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Ein Abend Ohne Corona

Ein Abend ohne Corona

Eine Rätselfrage, die schon 1951 im Innsbrucker Amtsblatt gestellt wurde, harrt 70 Jahre später noch ihrer Auflösung. Wer steckt hinter dem Pseudonym Quidam oenipontanus („Ein gewisser Innsbrucker“)?

Hier für alle die damals noch nicht mitgemacht haben noch einmal die Geschichte dazu:

Innsbrucks Schenkenlieder

Um das Jahr 1890 saß einmal eine Tafelrunde
fröhlicher Unwersitätsstudenten aller vier Fakultäten
beim Sandwirt in der Innstraße und beschloß, die
Innsbrucker Kneipen und Schenken in poetischer
Form zu schildern. Wem dies am besten gelänge, der
sollte von der Corona einen Abend lang freigehalten
werden, d. h. er hatte Anspruch auf zwei Paar Halb-
geselchte, einen grauen Käse und das gewöhnliche
Quantum an Bier und Wein. Den ersten und einzi-
gen Preis von acht Elaboraten erhielt dasjenige, das
unter dem Pseudonym „Quidam Oenipontanus”
eingereicht worden war. Zwanzig Jahre später hat
der Verfasser selbst diese seine, teilweise recht
mäßigen Gedichte in der „Gardasee Post” vom 20. No-
vember 1909 veröffentlicht. Da sie in jener heute fast
vergessenen, in Riva herausgegebenen Zeitung kaum
einmal gesucht werden dürften, sei hier daran erinnert.

Der Verfasser hat 21 Gaststätten poetisch —
manchmal derb und ziemlich witzlos — umrissen,
nämlich: Hotel Europe, Hotel Kreid, Stadt München,
Delevo, Breinößl, Goldene Krone, Goldene Rose,
Fechtl, Weißes Kreuz, Jörgele, Goldener Hirsch,
Kaiserkrone, Bierwastl, Osteria al pero, Goldener
Stern, Zum Sandwirt, Graue Katze, Bürgerl. Bräuhaus,
Neuwirt in Wilten, Goldener Adler und Adambrau.
Zwei kurze Beispiele jener dichterischen Leistung seien hier angeführt:

Bierwastl.
Der Garten wäre herrlich,
Wenn besser wär das Bier,
Dann wüßte ich mir kein Plätzchen,
Wo’s schöner war als hier.

Jetzt treten auf der Bühne
Tiroler Sänger auf
Und singen den Bettelstudenten.
Mir wird hinaus. Ich lauf!

Goldener Adler.
Der sentimentale Heine
Und Goethe, der große Geist,
Die wohnten in diesem Hause,
Wie’s die Tafel beim Eingang beweist.
Doch mir ist’s dort unheimlich,
Das mag wohl darum sein,
In solche illustre Gesellschaft
Paßt unsereins nicht hinein.

Sollte jemand von den Lesern das Pseudonym des
Verfassers auflösen können oder wissen, wo sich die
Osteria al pero befand, so wird höflichst
um Benachrichtigung des Stadtarchives gebeten.

(Dr. K. Schadelbauer im Innsbrucker Amtsblatt Dez 1951)

Die Gardasee Post wird übrigens gerade von den KollegInnen der Tessmann Bibliothek digitalisiert und wir freuen uns schon auf die weiteren Reimwerke…

Das Titelbild zu diesem Beitrag ist von Richard Müller (RM-Pl-1432). Neben der Eingangstür kann man den Schriftzug Bürgerliches Bräuhaus Innsbruck erkennen aber ob das die hier vertriebene Biersorte oder die Lokalbezeichnung ist wissen wir nicht genau. Erkennt man aus dem Hintergrund mehr dazu? Könnte es nicht auch der Bierwastl sein?

Die von Karl Schadelbauer gesuchte osteria al pero (das Gasthaus zur Birne) befand sich in der St. Nikolausgasse, leicht zu verwechseln mit dem Gasthaus zu Biene in der Leopoldstraße.

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare
  1. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Büchlein
    „Bibite! Ein Innsbrucker Trinkbrevier von Cunipertus
    Oenipontanus und Josephus Filucius. Im Selbst ­
    verlag der Verfasser. — Hier wird den Einheimischen und
    Fremden ein trinkfrohes Büchlein geboten, das uns humor- ­
    voll durch die bekanntesten der Innsbrucker Bier- und Wein- ­
    schänken geleitet und uns neben allerlei Launigem auch auf
    die künstlerischen Schönheiten seiner Häuser aufmerksam
    macht und manch Interessantes aus der Geschichte dieses
    oder jenes Hauses erzählt.“

    Das klingt auch nach Schenkenliedern, womöglich dieselben wie von Dr. Schadelbauer erwähnt. Wenn im Trinkbrevier die selben Gedichte stehen, dürfte der Fall gelöst sein. Die betreffende Rezension findet sich im Tiroler Anzeiger vom 19. Oktober 1926, Seite 3.

    Das Trinkbrevier hat 127 Seiten und ist u.a. in der Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, aber natürlich auch im Stadtarchiv vorhanden. Die Pseudonyme werden im Bibliothekskatalog des Ferdinandeums als Robert Engelbrecht und Josef Meissl aufgelöst.

      1. Die Rezension in den Innsbrucker Nachrichten ist herrlich amüsant geschrieben, vielen Dank für den Hinweis. Werde mir das Büchl auch auf die Leseliste setzen.

        Ja, mit den Versen von 1890 wird der Autor Cunipertus Oenipontanus bzw. Robert Engelbrecht demnach eher nichts zu tun haben.

  2. Die Gardaseepost war die einzige deutschsprachige Zeitung in Welschtirol und erschien als Wochenzeitung von 1906 bis 1913.
    In den Jahren 1908 und 1909 war der Schriftsteller Leopold Gheri als Redakteur der Gardaseepost tätig. Gheri war gebürtiger Innsbrucker, geboren 1866.

    Die Herkunft des Redakteurs dürfte erklären, warum ausgerechnet in Riva die Innsbrucker Schenkenlieder veröffentlicht wurden. Altersmäßig würde Gheri sehr gut zur Studentengeneration um 1890 passen. Wenn er nicht sogar selbst der gesuchte Autor ist, wird er den Autor vielleicht gut gekannt haben.

  3. Mit dem angesprochenen Trinkbrevier haben die Poeme tatsächlich nichts zu tun. Aber dazu auszugsweise der Kommentar daraus zum Trinktest im „Godenen Adler“: „Die Qualität des Weines wechselt sehr zum Schaden der sonst trefflichen Kneipe. Ein Philologe würde sich nach altem Scholarenrezeptum leicht tun, seine Nachtrinker auf die augenblickliche Güte aufmerksam zu machen. Er braucht nur irgendwo hin zu schreiben, „omnia vini sunt bonae“, und der Kenner weiß, daß der Wein mit drei Kardinalfehlern behaftet ist, denn richtig soll es heißen „omnia vina bona sunt“. Das wäre ein Verfahren, gleich dem praktischen Rezept der Hausknechte, welche die Koffer der Reisenden geheimnisvoll bezetteln, wenn das Trinkgeld mager ausgefallen ist.“

  4. Apropos „Wir freuen uns schon auf die weiteren Reimwerke…“

    Was ist eigentlich aus den angekündigten Schenkenliedern geworden?
    Werden diese noch veröffentlicht oder habe ich den betreffenden Beitrag übersehen?

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