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Eine Langlebige Blüte

Eine langlebige Blüte

…hat der Mohn so ganz und gar nicht. Das wissen alle, die schon einmal, fasziniert vom leuchtenden rot, einen Bund gepflückt oder einzelne Blumen einem Strauß hinzugefügt haben. Innerhalb weniger Stunden ist es vorbei mit der Pracht. Da mutet es fast wie Ironie an, dass die obige Karte gerade den kurzlebigen Mohn als Sujet für einen Spruch über die langlebige Liebe wählt.

Aber im übertragenen Sinn ist die Mohnblume durchaus langlebig, nämlich als Symbol, das vor allem auf den Schlafmohn und seinen Wirkstoff Opium zurückgeht. Im antiken Griechenland etwa stand der Mohn deshalb in Zusammenhang mit den Gottheiten der Nacht, der Träume, des Schlafes, aber auch des Todes und der Fruchtbarkeit. In der christlichen Ikonografie machten ein in der Blüte erahnbares Kreuz und die rote Farbe den Mohn zum Symbol der Passion Christi. Dazu passt auch das Wachsen des Mohns in Kornfeldern, was somit das letzte Abendmahl mit Leib (Korn) und Blut (Mohn) versinnbildlicht. Die auffallende Farbe und kurze Lebensdauer inspirierten Malerei und Literatur zu Bildern der unglücklichen Liebe, des Verlusts und der Vergänglichkeit.

Mohnblumen auf den Feldern zwischen Arzl und Rum, fotografiert von Kurt Reuter im Juli 1955

„We shall not sleep, though poppies grow / In Flanders fields”, schließt das vom kanadischen Lieutenant Colonel John McCrae am 3. Mai 1915 verfasste Gedicht „In Flanders Fields“, durch das die Mohnblüte (Poppy) in den Ländern des Britischen Commonwealth zum Symbol für das Sterben an der Westfront während des Ersten Weltkriegs und für das Erinnern an die Veteranen wurde. Wer heute Anfang November auf das öffentliche Leben in den Ländern des Britischen Commonwealth blickt – egal ob Politik, (Pop)Kultur oder Sport – dem wird sie nicht entgehen: die auf der Brust getragene rote Mohnblume (Poppy). Der Anstecker wird jedes Jahr aufs Neue gegen eine Spende für die nationalen Veteranenvereinigungen erworben.

Der erste von der Französin Madame Guérin organisierte US-weite „Poppy Day“ fand übrigens genau vor 100 Jahren, im Mai 1921, statt. Noch im gleichen Jahr übernahmen Veteranenvereinigungen in Kanada, dem Vereinigten Königreich und anderen Commonwealth-Staaten das Symbol, das seither untrennbar mit dem 11. November, dem Waffenstillstand von 1918 und dem Gedenken – „Armistice Day“, „Remembrance Day“ oder eben auch Poppy Day – verbunden ist.

Ein solches quer durch alle Gesellschaftsschichten verbreitetes und ostentativ zur Schau gestelltes Symbol mag hierzulande etwas verwunderlich anmuten – aber auch wir hatten, für einige Jahre, unsere „Blumentage“. Denn die Tradition der Poppies geht ihrerseits wiederum auf ältere Praktiken zurück. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in verschiedenen Ländern Aktionen, bei denen Ansteckblumen, Sammeln finanzieller Mittel und Bewusstseinsbildung für soziale Anliegen miteinander verbunden wurden. Die Volltextsuche in historischen Zeitungen deutet darauf hin, dass der Beginn dieser sogenannten „Blumentage“ im deutschsprachigen Raum wohl mit 1910 festzusetzen sein dürfte. (Fortsetzung folgt)

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Sl. Günter Sommer, Bd. 47, Nr. 138; KR-NE-7987)

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