Familiengeschichten
Ein Rätsel zum Samstag als vor-Vorankündigung eines neuen Buches zur Innsbrucker Stadtgeschichte.
Unter Historikern gibt es bekanntlich zwei verschiedene charakterliche Grundtypen (nach der Analyse eines Kollegen aus dem Alpenvereinsarchiv): „Jäger“ und „Sammler“. Die beiden sollten in jedem Projekt zusammen arbeiten, so wie die Jäger*innen auf der Pirsch in Archiven und dem Netz alles finden, was man finden kann, sorgen die Sammler*innen dafür, dass dies auch noch nach einem nachvollziehbaren System geordnet abgelegt und somit später wiedergefunden wird. Am Ende braucht es dann noch die Brenner*innen, die das Relevante in Buchform aus den säurefreien Informartionsbottichen herausdestillieren können.
Für die hier genannte Familie Jäger (neben dem auf dem Schild genannten Ewald noch Rudolf, Alfons, Melanie und Rudolf) ergab sich zu einer Zeit die Möglichkeit, einen Beerensammler-Betrieb günstig zu übernehmen. Aber wozu gleich die Auslagen zumauern? Raten Sie mit, wo und in welchem Jahre wir uns hier befinden und was es mit dieser knapp 10 Jahre dauernden Episode der Weltgeschichte auf sich hat.
Stichworte: Andreas-Hofer-Straße 13, Spirituosen- und Branntweinbrennerei Hugo Schindler, Arisierung 1938
https://www.novemberpogrom1938.at/stadtrundfahrt/stadtteil-wilten/andreas-hofer-strasse/
Die zugemauerten Auslagen vermute ich einmal als Maßnahme zur Erhöhung der Stabilität des Darunter liegenden Luftschutzraumes, auf dessen Existenz ein weißer Pfeil beim Eingang hinweist.
Von einer unmittelbaren Nazivergangenheit Herrn Jägers liest man im von Herrn Roilo verlinkten Artikel nichts, aber man wird wohl eine Belohnung einer wohlwollenden Sympathie für die Partei annehmen dürfen. An das spätere Geschäft Spirituosen Jäger am oberen Ende der M. Theresienstraße (Nr. 57) kann ich mich noch gut erinnern, es bestand noch lange Zeit. Daß der auf der Marillenlikörflasche prangende Name Bailoni der Mädchenname seiner Frau war, weiß ich erst seit dem aktuellen Anstoß, im Adressbuch zu stöbern.
Ewald Jäger wurde am 11. Feber 1909 geboren und starb 23. Juli 1974 mit 65 Jahren in Innsbruck.
Die Firma hieß Erste Tiroler Fruchtsaftpresserei‚ Landesproduktenbrennerei, Likör- und Marmeladefabrik Ewald Jäger & Co.
Edward Jäger bekam das ehemals jüdische Geschäft im Rahmen der Enteignungsmaßnahmen der Nazis wahrscheinlich zu äußerst günstigen Konditionen. Hierzu die sehr interessante Familiengeschichte von Meriel Schindler,der Urenkelin des Firmengründers Samuel Schindlers, die in ihrem Buch‘ The Lost Café Schindler ‚ das himmelschreitende Unrecht, das ihrer durch die Nazis angetan wurde, darstellt und aufarbeitet.
( Siehe Seite 260 zur Arisierung der 3 Schindler Geschäfte )
Auf der Fassade sieht man unter dem 2. Stock noch ganz schwach den verblassten Schriftzug „S. Schindler“!
In den Innsbrucker Nachrichten vom 8. August 1938 findet man ein Inserat, in welchem der 29-jährige Ewald Jäger die Geschäfts-Übernahme der Firma Samuel Schindler bekanntgibt:
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19380808&seite=9&zoom=33
Der Fabrikbesitzer Samuel Schindler starb anno 1915 mit 74 Jahren. Er war mit Sofie Dubsky verheiratet und hatte folgende Kinder:
Martha Salzer geb. Schindler, verheiratet mit Siegfried Salzer
Dr. med. Otto Schindler
Erich Schindler
Hugo Schindler
Erwin Schindler.