„Fürwahr kein Vergnügen“ – Teil 3
Grubers Marschbataillon verließ am Nachmittag des 8. April 1918 Brixen, obwohl seine Abteilung wegen der Scharlachfälle offenbar immer noch unter Quarantäne stand. Zunächst mit der Bahn und dann zu Fuß gelangte er nach Serrada (in der Nähe von Folgaria), wo die Ausbildung mit scharfer Munition fortgesetzt wurde. Die Kriegsfolgen und -schäden waren hier nicht zu übersehen. Zerstörte, verlassene Dörfer, alte, halbverfallene Stellungen, zurückgelassene Ausrüstungsgegenstände und die gegnerischen Stellungen in Sichtweite. In diesen Tagen notierte er:
Um 5h [sic] nachm. des 8./4.18. Abfahrt unter Musikbegleitung nach Caliano, wo wir um ½ 12h ankamen. Einquartierung. Am 9./4. abends Abmarsch nach Bocaldo (12h nachts). Strömender Regen, total durchnäßt, schäbige Einquartierung, Tschach, lag mit Emil … [?]
Am 10./4. Rasttag.
Am 11. sollten wir aufgeteilt werden, doch da wir kontumaziert waren u. keine Feuerausbildung hatten, so wurde [es] nichts mit der Einteilung zum Rgt.
Am 12. zum erstenmale [sic] eigene Flieger gesehen.
Bocaldo liegt im Terragnolo Tal, oben 1h auf der linken Talseite. Westlich davon blickt der Altinino herüber, südwestlich zieht sich die Zugna Torta u. der Cogna Zugna gegen Südosten. Bocaldo selbst liegt am Fuße des Coll [sic] Santo nördlich.
Die Drahtseilbahn fährt von S. Nicolo über Bocaldo, Schützendorf, Mga. Aserle [?] gegen den Roiterücken herauf.
Am 13./4. marschierten wir um 6h vorm. ab, hinunter nach S. Nicolo, dem [sic] Terragnolo Tal hinein nach Piazza (11h). Sehr stark zerschossen, kein Haus bewohnt, die Kirche – ein Montur-Magazin.
Südlich von Piazza geht es auf die Malga Bisorte hinauf in vielen Serpentinen. Von Piazza führt die Serradastraße hinauf (nordwestl.) nach Serrada, wohin wir am nächsten Tag gehen sollten.
Am 14. Sonntag, von dem wir in Piazza nichts merkten. Ein langweiliger Tag, Regen. – Nichts mehr zum Rauchen.
Um 2h nachm. marschierten wir auf der schönen Seradastraße [sic] nach Serada [sic], wo wir um 5h total durchnäßt ankamen. Einquartierung gut. Die E.F. zusammen mit der Sanität zu unserem Dienstführenden Joh. Sauerwein in eine kleine, nette Bude. Hie[r] sollten wir voraussichtlich längere Zeit bleiben.
Am 15. Rasttag, Montur, Gewehrvisite. Holz holen.
In meinem Zug 5 Mann neu eingeteilt u. der Koch Aschpacher.
Am 16./4. zum erstenmale ausrücken. Beschäftigung 4 Stunden, täglich von 8-10h vorm. und von 3-5h nachm. Und zwar Feuerausbildung im Terrain. Serrada selbst besteht nur aus einigen Häusern, darunter ist auch ein Soldatenheim errichtet worden. Direkt am Joch liegend, ist es gegen Süden ins Terragnolo Tal (nach Piazza, S. Nicolo – Rovereddo [sic]) u. gegen Norden mit Folgaria mit Drahtseilbahn[en] verbunden 1/4h östlich oberhalb Serrada’s liegt die Festung Serrada. Von dieser Festung blickt man hinab ins Terragnolotal. Mitten durch die Festung, entlang des Höhenrückens nördl. vom Terragnolo Tal zieht sich unsere Stellung vom Jahre 1916 hin. Zum großen Teile sind die Gräben schon zerfallen, doch trifft man hin u. hin [sic] noch zerfallene Drahtverhaue, Unterstände meist schon eingebrochen, auch Kavernen kann man noch finden.
Serrada selbst ist als Festung von großem Werte. Sie hat verhindert, daß der Walsche, als er im Terragnolo Tal stand u. Piazza schon besetzt hatte, nach Serrada vordringen, u. dann weiter nach Folgaria u. Trient marschieren konnte.
Unsere Baracken liegen etwa ¼ h westlich von Serrada, knapp unterhalb der alten Stellung (nördl.) mitten im Walde. Gegenwärtig liegt überall noch Schnee, alte, zerfaulte Ausrüstungsgegenstände findet man noch in Masse. Von Westen, aus der alten Stellung hört man Maschinengewehrfeuer u. die Detonation scharfer Handgranaten. – Diese alten Stellungen werden wir noch zur Genüge kennenlernen, denn sie sind zu unserer weiteren Ausbildung sehr gut geeignet.
Vom 16. auf 17. (6h nachm. – 6h n.) haben die E. Fr. unserer Comp. Telephondienst. Ich selbst von 6-8h nachm. u. von 4-6h vorm. als erste Nummer. Die Nacht ist sternenhell u. ruhig. Ich erhoffe einen schönen Tag, denn nach dem fortwährenden Regen wäre es höchste Zeit. Auch könnte man endlich einmal die Aussicht von Serrada gegen Süden bewundern, von wo man zum Teile auch schon die feindl. Stellungen sieht.
Am 17./4. 1918. Muß trotz meines Dienstes ausrücken. Wir betrachteten dabei das Werk Serrada, ½h oberhalb, östl. des Dorfes Serrada. Man sieht allerdings nur einen Mugel, noch mit Schnee bedeckt u. darauf einige Baracken u. gegen das Terragnolo Tal ein steiler Felsabsturz unterminiert [?]. Das Werk hat im Jahre 16 etwa 3000 Treffer der schwersten italienischen Geschütze erhalten u. konnte trotzdem nicht zerstört werden.
Hierauf betrachteten wir die Aussicht gegen Süden. Von Osten beginnend sieht man den Mt. Maio, dann geht es herunter zum Borcolo Paß. Westlich davon zieht sich die Straße in vielen Serpentinen hinauf gegen den Pasubio. Dahinter (südl.) erhebt sich das Pasubiomassiv. Man sieht nur einen Felsrücken, der sich zum Pasubio hinauf zieht. Vom Pasubio selbst sieht man nur einen schneeigen, gleichförmigen Mugel. Dahinter erhebt sich die Pasubioplatte, welche man aber nicht sieht. Dann geht es westlich vom Pasubio entlang des Roiterückens weiter, von dem man aber nur den Anfang sieht, dann lagert sich das Col Santo Massiv vor, mit dem Mte Testo. An seinem Nordabhang liegt Bocaldo.
Schon mit freiem Auge kann man Unterstände u. teilweise auch Stellungen erkennen.
Vorm. noch eigene Flieger, die von Trient kamen, beobachtet.
Am 18./4. nichts neues.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Nachlass Dr. Josef Gruber / Fotos: StAI, Archiv der Baufirma Mayr)
Da hier im Tagebuch der Roiterücken erwähnt wird, dazu ein Hinweis meinerseits:
der Roiterücken ist am Pasubio Massiv und zwar jenes Stück zwischen den österr. Stellungen und den Stellungen der ital. Truppen.
Bei einer Sprengung durch die Österreicher wurde die Stellung der Italiener gesprengt, wobei unzählige ital. Soldaten den Tod fanden. Man kann sich nicht vorstellen, unter welchen Bedingungen in diesem Krieg, die Soldaten auf beiden Seiten, gekämpft haben. Aber in diesem Krieg im Hochalpinen Gelände kamen mehr Soldaten durch Lawinenabgängen, als durch Kampfhandlungen ums Leben. Wie ich schon einmal in diesem Forum geschrieben habe, war mein Vater als Jahrgang 1895 und im 2. Regiment der Tiroler Kaiserjäger dienend, auf diesen Fronten im Einsatz.
Ich bin innerhalb von 15 Jahren die meisten dieser Kriegsberge abgegangen und konnte dabei einmalige Eindrücke erleben. Habe dabei auch einige Festungswerke besichtigt, wobei man wegen Einsturzgefahr äußerst vorsichtig sein muss.
Sehr geehrter Herr Pritzi,
vielen Dank für Ihre interessanten Anmerkungen! Eine kleine Korrektur möchte ich aber anbringen – das Stück zwischen der österr. und der ital. Platte war nicht der Roite- sondern der sog. Eselsrücken. Einen guten Überblick über den Pasubioabschnitt vermittelt folgende Karte:
https://digi.landesbibliothek.at/viewer/image/AC03018813/20/
Beste Grüße,
Matthias Egger
Grüß Gott Herr Egger,
Sie haben vollkommen Recht, es handelt sich um den Eselsrücken zwischen den beiden Platten. Der Roiterücken ist vorgelagert
und war für die Italiener nicht einsehbar. Dort existiert in einer Kaverne ein gemauerter Herd, müsste die Küche für die dort
eingesetzten österreichischen Soldaten gewesen se
Schöne Grüße
Hermann Pritzi