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Ein Jugendalbum: #Bella Venezia

Ein Jugendalbum: #Bella Venezia

In den Innsbrucker Eisenbahnerfamilien haben sich nicht nur viele Dienstausweise erhalten, mit denen die Angestellten und ihre Angehörigen auch schon in der Monarchie auf „ihren“ Strecken gratis mit der Bahn fahren durften. Eisenbahner waren zu allen Zeiten gut vernetzt, Schilderungen, wie sich die Betriebsdirektion in Verona und jene in Innsbruck bei gegenseitigen Einladungen in Gastlichkeit zu übertrumpfen suchten, lassen einen gelegentlich auch ans Gute in staatlich geführten Infrastruktur-Riesen glauben.

Unter diesen Bedingungen war es wohl auch in der kargen Zwischenkriegszeit für Kinder Waggons bewohnender Innsbrucker ÖBBler möglich, nach Venedig zu reisen. Rudolf Hemerka nahm seine Kamera mit und schoss eine kleine Serie vermeintlich unspektakulärer Bilder, die aber doch zwei Seiten in seinem Jugendalbum bekamen.

Außer der Ortsangabe ist nicht viel zu den Bildern erklärt, daher müssen wir ein wenig spekulieren. Das Titelbild könnte die Anfahrt sein; vielleicht war ein Kollege von Vater Rudolf Hemerka senior ja in Mestre, Chioggia oder Jesolo zu Hause und man fuhr statt mit dem teuren Vaporetto mit der eigenen Nussschale zur Insel.

Bild 1 und 2 der Galerie sind ja recht einfach geozulokalisieren: Vom Markusplatz hinüber nach San Giorgio und der Gegenschuss von dort; riesige Dampfer und ein kleiner Vaporetto sind zu sehen; auf dem mittleren Bild schaut jemand mit Kappe in die Kamera, das könnte sein Reiseführer geesen sein.

Das dritte Bild der Galerie konnte ich auch mit allen Tricks der Bilderkennungssoftware nicht lokalisieren. Ein Kaffeehaus mit Bierausschank, irgendwo; vielleicht hat Rudolf Hemerka hier genächtigt. Auf dem Haus steht Lloyd Austriaco, eine Firma die es zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr gab (Schilder hängen manchmal länger).

Verblüffend ist die schlechte technische Qualität – Rudolf Hemerka hat eigentlich besser fotografiert, belichtet und entwickelt. Auch von den ausgezeichneten Fotografen der Familie Brunner gibt es schlechte Venedig Bilder. Offenbar war das Knipsen auf Reisen vor der Erfindung der handlicheren Film-Kameras noch um einiges schwieriger als im gewohnten Setup zuhause.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Könnte da vielleicht das Italienische Konsulat (Speckbacherstraße – Dopolavoro) eine Rolle gespielt haben?
    Die Waggonbewohner hatten doch die italienische Staatsbürgerschaft „übergestülpt“ bekommen nach dem Ende des 1. Weltkriegs. Und – obwohl unpolitisch – galten sie dem Herrn Mussolini als „Fasci all’estero“. Es gab im Dopolavoro eine italienische Leihbücherei, es gab (jährlich?) einen Ball des Konsulats – und es gab Ferienaktionen für noch schulpflichtige Kinder , nämlich 1928 nach Marina di Carrara, 1929 nach Chioggia-Sottomarina und 1930 nach Genova-Voltri. Und TeilnehmerInnen kamen z.Teil auch aus dem Libanon, aus Griechenland und… und… und eben auch aus Innsbruck. Unter anderen kam auch die Ruele Toni aus diesem Waggon im Hbf-Gelände in den Genuß solcher Ferienaufenthalte – obgleich der Onkel Rizzi, wie bereits erwähnt, ein „Kommunist der ersten Stunde“ war.
    In der Ferienkolonie wurde morgens „angetreten“ und gemeinsam die „Giovinezza“ gesungen. Wobei die Innsbrucker Buben eine „!Umdichtung“ vorgenommen haben auf „Giovinezza – Hosenfetzer…“. Die leitende Lehrerin(?) habe sich mit der Hand hinterm rechten Ohr genähert und gesagt „Mi sembra di avere sentito qualche cosa d’altro….?“ Aber es sei ohne Folgen geblieben.
    Die Innsbrucker Kinder seien (fast) durch die Bank zu 100% deutschsprachig gewesen – am Beginn! aber der Hunger – an der Meeresluft – bewirkte ein Erlernen des Satzes „Prego Signorina – un pezzo di pane“ innerhalb von drei Tagen….
    Und- ebenfalls in Zeiten wie jenen nicht zu verachten! – es gab Kleidung während des Lagers, die nachhause mitgenommen werden durfte: Eine weiße Bluse, ein dunkles Röckchen und eine Wagnermütze
    Aber ob es ähnliche Gratis(!)aktionen auch für Jugendliche gab, weiß ich leider nicht.

    1. E r g ä n z u n g :
      Weil die Frage nach „Freikarten“ für Familienangehörige aufgetaucht ist, fiel mir folgendes ein:
      Mein Onkel Konstantin Nicolodi war ja bei den FS (Ferrovie dello Stato), zunächst am Brenner, dann in Fornovo di Taro – und dann in Pontremoli.
      Und mein Nonno hat ihn dort besucht und sich ca 1 Woche(?) dort aufgehalten. Das dürfte 1935 oder 1936 gewesen sein. Meine Mutter hat erzählt, auch die Eltern eines Bediensteten hätten einmal im Jahr Anspruch auf eine freie Hin- und Rückfahrt auf den FS nach einem beliebigen Ziel in Italien gehabt. Der Nonno hätte sich das nicht leisten können – er war ja schon 68, 69 Jahre alt, arbeitslos, „ausgesteuert“ und ohne jeglichen Pensionsanspruch…
      Also – Ja! Freikarten für Familienangehörige. Und anscheinend großzügig.

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