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Es Wurde Zeit Für Die Mitteleuropäische Zeit

Es wurde Zeit für die mitteleuropäische Zeit

Teil 2 von 3 einer Serie zu Zeit-Geschichten rund um öffentliche Uhren der Stadt

1897 wurde die alte „Annoncen-Säule“ am Nordende der Maria-Theresien-Straße durch eine neue samt Transparentuhr ersetzt. Von drei Zifferblättern konnte die Zeit abgelesen werden – Tag und Nacht, da sie mit Gasglühlicht hinterleuchtet wurden.

Anfang 1902 lobte jemand unter den Initialen A. A. diesen technischen Fortschritt in einem Brief an die Innsbrucker Nachrichten. Schade sei nur, dass mit der Uhr nicht die Zeit bestimmt werden könne! Denn jedes der drei Zifferblätter zeige eine andere Zeit:

„[W]obei die Differenz oft eine Viertelstunde beträgt, ohne sich klar zu werden, ob dieses oder jenes Zifferblatt ‚mitteleuropäische Zeit‘ – Stadtzeit – oder sonst eine nicht qualificierbare Zeit aufzeigt.“

Einen Monat später beriet der Gemeinderat, ob eine zusätzliche Zugverbindung auf den Brenner unterstützt werden sollte. Die Herrn sprachen sich dafür aus. Einer unter ihnen nutzte die Gelegenheit, um die Ungenauigkeit der öffentlichen Uhren anzusprechen und kürte dabei die Transparentuhr in der Maria-Theresien-Straße zur Rekordhalterin der Ungenauigkeit.

In der Runde war man sich einig, dass dies allgemein ärgerlich sei und auch von Nachteil für den Fremdenverkehr: Wer eine andere Zeit als die Bahn hat, fährt eventuell nicht mit. Der Bürgermeister hatte deshalb bereits einen Spezialisten beauftragt, die öffentlichen Uhren zu harmonisieren. Uhrmacher Johann Trauner musste dem Bürgermeister Folgendes berichten:

„Euer Wohlgeb. haben mir denn Auftrag gegeben mich wegen mehrerer hisiger öffendtlicher Uhren an diverse Herren zu wenden ich habe dies gethan bin aber in der Stadtpfarre und bei denn Jesuiten mit dem bemerken abgewisen worden das dies ja der Meßner oder Kirchendiener besorgt und waren einer Erklärung von dem Nutzen der Sache gar nicht zugänglich. Dieses Resultat hat mich entmuthigt und so bin ich nach St. Nikolaus gar nicht mehr gegangen.“

Der Gemeinderat setzte Hoffnungen in weitere Gespräche, da wohl nicht anzunehmen sei, dass

„die Vorstände der verschiedenen Kirchen jeder für sich bezw. seinen Kirchensprengel eine eigene, von der mitteleuropäischen Zeit abweichende Stundenzählung haben will“.

Trauner ließ sich ebenfalls nicht nachhaltig entmutigen und ließ über die Innsbrucker Nachrichten verkünden, er würde „sämmtliche hiesige öffentliche Uhren ohne jedes Entgelt“ aufziehen und „genau nach der mitteleuropäischen Zeit“ regulieren. Trotzdem erhielt sein Konkurrent Johann Höpperger den Zuschlag. Er schätzte, dass er für jeden zweiten Tag rund drei Stunden brauchen würde, um die öffentlichen Uhren im Takt zu halten. Und scheinbar führte dies zum gewünschten Ergebnis, denn Ende 1902 informierten die Innsbrucker Nachrichten kurz und knapp:

„(Öffentliche Uhren.) Wir werden ersucht mitzuteilen, daß am Samstag sämtliche öffentliche Uhren der Stadt auf mitteleuropäische Zeit umgestellt werden.“

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Sommer 4 242)

Diese Zeit-Geschichte war Teil des Stadtspaziergangs „Auf der Suche nach der öffentlichen Zeit“, den Sie zum Nachhören unter 5nach12.info/audio/ finden.

Der Beitrag entstand im Rahmen des Projekts „5 nach 12“ von islandrabe, das der Frage nachgeht, wie wir selbst im Takt der Zeit funktionieren und was uns davon abhält, zu bremsen oder gar anzuhalten.

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