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Sommer 1914 (IV)

Sommer 1914 (IV)

„… so wird es jetzt wirklich Ernst, u. weiß Gott, wie u. wann es Enden wird.“ Diese Gedanken kamen Margarethe von Zepharovich in den Sinn, als sie am 27. Juli 1914 – gemeinsam mit ihrem Sohn Karl – sah, wie am Innsbrucker Bahnhof viele Reservisten die Stadt verließen, „die mit Hoch- und Heilrufen acclamirt wurden“. Doch noch war der Krieg nicht erklärt. Nachdem Serbien die (harten) Forderungen der Monarchie nicht erfüllt hatte und der k. u. k. Gesandte daraufhin am 25. Juli Belgrad verlassen hatte, folgte ein eigenartiges Intermezzo, denn die Kriegserklärung der Habsburgermonarchie an Serbien sollte erst am 28. Juli 1914 übermittelt werden.

Auch wenn sich der drohende Krieg zunehmend im Alltag der Menschen bemerkbar machte, so nahm dieser doch noch weitgehend seinen normalen Lauf. Bei Zepharovichs wurde auch in den letzten Julitagen musziert, gelesen, gespielt („Nm. spielen die Buben, da las ich Zana vor […]“, notierte Margarethe etwa am 27. Juli in ihr Tagebuch) und ins Kino gegangen. Und auch Ausflüge wurden unternommen, so etwa am 30. Juli nach Brixlegg. Dazwischen ging man allerdings auch in die Stadt „um die neuen Telegramme zu lesen“ (28. Juli 1914).

Am Vormittag des 31. Juli fuhren Karl und Zana mit einem Bekannten auf die Hungerburg, während Margarethe verschiedene Bekannte in der Stadt besuchte. U.a. schaute sie bei Familie Dankl – Viktor Dankl war der Kommandant des XIV. Korps – vorbei, wo aber gerade niemand zuhause war. Am Rennweg lief Margarethe dann ihren Söhnen über den Weg und kehrte sodann mit den beiden im Kaffee Maria-Theresia ein, „um zu sehen, warum so viele Leute in Gruppen standen, dann kam Militärmusik u. spielte patriotische Stücke, alles zog zum Korpscommando [in der Erlerstraße], wo Dankl eine zündende Ansprache hielt [siehe Titelfoto], die heilige [sic] Volkshymne wurde begeistert gesungen, Prinz Eugenlied, Radetzkymarsch. Es ist allgemeine Mobilisirung, Gott schütze unser geliebtes Vaterland in diesen schweren Zeiten!“

Kriegsbegeisterung in Innsbruck am 31. Juli 1914. In der Maria-Theresienstraße hatten sich hunderte Menschen eingefunden – in der Mitte spielt vermutlich die Regimentsmusik des IR 28. (StAI, Ph-18231)

An die Schilderung der Tagesereignisse schloss Margarethe in ihrem Tagebuch einige Reflexionen an:

Und so schließt dieser Monat, der so traurig begann unter dem Eindruck des Mordes in Sarajevo mit allem Ernst des Krieges, aber doch mit der echten, warmen Begeisterung fürs Vaterland u. man ist wieder stolz, Oesterreicher zu sein, dazu alles, hoch u. nieder, reich u. arm u. was immer für eine Nation angehörend, finden sich im Patriotismus, in inniger Liebe zu Kaiser u. Reich, wenn auch viele Tränen fließen in Angst um scheidende Lieben, alles freut [?] sich der gerechten Rache an diesem Mordgesindel u. Gott, der Heilige u. Gerechte muß [?] unsre Waffen segnen, denn wohl noch nie wurde in gerechterer Sache gekämpft, unser weiser, alter Kaiser hat gewiß seine Friedensliebe gezeigt.

Mit diesen Gefühlen und Gedanken stand Margarethe von Zepharovich nicht alleine da. Alfons Graf Clary-Aldringen, damals Leutnant in der Reserve, schrieb rückblickend: „Bei Kriegsausbruch hatte ich eigentlich nur ein Gefühl: Mein großes geliebtes Österreich war angegriffen und in tödlicher Gefahr.“ Und der Historiker Ludwig von Pastor notierte bereits unter dem 28. Juli 1914:

Eine Abrechnung mit Serbien war für Österreich nicht zu vermeiden und man hat deshalb allgemein aufgeatmet, als das ungewöhnlich entschiedene und kraftvolle Ultimatum erschien. […] So muß denn unser greiser Kaiser trotz seiner großen Friedensliebe noch am Ende seiner Tage zum Schwerte greifen. In dem großartigen Manifest ‚An meine Völker‘ hat er in Worte gekleidet, was wir alle im innersten Herzen fühlen: dem unerträglichen Treiben der serbischen Verschwörer muß ein Ende bereitet werden. Daß dies nicht bloß im Interesse unserer Monarchie liegt, sondern auch in dem Deutschlands, hat die begeisterte Teilnahme gezeigt, die man uns dort entgegenbringt. In der Bündnistreue Deutschlands liegt unsere Haupthoffnung, daß Rußland nicht einen allgemeinen Krieg entfesselt, dessen Ende der Ruin Europas sein würde.

Wilhelm Wühr (Hrsg.), Ludwig Freiherr von Pastor 1854 – 1928. Tagebücher – Briefe – Erinnerungen, Heidelberg 1950, 608f.

Wie diese Zeilen zeigen, war nicht nur den Diplomaten und Militärs klar, welch riskantes Spiel sie mit der Kriegserklärung an Serbien begonnen. Auch so manchem weitsichtigen Bürger war bewusst, dass dieser Schritt eine Kettenreaktion in Gang setzen konnte, an deren „Ende der Ruin Europas“ stehen würde …

(Titelfoto: StAI, Ph-1532 / TB Margarethe von Zepharovich, Privatbesitz)

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