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Die Vergessene Schanze

Die vergessene Schanze

Der Bergiselschanze entgeht man beinahe an keinem Punkt der Stadt. Majestätisch thront sie als Wahrzeichen über dem Bergisel, in der Nacht prominent beleuchtet, ist sie weithin zu sehen. Dementsprechend war die Schanze schon mehrfach in Bildern präsent, etwa hier oder erst gestern hier. Dabei vergisst man vielfach, dass die Bergiselschanze nicht die erste und nicht einzige Sprungschanze in der Stadt war: gesprungen wurde auch in Igls oder auf der Seegrube. Die erste Skisprungschanze der Stadt befand sich indessen beim Husslhof in Wilten. Nicht nur diese Schanze ist heute weitgehend vergessen, sondern auch der Standort des Husslhofs selbst. Eifrige Leser*innen des Blogs wissen natürlich Bescheid, alle anderen können sich z. B. hier informieren.

Der „Sprunghügel“ östlich des Husslhofs wurde im Herbst 1907 mit einem Anlauf von 54 Meter Länge erbaut. Anlässlich der ersten „Internationalen Skirennen“ in Innsbruck am 19. Jänner 1908 fanden dort die ersten Wettkämpfe statt. Bei dieser Gelegenheit gewann Generalstabshauptmann Oswald Eccher von Echo Elder von Marienberg, Lehrer an der Infanteriekadettenschule in Innsbruck, mit einer Weite von 21,8 Metern vor dem Wiener Gustav Jahn und Fritz Miller. Wenngleich Miller nicht den weitesten Sprung erzielt hatte, so erhielt er doch die Wertung für den besten Sprung und damit auch eine Bronzefigur eines Springers in Telemarkhaltung, wie die Innsbrucker Nachrichten vermeldeten.

Die Haltungswertungen spielten auch zum damaligen Zeitpunkt eine große Rolle. Gefragt waren damals aber „militärische Exaktheit und turnerische Strammheit, eine steife ‚reglementmäßige‘ Körperhaltung“ mit Hohlkreuz und gerader Körperhaltung“. Gekonnt ausgeführt sehen wir diese Haltung beim Sprung des Innsbrucker Skisprungpioniers Hans Greussing auf der Husslhofschanze im folgenden Bild. Greussing war bekannt als „ausgezeichneter Haltungsspringer, der auch nach dem Kriege noch meist die Sonderpreise für den schönsten Sprung des Tages mit nach Hause nahm“.

Hans Greussing bei einem Sprung auf der Husslhofschanze im Jahr 1913. Im Hintergrund erkennt man die Wiltener Basilika und die damals noch weitgehend unverbaute Fläche zwischen der Schanze und der Basilika bzw. Kloster Wilten. Stadtarchiv/Stadtmuseum Ph-10437).

In den darauffolgenden Jahren fanden regelmäßig Wettkämpfe auf der Schanze statt, bei denen Größen wie Thorleif Aas vom Norsk Skiklub München oder der bekannte Skipionier Hannes Schneider aus St. Anton antraten. Aber auch lokale Sportler, die ansonsten für andere sportliche Leistungen bekannt waren, wie der Radrennfahrer Adolf Dosenberger trugen sich in die Siegerlisten der Schanze ein. Auch legendäre Doppelsprünge, also von zwei Springern gleichzeitig (oftmals sogar händehaltend), wurden absolviert. Einen Höhepunkt bildete sicherlich der Wettkampf anlässlich der Wintersportwoche im Jänner 1914 als Paul Rotter von der Deutschen Eishockeygesellschaft in Prag mit 31,5 Metern einen Schanzenrekord aufstellte. Rotter war damals als Einjährig-Freiwilliger in Hall stationiert und wurde 1917 als Kampfflieger abgeschossen.

Neues Wiener Tagblatt, 30. Jänner 1914. In anderen Meldungen ist der Sprung von Rotter hingegen nur mit 30 Meter angegeben, vgl. hier. Der Sieger muss richtig Willy Zeuner heißen.

In den folgenden Kriegsjahren gibt es dann keine Meldungen mehr von Wettkämpfen auf der Schanze, die Menschen hatten damals andere Sorgen. Auch nach dem Krieg scheint der Betrieb auf der Schanze nicht mehr groß gewesen zu sein: einerseits wurden die bestehenden Schanzen auf der Lemmenhofwiese genutzt, zudem gab es ab 1921 eine neue Schanze des Innsbrucker Skiklubs zwischen Ampass und Aldrans sowie auf der Heiligwasserwiese in Igls. Als andererseits mit der Erweiterung des Westbahnhofs Anfang der 1920er Jahre auch noch der Auslauf der Schanze verbaut wurde, war das Springen endgültig unmöglich geworden. In der Folge sahen sich Vertreter des Skiklubs Innsbruck und Freunde des Skispringens in Innsbruck nach einem neuen Ort für eine Sprungschanze um. Fündig wurden sie auf dem Bergisel, wo ab Sommer 1925 eine neue und die bisher größte Schanze in Innsbruck gebaut wurde. Im Jänner 1927 fand dort der erste Wettkampf statt. Seither ist die Schanze am Bergisel Teil der Innsbrucker Geschichte.

Die Geschichte der Husslhofschanze war somit nur kurz, dennoch war die Schanze ein wichtiger Meilenstein in der Innsbrucker Sportgeschichte, an den hier erinnert sei.

(Das Titelbild zeigt eine undatierte Fotografie, die angeblich einen Springer auf der Husslhofschanze zeigt. Aus: Tiroler Sprungläufe vor dem Krieg, in: Neueste Sport-Zeitung, 11. März 1935, S. 3. Auch alle wörtlichen Zitate sind von dort übernommen!)

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare
  1. Weiß man den ungefähren Ort der Schanze? Ich bin als Ureinwohner der Gegend ziemlich vertraut mit der Landschaft, aber ich könnte mich an keine Reste der Schanze oder auch nur an Bemerkungen der Elterngeneration erinnern.

    Die Bergkulisse im Titelfoto entspricht dem Blick auf Hechenberg und Martinswand aus der Husslhofgegend und somit dem Standort Husslhof.

    1. Lieber Herr Hirsch,

      leider konnte ich über den Standort nichts näheres herausbringen, ‚östlich vom Husslhof‘ war das genaueste, was ich gefunden habe. Aber Sie haben recht, sowohl der Hintergrund im Titelbild als auch beim Sprung von Greussing lassen eine ungefähre Verortung in der Gegend des Husslhofs zu.
      Ich gehe auch davon aus, dass es sich bei der Schanze höchstens um eine Holzkonstruktion gehandelt hat, die rasch wieder verschwunden ist und ansonsten keinerlei Eingriffe in das Landschaftsbild erfolgt sind.
      Die Erinnerungen an die Schanze waren, wie die Zeitungsberichte aus den 1930er Jahren zeigen, damals schon nur mehr vage.
      Ich würde mich aber über jeglichen Hinweis freuen, um das Bild zu diesem Erinnerungsort der Innsbrucker Sportgeschichte noch verdichten zu können.
      CA

      1. Auf einer Schanzen-Hobbyhistoriker Webseite http://www.skisprungschanzen.com/DE/Schanzen/AUT-Österreich/T-Tirol/Innsbruck/2784-Husslhof/ ist von der am Ende des Andreas-Hofer-Weges Richtung Bergisel gelegenen Schanze die Rede. Die dort angegebenen Koordinaten sind aber die des Gasthauses.
        Dazu habe ich in Erinnerung, daß es einmal einen pfeisgraden steilen Abschneider von der zweiten Rechtskurve der Fahrstraße zum Hußlhof nach der Bahnunterführung gab. Wenn ich das auch nicht für ein Relikt halte, so kann ich mir vorstellen, daß die Schanze nahe dieses Pfades gelegen ist, wahrscheinlich Richtung Osten, wo sie mit den Bahnanlagen ins Gehege kommen mußte. Oberhalb der Schanze ging übrigens ein Weg direkt ostwärts zur Peter Longo Kurve bzw zum „Paint Ball Steinbruch“.
        Ich habe noch anhand des Zahlenmaterials für Anlauf und Schanzenrekord eine kleine Skizze verbrochen, wie ich es mir vorstellen könnte. Den Auslauf habe ich einmal mit der nochmaligen Länge des kritischen Punkts angesetzt. https://postimg.cc/75wHKNzj

  2. Im Innsbrucker Tagblatt vom 20. Jänner 1908 findet sich zur Situierung der Husslhofschanze ein aufschlussreicher Bericht:

    „Ordentlich gestärkt und in der frohesten Laune schlossen sich um 2 Uhr die ganzen Gäste der Wiltener Musiriapelle an, die sie unter klingendem Spiel, gefolgt von vielen Neugierigen, zum Festplatz bei der Husslhofschanze geleitete. Dort hatte sich schon ein tausendköpfiges Publikum längs der Absperrung von der Schanze bis hinab zum Weg neben dem Eisenbahndamm aufgestellt. Es mochte wohl manchem geschaudert haben, wenn er zu der gewaltigen Höhe der Schanze über den steilen Abhang hinauf seine Blicke gleiten ließ. Natürlich waren auch zahlreiche Fotografen, ja sogar ein Kinematograph auf dem Platze, so dass zu hoffen ist, auch in dieser Form Erinnerungen an dieses erste größere Skirennen in Innsbruck erhalten zu können.“

    Offenbar sind die Fotos und die Filmaufnahmen von 1908 verschollen.

  3. Leider war ca. 1940 mein Vater auch dabei, als die Bergisel Sprungschanze einstürzte. Dabei gab es Tote und Schwerverletzte, Österreicher (FC SVI) und Deutsche (FC Villingen).

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