Die wahre Glückseligkeit der Nationen
In diesen Tagen vor 250 Jahren, am 6. Dezember 1774, wurde die Allgemeine Schulordnung von Maria Theresia erlassen. Damit wurde in den österreichischen Gebieten der Habsburgermonarchie die öffentlichen Schulen für „Kinder beiderlei Geschlechts“ eingerichtet und die Unterrichtspflicht ab dem 6. Lebensjahr eingeführt. Schon vier Jahre zuvor hatte Maria Theresia erklärt: „Das Schulwesen aber ist und bleibet allzeit ein Politicum.“ Gemeint war damit, dass Schulbildung eine Aufgabe des Staates („Politicum“) nicht bloß der Kirche sei. Nun im Jahre 1774 ließ sie dieser Ankündigung Taten folgen und legte eine umfangreiche gesetzliche Grundlage für die Gründung eines öffentlichen Schulwesens vor. In der Einleitung zum Gesetz gab sie auch die Motivation für den Erlass des Gesetzes preis:
Da die Erziehung der Jugend beiderlei Geschlechts, als die wichtigste Grundlage der wahren Glückseligkeit der Nationen, ein genaures Einsehn allerdings erfordert, so hat dieser Gegenstand alle Aufmerksamkeit um desto mehr auf sich gezogen, je gewisser von einer guten Erziehung, und Leitung in den ersten Jahren die ganze künftige Lebensart aller Menschen, und die Bildung des Genius, und der Denkensart ganzer Völkerschaft abhängt, die niemals erreicht werden kann, wenn nicht durch wohl getroffene Erziehungs- und Lehranstalten die Finsternis der Unwissenheit aufgekläret und jedem der seinen Stande angemessen Unterricht verschaffet werde.
Die Allgemeine Schulordnung selbst machte dann genaue Vorgaben was die Ausbildung von Lehrpersonen, den Umfang und die Art des Unterrichts sowie die angewandten Lehrmethoden betraf. Auch die Größe und Art der Klassenzimmer war geregelt. Auch wenn die Umsetzung und Realität, besonders am Land, vielfach von den Vorgaben abwichen, waren damit dennoch ein Aufbruch und wichtige Weichenstellungen für die Zukunft der öffentlichen Bildung in der Habsburgermonarchie gelegt worden.
In Innsbruck war eine Folge der Schulordnung die Einrichtung einer sogenannten Normalschule in der Kiebachgasse. Dort wurden entsprechend der Vorgaben nicht nur Kinder unterrichtet, sondern auch zukünftige Lehrer ausgebildet. Im heutigen Titelbild sehen sie ein Zeugnis dieser Schule aus dem Jahr 1794, in dem einem Schlosserlehrling die Teilnahme am Unterricht im Zeichnen bestätigt wird, wenngleich auch festgehalten war, dass er „sehr nachlessig gewösen“ sei. Für Lehrlinge war eigens eine Sonntagsschule eingerichtet, damit sie ebenfalls elementaren Unterricht erhalten konnten. Deutlich wird an dem Formular auch, was in der Einleitung zum Gesetz erklärt wird: jede*r soll die Bildung erhalten, die für seinen/ihren Stand/Beruf ausreichend war – sozialer Aufstieg durch Bildung war damit nicht unbedingt vorgesehen.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum VO-687)