Stimmungsvoll!
Diese besondere Herbstimpression hielt der Innsbrucker Hobbyfotograf Dr. Gottfried Newesely im Jahr 1929 fest. Wir stehen an einem nebeligen Nachmittag in der Herzog-Otto-Straße und blicken gegen Nordwesten. Wir sehen die alte, eiserne Fachwerkbrücke über den Inn, die erst zu Anfang der 1980er-Jahre durch eine moderne Betonbrücke ersetzt wurde.
Für Straßenbahn-Enthusiasten sind wohl aber besonders die Geleise im Vordergrund von Interesse, sehen wir hier doch die Weiche, von der das Abstell- oder Ausweichgleis im Bereich der Wartehalle bei der Innbrücke abzweigte.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Sammlung Gottfried Newesely)
Super, vielen Dank! Dieses Bild bekräftigt zusammen mit http://innsbruck-erinnert.at/bayerische-besatzung/ die Existenz eines Ausweichgleises, das mit zwei Weichen in beide Fahrtrichtungen an das Streckengleis angebunden gewesen sein dürfte. Hier im Bild ist die ostseitige Weiche zu sehen, im anderen, verlinkten Beitrag der Beginn des Gleisbogens hin zur vermutlichen westseitigen Weiche. Wäre das nur ein Abstell- oder Stockgleis, gäbe es keinen Grund für die Verschwenkung im anderen Bild.
Die Ausweiche scheint allerdings etwas östlich der nordseitig (im Bild jeweils oben) der Straße gelegenen Wartehalle der Station Altstadt gewesen zu sein. Diente sie trotzdem als Haltestellengleis? Schwer zu sagen. Ich habe zugegebenermaßen auch noch nicht in Gleisplänen aus der Zeit nachgesehen, ob die Ausweiche dort eingezeichnet ist. Wird noch nachgeholt.
Mittlerweile habe ich mir Gleispläne von 1910 und 1930 angesehen (eine Sekundärquelle in Ray Deacon, „Innsbruck’s Alpine Tramways“; 2014 neu erstellt nach verfügbaren Informationen), in keinem von beiden ist an dieser Stelle eine Ausweiche eingezeichnet. Da diese Gleispläne sehr gewissenhaft recherchiert wurden, mehren sich m.E. die Anzeichen, dass das eine straßenbahngeschichtliche Neuentdeckung sein könnte. Das jetzt bitte nicht bierernst nehmen 🙂 – aber bedeutungslos ist es auch nicht.
Doch nichts ganz Neues. Danke für dem entscheidenden Hinweis an jemanden aus einem anderen Forum: die Suche nach „Ottoburg“ förderte folgenden Eintrag auf Seite 20 in Walter Kreutz „Straßenbahnen, Busse und Seilbahnen“, 3. Auflage, zu Tage:
„7. August: Politische Begehung des Stutzgleises für den Güterwagen der Haller Bötin bei der Ottoburg, km 9,99/10,0, welches nach
rechts (in Fahrtrichtung Hall) abzweigt. Die Verlegung machte das Fällen von 4 Alleebäumen notwendig. Als Gleisabschluss dient
eine Querschwelle. Das Gleis muss, da es in der Straße liegt, mit Rillenschienen ausgeführt werden. Das Bewegen der Fahrzeuge
darf nur von Hand erfolgen. Den Wagen auf der Straße stehen zu lassen, ist ebenso untersagt wie das Beladen auf der zur Straße
gekehrten Seite.“
Damit ist zweifellos geklärt, dass es sich um das bereits diskutierte Postgleis handelt, ich hatte mich schlicht und einfach nicht daran erinnert, dass vor der Ottoburg verortet war. Dennoch scheint es eine Neuentdeckung zu geben: der Eintrag bei Kreutz beschreibt die Situation vor Inbetriebnahme des Gleises 1905. Es zweigte demnach ursprünglich nur in Fahrtrichtung Osten vom Streckengleis ab und war nur mit einer Weiche angebunden (die auf keinem der beiden Bilder zu sehen ist). Am Foto hier sehen wir aber die Gegenweiche, und diese wird nirgends erwähnt, auch nicht später in der Chronik. Das Gleis wurde demnach irgendwann zwischen seiner Errichtung und 1929 zu einer vollwertigen Ausweiche erweitert.
Das war auch kein Ausweichgleis sonder ein Stutzgleis für die Güterverladung der Haller Botin… Nachzulesen in Straßenbahnen, Busse und Seilbahnen von W. Kreutz. Wurde 1905 errichtet und wahrscheinlich mit der Trasse am Rennweg 1938 herausgerissen.
Der Eintrag dazu im „Kreutz“ ist in meinem Beitrag ja zitiert. Er stimmt aber nicht mit dem Foto überein. Das Foto zeigt eine Weiche, die Richtung Zentrum vom Streckengleis abzweigt, nicht Richtung Saggen und in weiterer Folge Hall, wie im „Kreutz“ beschrieben.
Die ungeklärte Frage ist:
Wurde das so errichtet und blieb bis zum Ende so? Wenn ja, gab es zusätzlich westseitig eine Weiche?
Oder wurde es errichtet wie im „Kreutz“ beschrieben und irgendwann zwischen 1905 und 1929 auf das, was wir im Bild sehen, umgebaut? Und falls Letztes zutrifft, wurde die westseitige Weiche dabei entfernt oder wurde das Abstellgleis zur vollwertigen Ausweiche ergänzt?
Damit das hier auch up to date bleibt: aktueller Kenntnisstand ist, dass es ein weiteres Foto gibt, auf dem erkennbar ist, dass zum Aufnahmezeitpunkt westseitig keine Weiche ins Streckengleis existierte. Man sieht darauf einen etwas in Richtung Innbrücke gerichteten Wagen. (Ich selbst habe das Bild nicht gesehen, es wurde mir nur beschrieben.) Das unterstreicht die Existenz eines Gleisbogens in Richtung Streckengleis, wie er im Bild http://innsbruck-erinnert.at/bayerische-besatzung/ andeutungsweise sichtbar ist.
Die meiner Meinung nach im Moment angesichts der Datenlage plausibelste Theorie ist, dass das Abstellgleis 1905 wie im „Kreutz“ beschrieben errichtet wurde (immerhin wurde sie so behördlich genehmigt, und der besagte Gleisbogen deutet ebenfalls darauf hin). Das erwies sich dann in der Praxis als nicht praktikabel (weil es zum Ankuppeln entweder einen Richtungswechsel beim händischen Bewegen des Güterwagens erforderte, oder ein Zurückstoßen des Zuges; vielleicht auch, weil die westseitige Weiche im Kreuzungsbereich gelegen haben muss und der Kraftwagenverkehr immer weiter zunahm?), weshalb das Abstellgleis auf der Ostseite vor 1929 mittels einer neuen Weiche ins Streckengleis eingebunden wurde (wie hier zu sehen) und die Weiche auf der Westseite wieder ausgebaut wurde.
Und hier ist jetzt auch die stadtauswärts abzweigende Weiche zu sehen, im Zeitraum 1909-1920 (während der Existenz der ersten Linie 2):
https://innsbruck-erinnert.at/das-warten-hat-ein-ende-teil-3-3/