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Neue Reliefs Für Das Goldene Dachl

Neue Reliefs für das Goldene Dachl

Nikolaus Türing schuf um 1500 herum die Reliefs an der Loggia des Goldenen Dachls. Im Laufe der Jahrhunderte waren diese Kunstwerke aus empfindlichem Sandstein Wind und Wetter und einigen nicht ganz fachgerechten „Verschönerungsversuchen“ ausgesetzt. Um die Reliefs vor weiterer Zerstörung zu bewahren, wurden sie im Jahr 1949 entfernt und knapp drei Jahre später durch Kopien ersetzt. Vor Beginn der Arbeiten stellte sich die Frage, wie die Reliefs so originalgetreu wie möglich kopiert werden könnten: Da ein Abguss der Originalreliefs – ohne diese zu beschädigen – nicht durchführbar war, beschloss die Stadt Innsbruck als Auftraggeberin, dass in Sandstein gearbeitete Kopien wohl die beste Lösung wären. Der Auftrag wurde an den Pradler Bildhauer Franz Roilo vergeben.

Im Jahr 1951 besuchte der Journalist Herbert Buzas den Künstler in seiner Werkstatt, um ihm bei seiner Arbeit über die Schulter zu schauen und ein Interview mit ihm zu führen. Herbert Buzas schrieb einen recht umfangreichen Artikel über diesen Atelierbesuch, der am 10. März 1951 in der Tiroler Tageszeitung erschienen ist. Er berichtete darin unter anderem folgendes: „Jeder Innsbrucker kennt das Goldene Dachl und viele wissen, daß sein plastischer Schmuck von Meister Türing stammt. Vor kurzem hatten wir Gelegenheit, Türing in seiner Werkstätte zu besuchen. Er trug einen staubigen Overall mit Reißverschluß, der seine kräftige Gestalt ganz einhüllte, und war gerade dabei, aus einem grauen Stein die Habsburger Nase Kaiser Maximilians I. herauszuarbeiten. Auf seiner Stirn glitzerte der Schweiß, als er sein Werkzeug aus der Hand legte, und sagte: „Hier sehen sie eines von den zehn Reliefs, die im kommenden Herbst das Goldene Dachl wieder schmücken werden. Niemand wird merken, daß es sich dabei um Nachahmungen handelt.“ Da erkannten wir, daß es nicht Türing I. war, der den Hammer führte, sondern „Türing II.“, nämlich der Bildhauer Franz Roilo.“

Für die Originalreliefs verwendete Nikolaus Türing Mittenwalder Sandstein. Franz Roilo musste erst nach einem geeigneten Material für die Herstellung der Kopien Ausschau halten. Er berichtete darüber folgendes: „Ich habe mein Material nach einigen Irrfahrten in einem Sandsteinbruch in St. Margarethen in der Schweiz gefunden. Es ist viel härter als der Stein, aus dem Türing seine Kunstwerke schuf. Ich muß daher alles mit dem Hammer herausschlagen, während Türing ohne Hammer mit dem Schneideisen zu Werke ging. Er konnte gewissermaßen den Stein schnitzen.“

Der Weg zu einer perfekten Kopie war nicht ganz einfach und sehr arbeitsintensiv: „Zunächst projizierte Roilo ein Diapositiv auf den Sandsteinblock, dessen Umrisse er nachzeichnete. Ein Verfahren, das ihm unbedingte Originaltreue in der Bewegung und Komposition sicherte. Dann bestimmte er mit der Punktiermaschine an Hand der Originalreliefs auf dem unbearbeiteten Sandstein eine Fülle markanter Punkte, um sie hernach herauszuarbeiten. Wenn alle diese Punkte mit dem Original auf den Millimeter übereinstimmten, begann die Feinarbeit mit der Raspel. Franz Roilo berichtete weiters: „Die Arbeit verlangt von mir höchste Konzentration und stärkstes Einfühlungsvermögen in den Geist einer längst verflossenen Zeit. […] Mit einer mechanischen Nachahmung allein ist nichts getan. Ich mußte Türing begreifen, ehe ich ihn reproduzieren konnte. […} Ich muß das Werkzeug genau so in die Hand nehmen und den Hammer genau so führen, wie Türing es tat, um dieselbe Wirkung zu erzielen.“

Die Kopien von Franz Roilo können auch heute noch an der Außenseite des Erkers bestaunt werden. Das oben abgebildete Originalrelief kann im Museum Goldenes Dachl besichtigt werden.

(Foto: Museum Goldenes Dachl)

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare
      1. Liebe Frau Stolz, ich habe meine Unterlagen ein bissl durchforstet. Im ersten Auftrag scheint kein Putto dabei gewesen zu sein. Im Werkverzeichnis meines Onkels steht für 1956 nur: „Annasäule restauriert und Kopie Immaculata und korinthisches Kapitell“.
        Erst 1972 gibt es wieder zwei Einträge: „Ein Engel für Annasäule neu hergestellt“ und „Vier Kartuschen für Annasäule neu hergestellt“. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um einen der beiden auf der Wetterseite. Die Kartuschen sind die kleinen Verzierungen über den Reliefs.

      2. Das heute von mir eingestellte Foto habe ich jetzt etwas bearbeitet und nochmals unter die Lupe genommen.
        https://postimg.cc/YvRZrwBt
        Der kleine Fuß im Vordergrund links gehört zu einer anderen Skulptur. Sie stellt Pan dar, seine Flöte sieht man gerade noch am oberen Rand.

      3. Jetzt habe ich in einem Album meines Onkels ein Foto entdeckt:
        https://postimg.cc/yWxbP9Hy
        Leider sieht man den Sockel darunter nicht, welcher aus dem gleichen Laaser Marmorblock besteht und meinem Gefühl nach eine Höhe von mehr wie der halben Figur hat.
        Diese Skulptur hat eine besondere Geschichte: Mein Onkel hatte sie also bereits 1946 fast fertiggestellt, er müsste diesen Auftrag somit schnell nach seiner Rückkehr vom Krieg erhalten haben. Eigentlich schon sehr verwunderlich, in dieser Zeit hatte man sicher andere Gedanken als so etwas anzuschaffen! Für mich selbst war diese Figur immer ein riesiges Ding, welches in der Mitte des Ateliers stand, bis man sie eines Tages in den Obstanger verfrachtete. Wahrscheinlich musste sie der Annasäulen-Madonna Platz machen.
        Hier siechte dann Pan bis lange nach dem Tode meines Onkels dahin, wahrscheinlich sogar bis zum Verkauf des Hauses. Wer der seinerzeitige Auftraggeber war konnte ich nie erfahren, es hieß nur „ein Fabrikant“. Was steckte da etwa dahinter?
        Wo mag er jetzt sein? Vielleicht entdeckt ihn jemand??

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