Digitales Innsbruck, XX
Das „Wo“ des Rätsels vom Freitag wurde natürlich innerhalb kürzester Zeit richtig beantwortet. Auch beim „Wann“ waren Sie auf der richtigen Spur. Beim „Wozu“ möchte ich jedoch noch ein bisschen etwas ergänzen.
Es ist das sogenannte „Wähleramt Innsbruck-Mitte“ (meinereiner denkt bei dem Begriff ja immer reflexartig an demokratische Wahlen, nicht ans Telefonieren), das heuer seinen 60-jährigen Geburtstag feiert. Nach der Eröffnung des Gebäudes durch den zuständigen Bundesminister für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft Karl Waldbrunner, und den Generaldirektor für die Post- und Telegraphenverwaltung Sektionschef Dr. Benno Schaginger am 5. Oktober 1962 wurde eine kleine Broschüre mit Text und (aufgegeklebten) Bildern erstellt.
Zu diesem Zeitpunkt konnte die Telefonie in Innsbruck auf eine 85 Jährige Geschichte zurückblicken: „Der erste Telefonapparat in der Stadt Innsbruck wird in den Analen [sic!] 1877 erwähnt“, so der Rückblick. 1893 folgte „die erste Ortsfernsprechzentrale für 30 Teilnehmerstellen“. Orts-fern-sprech-zentrale, was für ein wunderbares Wort, wenn man es genauer betrachtet. Und 1907 fand „das erste Ferngespräch zwischen Innsbruck und Wien“ statt.
Ein halbes Jahrhundert später war „im Jahre 1955 die Vollautomatisierung des Fernsprechverkehrs in ganz Tirol und Vorarlberg abgeschlossen“, worauf die Automatisierung auf den Weltverkehr ins Auge gefasst wurde. „Außer Zweifel“, so der Bericht, hatte der Ausbau des Fernsprechnetzes „die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Landeshauptstadt Innsbruck stärkstens beeinflussen und fördern“ können.
Das alte Wähleramt war inzwischen veraltet und zu klein geworden. „Nach jahrelanger vergeblicher Suche nach einem geeigneten Grundstück in der Nähe der alten Wähleramtsbaracke wurden schließlich die alten Zeugamtsunterstände“ in der Andreas-Hofer-Straße 26 abgerissen und stattdessen von 1959 bis 1962 ein Neubau errichtet. Die neue, insgesamt 47,5 Millionen Schilling (ca. 22 Millionen Euro) teure Anlage verfügte über 20.000 Anschlussmöglichkeiten und sollte es somit ermöglichen, „den großen Anforderungen während der IX. Olympischen Winterspiele zu entsprechen“.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, FW-G-168-6)
Sehr interessant! Die Neuen Tiroler Stimmen vom 3. Dezember 1877 schreiben über die ersten Anfänge der Telekommunikation in Innsbruck:
„Das Telephon in Innsbruck. Sehr überrascht wurden wir
durch eine Probe der Leistungen dieses jungberühmten Instru-
mentes, welche Herr Friedrich Plaseller, Sparkasse-Offizial dahier,
mit dem von ihm selbst angefertigten Instrumente in unserer
Gegenwart vorzunehmen die Freundlichkeit hatte. Alle Arten
von Tönen, artikulirt oder nicht, Melodien, Akkorde, Worte sogar,
werden, wenn sie nur mit der gehörigen Stärke hervorgebracht
sind, auf weite Distanzen mit überraschender Deutlichkeit über-
tragen. Dabei ist die ganze Vorrichtung so einfach, daß wir
uns nicht enthalten können, selbe den Lesern der „N. Tir.
Stimmen“ zu beschreiben. Das Wesentliche daran ist eine sehr
dünne, etwa 4 Centimeter im Durchmesser haltende, kreisförmige
Eisenmembran, welche 1/2 mm entfernt von dem einen Pole
eines kleinen Stahlmagnetes (1 Dezimeter lang, 1 Centimeter
dick) ausgespannt ist. Dieser Stahlmagnet ist in zahlreichen
Windungen mit seideübersponnenem Kupferdrahte umgeben, welcher
durch lange Leitungsdrähte mit einem zweiten, vollkommen glei-
chen Instrumente verbunden ist. Werden nun Töne erregt, so
geräth die Eisenmembrane in Schwingungen und verän-
dert dadurch in rascher Folge den Magnetismus des Stahl-
stabes. Ebenso rasch werden in dem umgebenden Kupferdrahte
elektrische Ströme erregt, welche sich durch die Leitung auf das
zweite Instrument verpflanzen, dort in ganz gleicher Weise
den Magnet beeinflussen, wodurch auch jene Membrane in die-
selben Schwingungen versetzt wird, welche von dem entgegengehal-
tenen Ohre ganz leise zwar, aber sehr deutlich vernommen werden.
Trotz vielmehr eben wegen dieser Einfachheit der Konstruktion und
Präzision der Leistungen scheint dem Instrumente eine große Zu-
kunft vorbehalten; es ist dasselbe ohne Zweifel wieder einer der
Siege des Menschengeistes über die Kräfte der Natur. Wir
haben angesichts dieser schönen Erfindung nur den einen Wunsch:
möge sie der Menschheit zum Segen und nicht, wie so viele
ihrer Schwestern zum Fluche und zur Schmach gereichen!“
Das metrische System wurde interessanterweise erst ganz kurz zuvor ab 1876 in Österreich verbindlich vorgeschrieben.
Ich schließe mich der Freude Herrn Auers über das Thema an und bedanke mich für den in gewohnter Routine hervorgesuchten Zeitungsartikel. Ich wundere mich selbst trotz Kenntnis des technischen Hintergrunds, mit welch einfachen Mitteln bis zur Digitalisierung Töne übertragen werden konnten. Über das erste Telefon in Innsbruck habe ich zwar irgendwann einmal gelesen, aber niemals „amtlich“. Und endlich hat die Umgebung der alten Glasfabrik mit „Zeugamtsunterstände“ einen mir bis dato unbekannten Namen.
Weil man auf die Kapazität des Wählamtes so stolz war: Ende der 60er war es schon nimmer so einfach „eine Nummer“ zu bekommen. Das Fehlen eines Telefonanschlusses war nicht mehr unbedingt ein Zeichen ärmlicherer Verhältnisse, es war vielmehr öfter einfach keine freie Leitung vorhanden. Vollanschlüsse waren sowieso rar, wenn man endlich ein Telefon bekam, dann mußte man in der Regel mit einem Viertelanschluß vorlieb nehmen. Da war dann unter der Wählscheibe so ein Knöpfchen, mit welchem man sich die Leitung für ein Gespräch freischalten konnte. War der Nachbar schneller, mußte man warten. Wenn es sich dabei um frischverliebte Teenies handelte, konnte es auch dauern. Ich legte oft das damals noch schwere und unentbehrliche Telefonbuch aufs Knöpfle und wartete bei anderer Beschäftigung auf das fast im ganzen Haus hörbare „Schnaggl“-Geräusch /irgendwie so dgg-dd-dggdgg), welches die Freigabe verkündete. Was passiert wäre, wenn ein anderer Viertelteilnehmer dasselbe versucht hätte, weiß ich jetzt nicht.
Apropos Telefonbuch: Zur Zeit, als Telefone noch selten waren, stand die Nummer auch im Adressbuch.