Schuld und Sühne (IV.)
Bereits seit dem frühen Mittelalter symbolisiert das Schwert wie wohl kein anderes Objekt Autorität und Gerechtigkeit. Selbst durch das Schwert gerichtet zu werden, war einst ein Privileg, der gemeine Verbrecher wurde gehängt, besonders verruchte wurden zum Opfer einer der grausamen Hinrichtungsarten, die im zweiten Artikel der Serie erwähnt wurden. Dementsprechend überrascht es nicht, dass das Schwert auch ein Symbol des Scharfrichters war. Hier zu sehen ist das Richtschwert des Gerichtes Sonnenburg aus dem Jahr 1680. Gleich ins Auge fällt die abgerundete Spitze des Schwertes, die sich bei sämtlichen Waffen dieser Gattung findet.
Wenn ein Scharfrichter es zu einem gewissen Wohlstand brachte – was durchaus vorkam, der Nürnberger Henker gehörte im 16. und frühen 17. Jahrhundert zu den am besten bezahlten Männern der Stadt – dann ließ er sich dieses Objekt, welches für ihn grimmiges Werkzeug und erhabenes Symbol zugleich war, auch einiges kosten. Es konnte mit Goldarbeiten verziert sein oder wurde mit Gravuren versehen, welche seinen Berufsstolz ausdrücken; auch wenn er bis ins 18. Jahrhundert offiziell zu den unehrlichen Männern gerechnet wurde. Auf dem Sonnenburger Schwert sehen wir ein Beispiel einer solchen Gravur, die auf der Klinge einen Scharfrichter ihn Ausübung seines Handwerks zeigt. Ein wenig überdimensioniert steht er neben dem armen Sünder, der mit zum Gebet erhobenen Händen auf einem Stuhl sitzt. Tatsächlich wurde die Todesstrafe durch Enthaupten so vollstreckt, mit dem Delinquenten aufrecht sitzend (oder kniend) und dem Scharfrichter einen waagrechten Schlag vollführend, auch wenn man heute eigentlich das Bild des Verurteilten mit dem Kopf auf dem Block vor Augen hat.
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(Signatur Ph-G-10054)
Das Hochgericht Sonnenburg lag nach Heinz Moser (Der Scharfrichter von Tirol,1982, Seite 130f) ursprünglich in der Nähe der Weiherburg und wurde um 1330 auf den Galgenbühel im heutigen Stadtteil Allerheiligen verlegt. Daneben gab es auch den sogenannten Köpfplatz, der zunächst im Zwickel Weiherburggasse/Falbachgasse lag und ab 1721 am „Sauanger“ westlich der Mariahilf-Kirche nachgewiesen ist. 1800 wurde hier auch ein Galgen anlässlich der Hinrichtung des Spions J. Koch errichtet.
Zur Lokalisierung dieser Richtstätte in der Höttinger Au können verschiedene Karten sowie Zeitungsberichte herangezogen werden. Auf einem Stadtplan aus dem Jahr 1768 (abgebildet bei Moser, S. 131 und Schönegger, Innsbruck im historischen Kartenbild, S. 162) ist auf dem Sauanger der „Köpf-Platz“ eingezeichnet. Einen weiteren Hinweis bieten die Karten von Archenoberinspektor Franz A. Rangger aus dem Jahr 1763 mit einer „Richt Statt“ sowie von Carl Ludwig Friedrich Viehbeck 1804 mit einem „Hoch Gericht“. Auch ein Plan von Innsbruck um 1750 bildet die „Richt Statt“ ab (alle Karten sind digital unter https://hik.tirol.gv.at abrufbar).
Die Lage der ehemaligen Richtstätte in der Höttinger Au lässt sich über diese georeferenzierten Karten recht präzise im Bereich Fischnalerstraße/Santifallerstraße in der Nähe der Pfarrkirche Petrus Canisius festmachen.
Auch in Zeitungsberichten hat der Richtplatz seinen Niederschlag gefunden.1925 ist die Bezeichnung „Köpfplatz“ beim Rechenweg (heute Fischnalerstraße) in der Höttinger Au noch bekannt.
„Das Ansuchen des Baumeisters Achammer um Grundtausch wurde unter der Bedingung, daß der Baustadel bis 1. April 1926 abgetragen sein muß, weiters Achammer kostenlos die Gehsteige von der Hutterstraße bis Rechenweg, bezw. Hutterweg bis Köpfplatz herstellt und außerdem einen Betrag von 100 S der Gemeinde zahlt, zugestimmt.“ Allgemeiner Tiroler Anzeiger, 10. April 1925.
„…Wohnungsbau am Köpfplatzl wurde an Baumeister Achammer…vergeben.“ Allgemeiner Tiroler Anzeiger, 3. September 1925.
Ende August 1938 berichten die „Neueste Zeitung“ und das „Salzburger Volksblatt“ über die Auffindung der alten Richtstätte: „Das Höttinger Köpfplatzl aufgedeckt. Skelettfunde auf einer alten Richtstätte. Hier wurden „malefizische“ Personen hingerichtet – der „Rabenstein“ aufgefunden.“ (Tessmann digital: Neueste Zeitung, 30. August 1938, Seite 4)
Leider wurde die Auffindung der Richtstätte nicht archäologisch begleitet. Aus den Zeitungsberichten geht jedoch hervor, dass beim Wohnungsbau in der Rechenstraße (bzw. Rechenweg) am linken Innufer mehrere menschliche Gebeine in geringer Tiefe aufgefunden wurden. Außerdem wurde ein kleines Postament aus Nagelfluhsteinen (bzw. Höttinger Brekzie) freigelegt, das als „Rabenstein“ angesprochen wird. Ob es sich um eine kreisförmige Anlage handelte, wie es die Karten des 18. Jahrhunderts vermuten lassen, ist nicht überliefert. Es sollten noch einige Jahre vergehen bis zur ersten archäologischen Ausgrabung einer Richtstätte in Tirol – 2021 wurde das Hochgericht im Maukenwald in Radfeld archäologisch untersucht.