Lotte Longfinger bei Marholdt

In dieser idyllischen Szene kommen Sommergefühle auf, im Kastanienschatten sitzen gerade zwei Gäste, die von dem im Sonnenschirmschatten bereit sitzenden Kellner beobachtet werden. Kenner der Innsbrucker Sonnenstände würde die Uhrzeit wohl auf den frühen mittleren Vormittag ansetzen, zu spät für das Frühstück und zu früh für ein Mittagessen, das aber offenbar schon gedeckt wurde.

Mangels aufregender Ereignisse im Gastgarten wenden wir uns einer strafrechtlich relevanten Anekdote zu, die sich im durch die Bäume schimmernden Waffengeschäft Peterlongo zugetragen hat. Dort veruntreute 1942 die in der Andreas-Hofer-Straße 17 wohnhafte Buchhalterin – nennen wir sie leicht anonymisiert Lotte Anprugger – in den Kriegsjahren den stattlichen Betrag von mehr als 15000 Reichsmark, mindestens also das 50-fache ihres Gehalts von 300 RM. Die Waffenschmiede Peterlongo gehörte da schon dem aus Thüringen zugewanderten Waffenschmied Richard Marholdt, der zunächst in der Firma gearbeitet hatte, dann nach dem Ersten Weltkrieg in der Leopoldstraße 10 eine eigene Werkstätte aufgemacht hatte, um schließlich 1939 von Hans Peterlongo Junior die Firma seines ehemaligen Chefs Hans Peterlongo Senior zu erwerben.

Uns liegen der Haftakt und das Urteil der langfingrigen Lotte Anprugger vor, in denen ihre dank völliger Vernachlässigung jeder Kontrolle leicht gemachten Malversationen aufgezählt sind. Teilweise liest sich das unterhaltsam, so hat sie mit dem entwendeten Geld einmal die gesamte Belegschaft der geschädigten Firma auf einen Betriebsausflug samt Gasthausbesuch eingeladen. Zudem hat sie aber auch für sich und Bekannte teure Geschenke erstanden. Bei Nachfragen, wie sie zu dem Reichtum gekommen sei, erflunkerte sie einen Lotteriegewinn. Sie wurde zu drei Jahren Kerker verurteilt, aber nach zwei Jahren im Frauengefängnis Aichach Mitte 1944 entlassen.