Heiße Kugeln, kaltes Eis
„Gestern endlich war es kein Problem mehr, an dessen glücklicher Lösung bisher viele gezweifelt haben,“ schrieben die Innsbrucker Nachrichten über den morgigen Tag vor 150 Jahren. Denn „es war eine vollendete Thatsache: Ueber den Schießstandsonger über den im Sommer die heißen Kugeln sausen, glitten gestern nach Hunderten zählende Schlittschuhläufer. Die brave voll tönende Feuerwehr-Musik lud um 1 Uhr Nachmittag mit ihren Klängen die Straßen der Stadt durchziehend zum ersten Besuche der neuen Eisbahn ein.
Der Einladung folgten im Laufe des gestrigen Nachmittags an 2000 Menschen, von denen jeder seinen Tribut an die städtische Armenkasse in Gestalt eines Zehnerls zahlte. Die Schießstandshalle diente als Vorhalle für den sehr geräumigen Eisplatz, der trotz seiner großen Ausdehnung für die Zahl der Schlittschuhlausenden völlig zu klein war. Alt und Jung, das schwache und starke Geschlecht war vertreten, man sah Veteranen ihre Eisensohlen anschnallen, die schon seit 12 Jahren keine Schlittschuhe mehr an den Füßen hatten, und jetzt mit ihren Söhnchen oder Töchterchen um die Wette schliffen.
Die Militär-Musikbande von Maroicic-Infanterie gab von 2 bis 4 Uhr den Takt für die Schlittschuhläufer. Nirgends kann man die Macht der Musik auffallender beobachten als auf einer Eisbahn, unwillkürlich bewegt sich Alles in ihrem Tempo, besonders, wenn die Bahn so geräumig und das Eis so gut ist, wie da.
Es war eine glückliche Idee unseres Herrn Bürgermeisters, daß er mit Dampf den Schießstandsanger in ein Eisfeld verwandelt hat, als er das Bassin der Schwimmschule für die stets wachsende Zahl der Eisläufer zu enge werden sah, dem das Verdienst gebührt, die schöne Kunst des Nordens bei uns wieder in Aufnahme gebracht zu haben.“ (IN, 2.1.1874, S. 3)
Wie im Artikel anklingt, war die Armen-Direktion für die Organisation der städtischen Eisbahnen zuständig. Sowohl Tickets als auch Abonnements kamen dem Armenfonds zugute. (vgl. a. Neue Tiroler Stimmen, 11.12.1873) Da die erwähnte Schwimmschule dem Andrang schon des längeren nicht standhalten hatte können, hatte sich bereits davor ein Komitee der Eislaufgesellschaft gebildet, das bei der Gasfabrik eine neue Eisbahn betrieb und ab Oktober 1873 für Subskriptionen warb. (IN, 28.10.1873) Die Kälte begann im November zeitig. „Für die Freunde des Eissports sind die Aussichten, sich ihrem Vergnügen heuer ordentlich hingeben zu können, daher bedeutend gestiegen,“ vermeldeten die Innsbrucker Nachrichten am 22. November. Mit Schwimmschule, Gaswerk und Schießstand standen nun drei Bahnen zur Verfügung.
Abgesehen davon, dass auch natürliche Eisflächen am Inn genutzt wurden, etwa „gleich außerhalb des Christoph’schen Ziegelstadels„, ebenso wie in Hall. „Wie hier so ist auch dort das schöne Geschlecht emsig bestrebt, sich die Kunst des Schlittschuhlaufens eigen zu machen, ja man behauptet sogar, daß manche Dame, die sich scheut hier vor den Augen der Bekannten den schlüpfrigen Pfad als Schülerin zu betreten, ihre Lektionen in Hall nimmt, um dann seinerzeit in der Heimath gleich als fertige Künstlerin auf dem Eise erscheinen zu können.“ (IN 16.12.1873)
Gleich unter dem Artikel über die Eröffnung des Eislaufplatzes in Mariahilf wurden ironischerweise die Schattenseiten des Eises thematisiert. „Das Glatteis fordert alljährlich einige Opfer“, heißt es da. Unter anderem rutschte am Silvestertag ein Mann in der Höttinger Gasse aus und brach sich beide Oberschenkel.
In dem Sinne wünsche ich Ihnen allen, dass Sie bei guter Musik freudig und gesund ins Neue Jahr 2024 ein- oder eis-tanzen können, niemals bösartig aufs Glatteis geführt werden, und natürlich von Stürzen verschont und deshalb ganz und gar gesund bleiben.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Bi-k-1875)