Ein langer Weg für Arzls Straßen
In den letzten Wochen meines Praktikums im Stadtarchiv durfte ich die Gemeinderatsprotokolle ab 1909 auf (Um-)Benennungen von Straßen durchforsten. Nicht so spannend mag vielleicht die eine oder der andere erstmals denken. Tatsächlich waren es sehr spannende und Interesse weckende Stunden, die ich über die Bücher gebeugt verbrachte. Nicht nur, weil die Protokolle das Leben und die Politik aus der Zeit der Habsburgermonarchie, dem Ersten Weltkrieg, der Zwischenkriegszeit, des Nationalsozialismus und schließlich der Nachkriegszeit umfassen. Sondern es sind auch die Überlegungen hinter den Straßenbezeichnungen, die Gruppen die Umbenennungen anfragen oder das Statement, dass man mit einem Namen vermitteln möchte. Spannend ist aber durchaus auch, wie lange manche Straßen auf ihren offiziellen Namen warten. Es gab eine Vielzahl von spannenden Straßenbenennungen, doch für meinen letzten Beitrag im Zuge dieses Praktikums habe ich etwas Besonderes ausgewählt – die Benennung der Arzler Straßen.
Was daran so besonders ist, fragen Sie sich? Dann lassen Sie sich von mir für wenige Zeilen in die 1950er und 1960er-Jahre der Innsbrucker Politik entführen.
Erstmalig von einem Problem, die Hausnummern in den Randgebieten Innsbruck betreffend, lesen wir im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 01. Dezember 1950. Gemeinderat Eichler von der SPÖ beschreibt die Situation mit den folgenden Worten:
„Wenn einer eine Reise tut, kann er was erzählen, und wenn einer in Arzl oder den übrigen Randgebieten der Stadt eine Hausnummer sucht, kann er ein Lied singen. Es ist notwendig geworden, die Hausnummern strassen-[sic!] oder flurweise zu ordnen.
Protokoll der 15. Gemeinderatssitzung vom 01.12.1950
In Arzl ergibt sich z.B. der groteske Fall, daß[sic!] der Rechenhof die Hausnummer 107, das alte Wasserwerk beim Schillerhof Nr. 112, das Bahnwächterhäuschen in der Au Nr. 113, die Villa ‚Obkircher‘ beim Rechenhof Nr. 114, die Fa. Tachezy an der Haller Strasse[sic!] Nr. 121 und der Gasthof ‚Schönblick‘ Nr. 122 hat. Dabei bestehen in zahlreichen Fällen die alten Hausnamen, so daß[sic!] selbst die Ortsbewohner bei Befragen nicht die gewünschte Auskunft geben können und ein Suchen bei den meist ungenügend beleuchteten und schlechten Strassen[sic!] ergebnislos ist.“
In Folge stellt Eichler den Antrag, dass der damalige Bürgermeister Dr. Anton Melzer einen Plan ausarbeiten lasse, der diese Randgebiete mit entsprechenden Namen und geordneten Hausnummern versehe.
Man mag nun annehmen, dass der Fall hiermit erledigt sei und nur noch die Namen fehlen würde. So lang dürfte dies ja nicht in Anspruch nehmen?
Naja, nicht so ganz.
Die neuen Straßennamen werden tatsächlich erst in der Sitzung vom 03. Dezember 1964 dem Gemeinderat vorgelegt. Es vergehen also fast auf den Tag genau 14 Jahre, bis das erstmals von Gemeinderat Eichler angesprochene Thema endgültig erledigt ist.
Der Fairness halber muss man sagen, dass natürlich nicht nichts in diesen 14 Jahren passiert. 1954 spricht Gemeinderat Dr. Seykora die Dringlichkeit der Benennungen und Neunummerierungen erneut an. So schildert er etwa:
„Die derzeitigen provisorischen Nummern werden entsprechend der Verbauung der Häuser angebracht. Es kann vorkommen, daß[sic!] zwei Objekte mit aufeinanderfolgenden Nummer eine Stunde voneinander entfernt sind. Aus der Unregelmäßigkeit der Nummerierung entstehen Schwierigkeiten für die Parteien und für die Amtsorgane. Abhilfe ist notwendig.
Protokoll der 2. Gemeinderatssitzung vom 21.01.1954
Das Stadtbauamt hat im Auftrage des Herrn Bürgermeisters eine Behelfslösung gefunden und Orientierungstafeln aufgestellt. Ein Fremder findet aber meistens diese Pläne nicht, auch können sie die Schwierigkeiten nur teilweise mildern.“
Nahezu in jeder Gemeinderatssitzung, in der eine Straßenbenennung beantrag wurde, wird von verschiedenen Gemeinderäten immer wieder auf das Problem in Arzl hingewiesen und um baldige Erledigung gebeten. Die schlussendlich vom Kulturausschuss in der 10. Gemeinderatssitzung des Jahres 1964 vorgelegte Beilage mit den 39 Straßennamen wird bis auf fünf Änderungen einheitlich angenommen. Es fallen darunter Namen wie „Arzler Straße“, „Schrottstraße“, „Fuchsrain“ oder auch der „Schusterbergweg“.
In der Luftaufnahme aus den späten 1920er-Jahren im Titelbild sehen Sie darüber hinaus auch noch weitere der 1964 benannten Straßen: die Krippengasse links im Bild, der Eggenwaldweg in Richtung Norden führend, der Canisiusweg, die Johannesgasse und Weinberggasse rechts von der Arzler Pfarrkirche, sowie die Schnellmanngasse links vor der Pfarrkirche, die in den Purnhofweg übergeht.
Vermutlich passt kein Spruch besser zum Fall der Arzler Straßenbenennungen als: „Gut Ding braucht Weile“!
PS.: In der Beitragsreihe Alles Arzl! kann über einige Arzler Häuser mit ihren alten und neuen Hausnummern gelesen und gerätselt werden.
Titelbild: Stadtarchiv/Stadtmuseum, KR-PL-K-875
Autorin: Mara Schaiter
Naja, ein bissele „stadtpatschert“ ist das schon. Je kleiner die Nummer, desto näher die Kirche, desto älter das Haus. Meistens. Außerdem sucht man ja Herrn-Frau-Firma Sowieso nach dem Namen, was befragte Dorfbewohner, am besten einer der Wirte, eher beantworten können. Und: Wenn ich eine Adresse am Purnhofweg nenne, ist dann schon klar, ob das nahe Schönblick oder hinter der Hallerstraße ist? Selbst „zwischen Framsweg und Eggenwaldweg hilft nichts. Ein Plan muß her. Oder Google Maps.
Eine Eichlerstraße vermißt man in Arzl bis heute, um einem leisen Verdacht gleich einmal die Spitze zu brechen. Sie ist in Igls und nennt sich nach einem Lehrer.
Dorfbewohner befragen klappt auch nicht immer. Fragen Sie in Thaur mal nach einen Romed Giner. Aber auch sonst hilft der Hausnamen meist eher weiter, dumm nur wenn man auch diesen nicht kennt.