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Stummfilmstar In Innsbruck Verunglückt

Stummfilmstar in Innsbruck verunglückt

In der Tiroler Tageszeitung vom 17. Februar 1951 wurde über einen Unfall berichtet, der sich zwei Tage zuvor in Innsbruck an der Kreuzung Pradler-Straße – Gumpp-Straße ereignet hatte. Zu Schaden kam dabei der Stummfilmstar Asta Nielsen. Die Schauspielerin stürzte beim Einsteigen unter ungeklärten Umständen von einer Straßenbahn und wurde dabei verletzt: „Die weltbekannte Filmschauspielerin Asta Nielsen erlitt am Donnerstag abend in Innsbruck unter bedauerlichen Umständen einen schweren Unfall. Darüber liegt folgender amtlicher Bericht vor: Am Donnerstag um 20 Uhr wurde die Innsbrucker Polizei von der Rettungsgesellschaft verständigt, daß sie soeben eine ausländische Dame nach einem Verkehrsunfall an der Kreuzung Pradler Straße – Gump[p]straße in die Klinik eingeliefert habe. Die von der Polizei sofort durchgeführten Erhebungen ergaben, daß die Verunglückte die berühmte Filmschauspielerin Asta Nielsen ist. Asta Nielsen, die derzeit in Seefeld wohnt, hatte mit dem bekannten dänischen Schriftsteller Dr. Paul Knudsen die erste Abendvorstellung im Laurinkino besucht. Nach dem Verlassen des Kinos begaben sich die beiden zur Straßenbahnhaltestelle, wo ein ziemliches Gedränge herrschte. Dr. Knudsen und Asta Nielsen wollten auf der vorderen Plattform des Wagens Nr. 60 (Mailänderwagen) einsteigen. Der Wagenführer schrie die Leute an, daß vorne niemand einsteigen dürfe, und drängte Frau Asta Nielsen zurück. Diese stürzte dadurch von der Plattform nach rückwärts auf die Straße, wo sie mit dem Rücken und Hinterkopf auf dem Pflaster auffiel. Sie wurde solgleich aufgehoben und von unbekannter Seite wurde die Rettungsgesellschaft verständigt, da die Frau einen sehr benommenen und verletzten Eindruck machte. Das Vorgehen des Motorführers erregte bei den Leuten großen Unwillen. […] Gegen den Motorführer wurde die Strafanzeige erstattet. Der Motorführer und mehrere Zeugen wurden noch am Abend von der Polizei einvernommen. Nach Aussage Dr. Knudsens hatte Frau Nielsen die Worte des Motorführers nicht verstanden.“

Die Innsbrucker Verkehrsbetriebe AG verfasste eine Stellungnahme, die in der Tiroler Tageszeitung am 19. Februar 1951 veröffentlicht wurde: Die Innsbrucker Verkehrsbetriebe AG bedauerte darin den Vorfall und teilte mit, dass den Fahrer, falls ihn ein Verschulden träfe, dienstrechtliche Konsequenzen erwarten würden. Allerdings sei es so, dass der Fahrer versichert habe, nicht schuld an dem Unfall zu sein. Vielmehr habe er, als mehrere Personen versuchten über die vordere Plattform in den Triebwagen einzusteigen, in ruhigem Ton erklärt, dass der Zustieg nur weiter hinten möglich sei. Asta Nielsen habe ihn aber wohl nicht verstanden und habe versucht ihn zurückzudrängen: „Als sie sah, daß sie nicht einsteigen könne, sei sie verkehrt abgestiegen, sie stolperte und fiel dadurch mit dem Rücken auf das Straßenpflaster. Der Schaffner erklärte, daß Frau Nielsen ohne seine geringste Schuld unglücklicherweise selbst hinausgefallen sei.“ Asta Nielsen behauptete aber, „Der Wagenführer hat mich mit der Hand hinausgedrängt, und so fiel ich auf den Rücken.“ Wer von den Beiden schlussendlich Recht hatte und ob der Unfall für den Verkehrsbetriebe-Bediensteten Konsequenzen hatte, ist mir nicht bekannt.

Ein Reporter der Tiroler Tageszeitung nutzte die Gelegenheit und suchte Asta Nielsen für ein Interview, das in der Ausgabe vom 19. Februar veröffentlicht wurde, unangemeldet im Krankenhaus auf, obwohl die Ärzte Besuche verboten hatten. Der Reporter ließ sich aber nicht aufhalten: „Ich klopfte diskret an die Tür und trat ein. […] Die Augen der Frau sind geschlossen, als ich an ihr Bett trete. Doch sie öffnen sich, da sie meine Nähe spürt. Zwei weltberühmte Filmaugen blicken mich erstaunt, doch keineswegs abweisend an.“ Auf die Frage warum sie sich derzeit in Innsbruck aufhalte, berichtete Asta Nielsen, dass sie nun als Reiseschriftstellerin tätig sei und schon öfters über Tirol berichtet habe. Dieses Mal sei sie wegen der Suche nach guten Fotos von Hall i. T. im Lande. Natürlich wurde auch der Unfallhergang besprochen und die Schauspielerin versicherte, dass die Schuld nicht bei ihr liege. Nach einigen weiteren Fragen verabschiedete sich der Reporter, der in seinem Artikel diesen Augenblick so beschrieb: „Dann verließ ich das stille Zimmer, in dem ein weltberühmter Star des Stummfilms liegt, der nicht viel spricht, da es für ihn noch zu anstrengend ist.“ Auf die Idee, dass der Überraschungsbesuch für Asta Nielsen vielleicht unangenehm gewesen sein könnte und sie deshalb nicht besonders redselig war, kam der eifrige Reporter aber scheinbar nicht.

Das Foto Asta Nielsens auf der weiter oben abgebildeten Postkarte wurde von dem Fotografen Alexander Binder circa 1920 aufgenommen.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Ach wie oft hörte man die genervten Strassenbahn Fahrer und Schaffner rufen „hinten einsteigen, wie oft muss ich das noch sagen“, nicht bedenkend, dass es immer neue Gäste waren die es in der Mitte oder – ganz schlimm- sogar vorne versuchten.
    Dazu gab’s den passenden Witz:
    Die Verkehrsbetriebe sind ein sozialer Versorgungsverein mit vereinseigener Strassenbahn, die auch Nichtmitgliedern gegen Entgelt das Mitfahren gestattet.

  2. Das war aber auch verflixtes Pech, dass die Star*in ausgerechnet an den einzigen Großraumwagen der IVB geraten ist. In den alten Garnituren konnte man vorn und hinten einsteigen, der Schaffner pendelte zwischen beiden Plattformen hin und her. Und beim 3er-typischen Basler Beiwagen sowieso nur in der Mitte. Die Schweizer sind eben friedliebende Menschen.
    Ich erinnere mich außerdem an die verzweifelten Rufe des Schaffners in den O- und Bussen „Vorgehen!! Bitte vorgehen, Saggrafix!!“, sowie an der grammatikalisch falschen Aufschrift „Rückwärts einsteigen!“, also Kehrseite voraus.

    O.T.: Das Bonmot betreffend Vereinseigenschaft der IVB mit bis auf Widerruf ausnahmsweise zähneknirschend gestatteter Mitnahme von Nichtmitgliedern gilt eigentlich heute noch. Ich sag nur Linie StB, die wegen ein paar Metern Subventionsböschung gleich einmal 2 Monate nicht mehr nach Fulpmes fährt. Ersatzbus nur ab Innsbruck, wo man eh den 590er hat. Ersatzbus zum Hauptbahnhof gibts seit Monaten sowieso keinen.

  3. Ach ja, vom Laurinkino zur Strassenbahn in der Pradlerstrasse — lang und länger ist’s her …

    Im treuen Gedenken versuchen die Nachfahren der Vereinsmitlieder seit vielen Jahren, die Gefährlichkeit der Kreuzung mittels Bussen aufrecht zu erhalten, indem sie in großer Zahl einfach über Stopptafel und -linie rollen.
    Nach abenso vielen wie erfolglosen Anrufen beim Verein habe ich angedroht, Videos zu machen/veröffentlichen, was aber gleich darauf durch die Baustelle verunmöglicht wurde.
    Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben …

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