoflerstraße (hier ist eine deutliche Geländestufe zu sehen) , quert den unteren Teil der Friedhofalle (jetzt: Fritz Pregl Straße) und zieht dann zwischen den Gebäuden der Kliniken zur Anichstraße. Von hier geht es dann in gerader Linie nordlich des Bozner Platzes vorbei zur großen Bahnüberführung am Ende der Museumstraße und weiter bis zum östlichen Ende der Egerdachstraße. Hier wendet sich die Grenze des Schuttfächers nach Südosten und führt, an einer auffallenden Geländestufe kenntlich, qn den östlichen Rand von Amras.
Im Westen wie im Osten bezeugen solche unvermittelt einsetzenden stufenförmige Abbrüche zur Talsohle die staqrke Beschneidung des früher weiter reichenden Schuttfächers durch den Inn“
Ja, ja – und so mußte beim Hauptbahnhof nicht aufgeschüttet werden – er liegt – wieviel? 200 bis 300m? südlich dieser beschriebenen Geländekante auf dem Schuttkegel der Sill.
Ja, ja, beide – „Vater Inn“ und „Mutter Sill“, waren und sind seit jeher als „Landschaftsgestalter“ und „Gartenplaner“ tätig – teilweise, wie oben angeführt, auch im „Konkurrenzkampf“. Seien wir froh, wenn beide in ihrem (jeweils getrennten) Bett bleiben…. Oder?
Spät aber doch danke für diese interessanten Ausführungen, Frau Stepanek. Ich wusste zwar, dass es diesen Schwemmkegel der Sill gibt und dass er auch für Geländestufen in Pradl und Wilten ursächlich ist, aber nicht, wie diese im Stadtgefüge unterschiedlich ausgeprägten, aber immer wahrnehmbaren Niveauunterschiede genau begrenzt sind. Sehr interessant!
In den Gegenden und Grätzeln auf dem Schotterkegel im Süden der Stadt ist man im Fall eines leider immer wahrscheinlicher werdenden HW300 oder HW1000 zwar vor dem Inn sicher, dafür würde man aber von der Sill über die Kante hinuntergespült, falls es dort stattfindet.
„Ja, auf numero quarantadue, da haben wir auch eine Zeit lang gewohnt. Eingang – eine Küche – und zwei Zimmer – und Fenster vorn zur Straße und hinten hinaus – da war so ein bißl wie ein Gartl… Es war nett dort!“
„Ja, aber der Lärm? – die Züge direkt über dem Kopf…???“
„Aaah – das gewöhnt man! Am dritten Tag hört mans schon nimmer….!!!“
Soweit die Erinnerung meiner Nonna Ellia Petronilla Nicolodi geb. Corradini, (12.3.1875 Vezzano – 7.10.1961 Innsbruck)
Das heißt, dass der quarantadue der Bogen mit dem Kaminrohr ist, also schnell neben dem Kapuzinergassendurchgang Richtung Kapuzinerbergl?
Stimmt, Herr Roilo. Südlich des Durchgangs der Kapuzinergasse. Blick nach Westen: „alle stalle“ = zu den Stallungen.
Wie das ehem. Gasthaus Hatzl damals hieß? Keine Ahnung. Die Nonna sagte bloß „…quell‘ osteria alle stalle“ – also „das Gasthaus neben den Stallungen“
Ich muss schnell weg – aber vielleicht hilft das: https://innsbruck-erinnert.at/ich-wars-ausnahmsweise-nicht/
Einen Bogen weiter, nämlich auf der Rückseite von quarantuno ragt wieder ein Rohr heraus. Heute ist dort ein ‚Stanglwirt‘ also auch irgendwie ‚alle stalle‘.
https://maps.app.goo.gl/NQfvpgeRDNdkfEeG6
Jetzt hamms mi aber neugierig gmacht – und so hab i heut mein Morgenspaziergang (ab siebene) nach Dreiheiligen hinüber gmacht – mit kurzm Abstecher zu die Bögn – und glei wieder retour.
Jaaa – und obwohl etwas von „5 h“ steht, war kein einziger Frühstücksgast da… Ob sichs auf Dauer rechnet?
Aber jetzt kenn i dee Sehenswürdigkeit aa – von außn. Und schwarze Scherenschnitte sein scheints aa wieder modern.
Das freut mich jetzt wirklich. Nun haben aber Sie mein Interesse geweckt, die Augen offen zu halten um zu versuchen die Schuttkegel der Sill nachzuvollziehen. Um es mit geflügelten Worten zu sagen:
Man sieht eben nur was man weiß.
Herzlichen Dank auch für dieses Wissen.
Das Haus mit der damals noch sichtbaren Feuermauer ist Kohlstattgasse 1, rechts hinter der Feigenkaffeebrennerei sieht man den Komplex der Dreiheiligenschule
Im Beitrag https://innsbruck-erinnert.at/raritaeten-aus-der-sammlung-kreutz-viii/ wurde bereits über die Feigenkaffeefabrik geschrieben.
Ich habe mal gelesen daß in den Bögen die letzten Tuberkulosefälle in Innsbruck lebten, man gewöhnt sich ja an den Zug, der Tiefschlaf tut das aber nicht höre ich aus der Medizin. Dazu die eindringende Feuchtigkeit von oben..