Tiroler Textilien (II.)
Die Tiroler Weber stellten wie ihre Standesgenossen in anderen Ländern zahlreiche verschiedenen Stoffe her. Im ersten Artikel ist bereits Barchent erwähnt worden, der aus Flachs und Baumwolle besteht. Bei diesem warmen und festen Stoff wurde Baumwoll-Schuss (die waagrechten Fäden im Gewebe) mit Leinen-Kettenfäden (den senkrechten) kombiniert. Vermutlich entstand diese Form aufgrund der hohen Kosten der Baumwolle, die bis in das 17. Jahrhundert ein teures Ausgangsprodukt darstellte. Ein anderes produziertes Tuch war Batist, ein feiner, leichter Stoff, der aus reinem Leinen hergestellt wurde (er kann auch aus Baumwolle gewebt werden, aber in Tirol war der Flachs freilich ein im wahrsten Sinne des Wortes näherliegendes Produkt). Während Batist durch die sogenannte Leinwandbindung gewebt wird (das heißt der Schuss wird abwechselnd über und unter die Kettenfäden gewoben), wird Barchent durch die Körperbindung produziert. Dabei wird der Schuss über einen der und anschließend unter zwei der Kettenfäden gelegt. In den nachfolgenden Reihen verschiebt sich der Anfang immer um einen Faden, so dass ein diagonales Muster entsteht. Ein weiterer Stoff, der so hergestellt wird, ist Flanell, ein weiches aber warmes Tuch, welches allerdings aus Wolle gewebt wird.
Von dem Bestand der erwähnten Ordnung für die Weber hören wir Innsbruck erstmals 1456, sie galt speziell für die Leinweber. Im Laufe der Zeit wurde das Regelwerk immer umfassender. Die Ordnung bestand ursprünglich aus 11 Artikeln, 150 Jahre später bereits aus 45.
1583 bekamen auch die Tuchscherer ihre eigene Ordnung. Die Tuchscherer schnitten mit schweren „Bügelscheren“ die abstehenden Fasern von Tüchern ab, um ihnen so eine glatte Oberfläche zu verleihen.
Wie alle Zünfte hüteten auch die Weber eifersüchtig ihre Privilegien und achteten auf die Arbeitsweise ihrer Mitglieder. Damit war einerseits ein Maß an Qualitätssicherung gegeben, andererseits kontrollierten die Zünfte so auch die Preise, in dem sie die Produktion einschränkten (etwa durch die Begrenzung der Webstühle, die ein Meister besitzen durfte) und versuchten, mögliche Konkurrenz zu verbieten. So opponierten die Innsbrucker Weber 1603 gegen die Niederlassung eines „vom Rhein“ stammenden Webers in der Stadt, der Tuch in Atlasbindung herstellte. Textilien, welche durch diese komplizierte Webtechnik produziert werden, sind besonders geschmeidig aber auch empfindlich, Satin wird beispielsweise so hergestellt. Ihre Beschwerden hatte jedoch keinen Erfolg, und ihm wurde gestattet, sein Handwerk hier auszuüben, allerdings unter der Bedingung, dass er sein Versprechen erneuerte, sich von der protestantischen Konfession abzuwenden.
(Titelbild: Auf dem hier zu sehenden Bild verkaufen der Innsbrucker Tuchscherer Jörg Karl und seine Frau Dorothea die Zinseinnahmen von zwei Häusern für einen einmaligen Betrag an den Oberpfleger des Stadtspitals, Signatur U-420)
Herzlichen Dank für den interessanten Beitrag!
Ich hoffe doch, dass zu einem späteren Zeitpunkt in dieser Reihe auch die Seidenraupenzucht zum Thema wird? 😉