Die philosophischen Esel (Abessinien Teil 15)
Der nächste Monat bestand aus Berechnungen, Goldwaschproben, Messungen mit Kompass und Maßband und der Entwicklung von Negativen rund um das Hauptlager in Schinghillu (geogr. Breite 10°10’30’’ nördlich des Äquators; geogr. Länge 34°30’39’’ östlich von Greenwich). Das Wetter war auch nicht mehr allzu schön und wurde von wolkenbruchartigem Regen, Gewittern, Stürmen und starkem Nebel beherrscht.
Doch wie zum Abschied entschloss sich das Wetter in den letzten Tagen vor der Abreise zu wunderschönen Sonnenuntergängen, welche die schweren, regenzeitlichen Wolken in verschiedenste kraftvolle Farben tauchten.
Und so kam der Abschied. Am 1. Juli 1930 verabschiedete sich Herr Hammerle bei Schiech Al Mahdi Word Hodschili al Hassan in Magale, um sich gegen Mittag auf den Weg in Richtung Heimat zu machen. Das Zeltlager in Schingillu wurde bereits am 28. Juni aufgelöst, um sich in Magale nochmals gebührend verabschieden zu können. Von Magale ging es zu Fuß steil bergab zum nächsten Lager und von dort am nächsten Tag nach Kurmuk im englischen Sudan.
„…die erste saubere und planmäßig angelegte Eingeborenensiedlung nach langen Monaten. Hier sind es vierkantige Lehmhütten, in gassenbildenenden Reihen übersichtlich angeordnet. Weiters trifft man auf Kaufläden von Griechen und Indern…“ (Auszug aus dem Brief aus Kurmuk vom 05.07.1930)
Sie blieben einige Tage in Kurmuk und unternahmen Ausflüge in die umliegenden Berge. Am 10. Juli brachen sie jedoch nach Roseires auf, da sie dort am 19. Juli den Nildampfer besteigen wollten. Für diese „kurze“ Strecke von 200 km hatten sie einen Karawanenführer mit 45 Eseln gebucht. Ihre bisherige Karawane mit den Maultieren und ihren abessinischen Helfern wurde von Kurmuk nach Addis Abeba zurückgeschickt.
Erwin Hammerle fasste die Reise nach der Ankunft in Roseires zusammen:
„Von Kurmuk hierher waren es richtige Eilmärsche, man rechnet für gewöhnlich für die rund 200km lange Strecke mittels Eselkarawane eine Woche, während wir sie in 4 Tagen zurücklegten. Eine bemerkenswerte Leitung mit diesen unscheinbaren kleinen Eselchen, wie wir sie auch als Reittiere hatten mit reichlich primitiven Sätteln ohne Steigbügel.
Diese drolligen Biester tragen dieselben Lasten wie die unbedingt viel störrischeren Maultier und traben in ausdauerndem, flotten Zuckeltrab mit philosophisch-gleichmütigen ‚Gesichtsausdruck’ dahin.“ (Auszug aus dem Brief aus Kurmuk vom 05.07.1930)
In Roseires konnte im dortigen Rasthaus übernachtet werden. Dort war es trotz der nun deutlich wärmeren Temperaturen, da sie sich nur noch auf 700 m Höhe befanden, angenehm. Das Rasthaus war ein Ziegelbau mit Wellblechdach und mit seinen zwei Meter hohen Räumen, dem Zementplattenboden und dem weit überstehenden Dach angenehm kühl und vor der Sonne geschützt. Aber nicht nur die Unterkunft war sehr angenehm, auch die verschiedenen Läden der Stadt brachten Komfort, wie z.B. Chianti und Wermut, aber auch echtes Münchner Löwenbräu Exportbier.
Am 19. Juli bestiegen sie den Nildampfer, der die Expedition auf den gelbbraunen Fluten des Blauen Nils nach Er Suki brachte.
Amelie Sturm (Stadtmuseum/Stadtarchiv, SammelA-501, Ph-Pl-3097)