Ein Fall für die ÖABP
Manchmal ist es schwer zu sagen, wie sich die Reihenfolge einer Stadtempörung hochgeschraubt hat. An dieser besonderen Verkehrs-Posse aus dem Jahr 1993 dürfte allerdings das obenstehende Bild aus dem Bestand Murauer einen wichtigen Anteil gehabt haben. Kurz nach der Fertigstellung der aufwändig restaurierten Fahrbahnen des Herzog-Otto-Ufers stellte sich heraus, dass man den Autofahrern hier nicht wie gewohnt die gesamte Fahrbahnbreite, sondern nur die Hälfte der möglichen Spuren zur Verfügung gestellt hatte. Aus Sicht der Benzinfraktion eine willkürliche Herabwürdigung ihres blechernen Statussymbols und – bis heute – nicht selten Ort des ersten morgendlichen Wutanfalls einpendelnder Marta-Dörfler, Blocksaggener Magistrateler, Reichenauer Handwerker und Mühlauer Barden, wenn wieder einmal nix weitergeht, weil die anderen scheints alle mit dem Auto hereinfahren müssen.
Die beiden anderen Spuren der von der städtischen Medienabteilung erfolglos in „Avenue“ umgetauften Einfallsstraße waren aus unerfindlichen Gründen den Läufern, Fußgängern und Spaziergängern zugeordnet worden und, viel schlimmer noch aus Sicht des hierorts so oft unverstandenen Herrenfahrers, den Radfahrern, die frei nach dem schönen Dialog im Narrenschiff, auch in Innsbruck an so gut wie allem schuld sind.
Die Aufregung führte zu einem ausführlichen Rechtfertigungs-Artikel von Bürgermeister Niescher im Stadtblatt (dem ersten, wie er selbst schreibt, den er selbst dafür verfasst hat). Dabei versuchte er das neuartige Verkehrs-Leitsystem argumentativ zu erklären. Für die technischen Details herrschte aber längst kaum noch Aufmerksamkeit, hatte man doch auch eine 130 Jahre alte kernfaule Rotbuche gefällt, um diese Straße zu errichten, was im lokalen Code so etwas wie der Rote Knopf der Weltzerstörung in James-Bond-Filmen ist. Niemand wird sich in Innsbruck je trauen zu sagen, die schöne und würdevolle Rotbuche vor dem Landestheater ist alt und hin, pflanzen wir doch eine neue. Sofort würde die Wipfelstürmerfraktion dort oben einziehen und glauben man rettet Klima und Welt durch Stehenlassen eines einzelnen Baumes in einer Stadt mit (so sinngemäß Bgm Niescher) hunderten Rotbuchen, halt oben im Wald. Wenn der Autor dieser Zeilen, Sohn eines Forstwirts, in den dazu geführten Diskussionen gelegentlich einwirft, dass Bäume eine Lebensdauer haben und in der Stadt wie oft bewiesen stets auch ein Sicherheitsrisiko darstellen, friert sogar den freundlichste Zeitgenossen die Mimik ein angesichts der in diesem Fall völlig unzureichenden Naturliebe des Sprechers.
Mit dem mehr oder weniger vom Titel-Foto abgekupferten Sujet wurde die Gründung einer lokalen Teilfraktion der single-issue-Partei ÖABP (Österreichische Autofahrer und Bürgerinteressen[s]-Partei) angekündigt. Der Höttinger Künstler Helmut Millonig hat diese Zeichnung/Karikatur signiert. Warum die Menschen nicht wie sonst üblich in den Boliden sitzen sondern auf ortsunüblichen Plattformen hinten am Gefährt stehen müssen, erschließt sich dem Kunstfreund nicht. Das letzte Auto ziert die Nummerntafel I-Tepp 1, ein legitimer Ausdruck des Volkszorns angesichts des üblichen Staus und der völlig unbenutzten Fahrbahnen daneben. Wir haben uns als Stadtarchiv ja schon ernsthaft überlegt, ob wir an dieser Stelle, die wir aus der Badgasse ganz gut im Blick haben und wo wir das Gefühl haben viele Autofahrer*innen haben zwei, drei Minuten Zeit übrig, originelle Werbemaßnahmen setzen sollen, aber die Kombination von car rage und Kulturangebot war uns dann doch zu wenig verlockend. In unseren Beständen findet sich noch ein zweites Plakat der ÖABP, hier mit Sprecherin Anni Eigenstiller (der im ersten Plakat die Stimme versprochen wurde) im geparkten Cabriolet vor der Triumphpforte. Nach allen Regeln der Wahlforschung und Archivkunde lässt sich ein Antreten der ÖABP in Innsbruck allerdings nicht nachweisen.
Interessant finde ich dass die Frau Eigenstiller mit ihrem zum Cabrio umgebauten VW Käfer auf einer Vorrangstraße links zugefahren ist um dort gegen die Fahrtrichtung zu parken (oder zumindest zu halten?).
Vielleicht hätte sie sich in der gleichnamigen Fahrschule mal den §7 der StVo erklären lassen sollen?
Verbote sind auch keine Autofahrer- und Bürgerinteressen und Anni parkt hier vielleicht bewusst provokant.
Heute bräuchte man deutlich mehr Mut um es Anni an dieser Stelle gleich zu tun, aber die Schikanen haben sich mittlerweile auch verlagert.
Besonders lustig finde ich es, wie das rote Auto die vermeintliche Lücke in der Brücke mit viel Schwung zu überfliegen scheint.
Ja, das hat dem Romuald bei den nächsten Wahlen den Bürgermeistersessel gekostet. Der eigentliche spiritus rector der Verkehrsplanung, Stadtrat Krulis, kam ungeschoren davon.
Die längst vergessene Autopartei (danke für die Memorabilien!) hat keiner wirklich ernst genommen, es fehlt, wie bei allen Themenparteien einfach die gebotene Universalorientierung. Außerdem helfen die Zeitungen eher den unterstützenden Parteien als irgendwelchen Krakeelern.
Die angehängten Pauschalforderungen der Autofahrerpartei nach billigem Wohnraum (ach, wärs doch heutzutage noch immer so billig wie damals!) und leistungsbezogenen (hihi haha hoho) Politikergehältern sehe ich als Aufbuttererphrase, so richtig es auch ist.
Nachsatz: Sich gegen Schikanen zu wehren halte ich hingegen für legitimes Recht, sogar für eine Erwartungshaltung jedes Wählers, daß es Politiker gibt, die für die Abschaffung von Schikanen eintreten. Auch Autofahrer braucht man nicht zu schikanieren, selbst wenn sie ein Dorn im Weltbild sind.
Die Cabriofahrerin halte ich übrigens für eine Fotomontage, Der Winkel ist einwenig schief, der Schatten ist einwenig falsch, und – da spiegelt sich eine andere Straße (Rätsel!) im Chrom des Rückspiegels https://postimg.cc/d7hpMPTt oder?
Eine Foto Montage war auch mein erster Gesamt-Eindruck. In den Details wie z. B. in Annis Haaren fand ich jedoch keine konkreten Anhaltspunkte. Wenn Herr Hirsch jedoch einen Fake erkannte, wird bestimmt was dran sein. Der ursprüngliche Hintergrund war entweder unhübsch, oder vielleicht doch zuwenig provokant.
Stehen: ich nehme an, das ist eine Anspielung darauf, daß man im Stau steht.
Nochmals ich, wieso geh ich nicht spazieren? Weils da mehr Soaß macht.
@Trittbrettstehende Mitfahrer: Ich glaub, daß es schon frühe (und in der heutigen Zeit durch SUVs völlig konterkarierte) Appelle gegeben hat, doch – wenn schon – ein kleineres Grattele zu fahren. Karikaturenübliche Übertreibung: Dann müssen die Anderen außen dran picken. Wobei die Fotografie schon der Karikatur entspricht. Links drängt sich alles, rechts gähnende Leere. Angedacht wäre – erstaunlich grün – wohl gewesen links ein paar Grattelen, rechts viele Radler und Fußgänger. Ein stehengelassenes Lokalbahngeleis samt drauf fahrender Garnitur hätte die Sache ohnehin anders geregelt.
@Rotbuche: Volle Zustimmung. Der Baum ist inzwischen jämmerlich beinander. Auch der gefällte und beweinte Baum am Boznerplatz (Adamgasseneck) war, wie der zur Erleuchtung Weinender stehengelassene Stumpf beweist, am Ende seines Lebens angelangt. Außerdem glaube ich, daß man nach dem Baumsturz in der Etzelstraße sehr vorsichtig geworden ist.