Eine Pionierin
Da heute der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft ist, sei an dieser Stelle an eine wissenschaftliche Pionierin mit Bezug zu Innsbruck erinnert: an Helene Wastl.
Helene Wastl, am 3. Mai 1896 geboren, war Medizinerin und war eine der ersten Frauen, die in Innsbruck den medizinischen Doktortitel erworben hat. Am 11. Februar 1922, also auf den Tag genau heute vor hundert Jahren, wurde Helene Wastl zum Doktor der gesamten Heilkunde promoviert. Zuvor hatte sie alle drei strengen Prüfungen (Rigorosen) mit ausgezeichneten Leistungen bestanden. Bereits während ihres Studiums war sie Demonstratorin am Institut für Physiologie gewesen, zudem hatte sie schon Studienaufenthalte im Ausland (Groningen) vorzuweisen. Seit 1921/22 war sie Hilfsassistentin am Physiologischen Institut der Universität Innsbruck.
Zu diesem Zeitpunkt war Frauen erst seit etwas mehr als zwei Jahrzehnten das Studium an den Medizinischen Fakultäten erlaubt. Im Jahr 1900 hatte das k.k. Unterrichtsministerium die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium gestattet. Vorausgegangen war ein jahrzehntelanger Kampf von einzelnen Frauen und Frauenvereinigungen, um die Zulassung zu höherer Bildung zu erreichen, wobei sich Frauen allerlei Anfeindungen ausgesetzt sahen und ihnen mit zum Teil absurden und kruden Theorien weisgemacht wurde, warum sie sich nicht für ein Studium eignen würden.
Auch als Frauen, zunächst an der Philosophischen und schließlich an der Medizinischen Fakultät die Inskription erlaubt war, waren sie noch häufig den Anfeindungen von Kommilitonen und Professoren ausgesetzt. Da auch der Zugang zu höheren Schulen – als Voraussetzung für ein Universitätsstudium – für Mädchen beschränkt war, stieg die Zahl der Studentinnen anfangs nur langsam. Im letzten Studienjahr vor dem Ersten Weltkrieg waren in Innsbruck nur 6 von 1.261 ordentlichen Studierenden weiblich. Während des Kriegs stieg die Zahl der Studentinnen dann vergleichsweise stark an, so gab es im Studienjahr 1919/20 bereits 183 ordentliche Studentinnen bei insgesamt 1.636 Studierenden. Nunmehr waren Frauen auch an der Juridischen Fakultät zugelassen.
Helene Wastl war eine jener jungen Frauen, die während des Kriegs ihr Studium begonnen hatten. Im Studienjahr 1916/17 inskribierte sie an der Universität Innsbruck, gerade einmal 11 weitere Studentinnen waren damals insgesamt an der Fakultät eingeschrieben.
Wastl entstammte aus einer Beamtenfamilie, ihr Vater Peter hatte bei den k.k. Staatsbahnen Karriere gemacht und war so von Kärnten über Wien nach Innsbruck gekommen. 1913 stirbt der Vater. Helene und ihre gleichnamige Mutter ziehen dann in die Umgebung von Schöneck. Helene besucht zu dieser Zeit al Privatistin das k. k. Staatsgymnasium in Innsbruck und besteht im Juni 1916 die Matura. Mit ihrer Herkunft aus einer Beamtenfamilie ist Wastl zu diesem Zeitpunkt eine typische Vertreterin von weiblichen Studierenden, war das Frauenstudium gerade in der Frühzeit ein bürgerliches Phänomen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg sollte sich das etwas ändern, allerdings fanden diese Veränderungen im Vergleich zu den Studenten nur langsam statt.
Als Helene Wastl schließlich promoviert ist, wechselt sie an das Institut für Physiologie der Universität Wien und ist ab April 1922 Außerordentliche Assistentin bei dem Physiologen Arnold Durig. Sie forscht in den folgenden Jahren auch in Graz und in Cambridge. Wastl engagiert sich in Frauenvereinen und vermittelt ihr Wissen aus der Forschung, indem sie etwa populäre Vorträge zu Fragen der richtigen Ernährung hält. Mit ihrer Forschung will sie dazu beitragen, die Ernährungssicherung in Europa zu verbessern, wo nach dem Krieg viele Menschen Hunger leiden. Ein Vorschlag dazu ist etwa die Verwendung von Soja zur Verbesserung der Ernährungssicherheit.
1928 folgt ein weiterer Meilenstein, sie reicht ihr Gesuch um Verleihung der „venia legendi“ ein, also um die Lehrbefugnis an der Universität lehren zu dürfen. Ansonsten oft ein Formalakt dauert die Bewilligung bei ihr bis zum Jahr 1930. Bald nach ihrer Habilitation wechselte Wastl in die USA und lehrt dort an unterschiedlichen Colleges und Universitäten. Kurzzeitig lehrt sie von 1936–38 in der UdSSR, kehrt aber daraufhin in die USA zurück. 1943 wird sie aus Österreich ausgebürgert. Ein Jahr später werden ihr der in Innsbruck erworbenen Doktortitel und die Lehrbefugnis aberkannt. Bald darauf verliert sich die Spur Wastls, als Todesjahr wird allgemein das Jahr 1948 angenommen. Die Wiederverleihung des Titels seitens der Universität Innsbruck ist in den 1960er Jahren zwar diskutiert worden, ist aber nicht erfolgt. Der Anstoß dazu kam von Cornell University, wo Wastl zuletzt gelehrt hatte, war in Innsbruck aber abgelehnt worden, weil Wastl bereits verstorben war.
In Innsbruck erinnert nur wenig an diese Pionierin in der Wissenschaft. Die Medizinische Universität Innsbruck hat jedoch vor einigen Jahren ein Mentoring-Programm für Nachwuchswissenschaftlerinnen nach Helene Wastl benannt und begründete dies folgendermaßen: „Helene Wastl zählt zu den Pionierinnen der medizinischen Wissenschaften, die sich als eine der ersten Studium, wissenschaftliche Karriere und internationale Mobilität erschlossen hat. Ihr beeindruckender Werdegang und vor allem die erfolgreiche Habilitation bedeuteten einen Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung von Frauen im Wissenschaftssystem. Um der Wertschätzung für ihre Leistungen Ausdruck zu verleihen, wurde sie als Namenspatronin und <symbolische Mentorin> für das Innsbrucker Medizin Mentoring-Programm ausgewählt.“
Ein Bild von Helene Wastl findet sich in der Datenbank des Stadtarchivs leider nicht. Im digitalen Repositorium von Digital History of Philosophy and Science können Sie sich jedoch ein Bild ansehen. hier.
(Titelbild: Innsbrucker Nachrichten, 11. Februar 1922.)
Vielleicht bietet sich in den kommenden Jahrhunderten ja irgendwann die Gelegenheit für die Benennung eines Helene-Wastl-Platzes oder einer Helene-Wastl-Straße.
Die Zeitung „Times Daily“ aus Alabama berichtet am 23.09.1931:
„VIENNESE GETS COLLEGE POST PHILADELPHIA, Dr. Helene Wastl, of the University of Vienna, has been appointed a member of the faculty of the Medical College of Pennsylvania, lt was announced by Mrs. Janics Starr, college president“
Wobei noch in den 50er Jahren ein gewisser Herr Johann Auer, seines Zeichens Direktor des Gymnasiums in der Angerzellgasse, Mädchen die Zulassung zur Schule verweigern wollte. Damals bruahte man aber zum Medizinstudium neben dem auch in der Sillgasse gelehrten Latein auch Altgriechisch, was nur am humanistischen Gymnasium möglich war. Erst die massive Klagsdrohung eines Universitätsprofessors, der seine Töchter ohne spätere Einschränkung des Studienfachs studieren lassen wollte, brachte Herrn Auer (nicht verwandt mit unserem Herrn Auer) zur späten Einsicht.
Danke für den wichtigen und längst fälligen Kommentar zu Herrn Direktor Auer. Sein unerträgliches Gehabe und sein teils sehr ähnliches Team haben mich dazu bewogen, obwohl zeitweise „Vorzugsschüler“, die Schule als knapp 15-jähriger für immer zu verlassen. Was aus mir wurde, wissen Sie vielleicht oder können es auf meiner Website lesen https://www.mumelter.de/ Sehr interessieren würde mich, ob Sie etwas über den noch viel schlimmeren Lehrer am Haus Alois Moritz wissen. Er war zeitweise mein Klassenvorstand, beiden habe ich in einem Roman als Nebenfiguren ein winziges „Denkmal“ gesetzt. Man kann sich gut vorstellen,, was sie und ihresgleichen kurz zuvor als Nazi-Autoritäten oder Täter angestellt haben oder zumindest hätten. Für jede Information wäre ich Ihnen dankbar. Mit freundlichen Grüßen em.o. Univ.-Prof Martin Mumelter
Lieber Herr Prof. Mumelter, wir sind Parallelklasse gegangen, Sie b, ich a. Sie am 12.5. 48 geboren, ich am 8. 5. 48 . Trotz gemeinsamem Jugendschicksal glaube ich aber nicht an Astrologie.
Über die Usancen im „Haus der Milde und Barmherzigkeit“ habe ich mich schon einmal ausgiebig geäußert.
Da eine Antwort auf Ihre Zeilen auch betreffend Moritz hier nicht so gut hin paßt antworte ich Ihnen dort. https://innsbruck-erinnert.at/alt-ehrwuerdig/