Noch ein schnelles Jubiläum…
…bevor 2023 vorbei ist. Trachtenfeste erfreuten sich nicht nur in der Monarchie (jenes von 1910 war ja schon einmal Thema) großer Beliebtheit, sondern auch in der Zwischenkriegszeit. 1923 sind in den Zeitungen derartige Veranstaltungen von Mayrhofen bis Saalfelden, von Schladming bis Salzburg und viele viele mehr dokumentiert. Jenes in Innsbruck fand am 27. Juli 1923 anlässlich des österreichisch-bayerischen Heimattages statt.
„Das Fest wird ein einfaches schlichtes Tiroler Fest werden„, ließ der Verein für Heimatschutz Anfang Juli via Innsbrucker Nachrichten ausrichten. „Die verschiedenen Buden, die in Anlehnung an die Verhältnisse auf den Alt-Innsbrucker Märkten aufgestellt werden, sollen möglichst einfach und ohne alle Kennzeichen moderner Tingel-Tangel-Buden errichtet werden.“ Die Oberleitung übernahm Architekt Clemens Holzmeister, damals noch Professor an der Bundeslehranstalt für Hochbau und Gewerbe, „dem eine Reihe von Kundigen der Altstadt und ihrer architektonischen Schönheiten zur Seite stehen. So wird die Gewähr geboten, daß das Bild der Herzog-Friedrich-Straße an diesem Abend durch nichts verschandelt wird. Um jeden Kitsch fern zu Halten, wird auch mit der Zulassung von Tiroler Trachten streng vor gegangen wer den. Nur jene Trachten können zugelassen werden, die wirklich e ch t sind. Die Träger solcher alter Tiroler-Volkstrachten haben bei der Veranstaltung freien Eintritt und werden am Trachtenfestzug teilnehmen.“ Für die Anmeldungen waren Albin Scheran von der Buchdruckerei Koppelstätter und Frau Hofrat Emma Ebster im Landesverkehrsamt zuständig. „Heimatschutz bedeutet ja Schutz der alten Güter unserer Heimat vor Verunstaltung und Zerstörung„, erklärte der Verein, weshalb er „bei der Auswahl der Mitwirkenden an diesem Feste sehr rigoros“ vorgehe. Sowohl in der „Buden- und Trachtenfrage„, ebenso wie „in der Auswahl der austretenden Musikkapellen, Volkssänger, Volkstänzer und deren Programmen“ wurde nur jenes zugelassen, was der Heimatschutzverein als würdig erachtete. Das Ergebnis, so erwartete man, werde „weit über dem Niveau gewöhnlicher, moderner Volksfeste stehen“ und die kulturelle und künstlerische Bedeutung der Altstadt sowie Tirols hervorheben.
Eine Woche vor dem Fest waren zwar bereits eine große Anzahl von Teilnehmenden angemeldet und der Hochzeitszug, den vermutlich das obige Titelbild zeigt, war fast fertig besetzt. „Erwünscht wären noch einzelne originelle Figuren, wie Tiroler Teppichhändler, Wurzelgraber, Höttinger Vogelfacher. […] Da noch Mißverständnisse zu bestehen scheinen, muß immer wieder betont werden, daß es sich in diesem Falls um k e i n K o s t ü m f e s t handelt, sondern um ein gediegenes alttirolisches Fest, bei dem hauptsächlich wir selbst uns an unseren Alttiroler Trachten und tirolischen Wesen freuen wollen, deswegen sollen besonders unsere Tiroler und Tirolerinnen, die sich als solche fühlen, mitwirken. Ordner werden dafür sorgen, daß die Festesfreude in den gebührenden Grenzen bleibt: störende Elemente werden unnachsichtlich entfernt. Dieses Fest soll die Liebe zu unserer im Schwinden befindlichen prächtigen Volkstracht wieder entfachen helfen, es handelt sich also um ein echtes Volksfest, das einen höheren, idealen Sinn hat.“ (IN, 20.7.1923, S. 5)
Aus diesen Zeilen kann man gut das Bestreben herauslesen, eine Tiroler Identität zu (er)finden und zu konservieren, eine Wir-Gemeinschaft zu schaffen und zu feiern, wobei auch deren Schattenseiten – die Ablehnung vor Veränderungen und Ausgrenzung des Fremden – durchklingen. Die Betonung, „das echte Tirolerische“ schützen zu wollen, macht auch das Spannungsfeld zwischen Authenzität und Repräsentation deutlich. Einerseits sollte urwüchsige Tiroler Kultur, wie ein Wurzelgraber und ein Vogelfänger präsent sein, andererseits muss man sich fragen, inwiefern diese tatsächlich jemals in einer schönen, teuren Tracht unterwegs waren.
A propos teuer. Das Kostümleihinstitut Rosina Erharter am Marktgraben 27 warb damit, dass man bei ihr „Tiroler Nationalkostüme zum Preise von 15.000 K aufwärts“ (das wären etwa 9 Euro) für das Heimatschutz-Trachtenfest entlehnen konnte. (ATA, 24.7.1923, S. 5) Der Eintritt in die für die Zeit des Umzuges abgeriegelte Altstadt betrug für Zuschauende 5000 Kronen (ca. 3 Euro). „Nach Schluß des Festes um 11 Uhr wird sich in den Gaststätten der Altstadt noch Gelegenheit zur Ruhe und gemütlichem Zusammensein bieten. Es wird dafür gesorgt werden, daß auch weniger Bemittelte dem Feste beiwohnen können, ohne befürchten zu müssen, daß sie deswegen weniger davon genießen.“ (IN, 20.7.1923, S. 5)
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Sammlung Sommer, Bd. 31)