Die kurze Geschichte der Freien Italienischen Universität
Vor kurzem ist in der Reihe Zeit-Raum-Innsbruck ein Band zur Geschichte und Rezeption der sogenannten „Fatti di Innsbruck“ erschienen. Darin durfte ich einen Beitrag zur Geschichte der italienischen Studentenvereine in Innsbruck verfassen. Im Zuge dieser Arbeit bin ich auf eine heute weitgehend vergessene Episode im Vorfeld der fatti di Innsbruck gestoßen. Es handelt sich dabei um die kurze Geschichte der Freien Italienischen Universität in Innsbruck.
Die italienischen Studierenden der Habsburgermonarchie forderten gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer vehementer die Errichtung einer italienischen Universität innerhalb der Grenzen der Monarchie. Seit dem Verlust des Königreich Lombardo-Venetien (1859 und 1866) gab es für diese nämlich keine Möglichkeit mehr, im Inland in ihrer Muttersprache zu studieren. Lediglich an der Universität Innsbruck gab es für die Trentiner Studenten, die Möglichkeit einzelne Lehrveranstaltungen in Italienisch zu besuchen. Nachdem die Tschechen in den 1880er Jahren die Teilung der Prager Universität in einen deutschen und einen tschechischen Teil erreicht hatten, genügten den Trentinern dieses Angebot nicht mehr und sie verstärkten daher mit anderen italienischsprachigen Studenten der Monarchie die Forderung nach einer eigenen italienischen Universität. Die Wiener Regierung lehnten dies jedoch stets ab, befürchtete man doch, eine solche Universität könne eine Brutstätte des italienischen Nationalismus werden.
Besonders die italienischen Studentenvereine in Innsbruck und Trient intensivierten ab der Jahrhundertwende ihren Kampf für eine italienische Universität, veranstalteten Informationsveranstaltungen und Demonstrationen, verfassten Pamphlete und Stellungnahmen und übten auch über die Presse Druck auf die Regierung aus. Außerdem gründeten sie im Jahr 1903 eine sogenannten Freie Italienische Universität in Innsbruck. Dabei handelte es sich nicht um eine tatsächliche Universität, sondern der Titel umschrieb eine Serie von Vorträgen italienischer Wissenschaftler in Innsbruck. Mit den Vorträgen wollten die Studentenvereine den Bedarf nach einer italienischen Universität im Reichsgebiet unterstreichen und den Druck auf die Regierung in Wien erhöhen.
Die Planungen für die Vortragsreihe liefen seit dem Frühsommer 1903, die ersten Vorträge sollten dann im November 1903 beginnen. Zunächst war es für die italienischen Studierenden aber schwer, geeignete Räume in Innsbruck zu finden, da Gastwirte sich oftmals weigerten an italienische Vereine zu vermieten. Eine Rolle spielte dabei, dass es in der jüngeren Vergangenheit häufig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen deutsch- und italienischsprachigen Studenten gekommen war und die meisten Gastwirte wollten ihre Etablissements daher lieber erst gar nicht vermieten.
Schließlich wurden die Studentenvereine aber in Wilten fündig. Im Gasthof Österreichischer Hof konnte ein passender Saal gemietet werden, wo der erste Vortrag stattfinden sollte. Als erster Referent sollte der Orientalist Angelo De Gubernantis aus Rom am 23. November 1903 in Innsbruck über Petrarca sprechen. Die Behörden verboten den Vortrag jedoch knapp vor Beginn der Veranstaltung, sodass es bei einem gemeinsamen Essen mit dem De Gubernantis blieb. Vor, während und nach der Veranstaltung war es zu Protesten von deutschnationalen Studenten gekommen, auch ihre italienischen Kommilitonen zogen demonstrativ durch Wilten. Im Zug dessen kam es zu kleineren gewaltsamen Zusammenstößen. Die Stadtwache und Gendarmerie konnte aber Schlimmeres verhindern. In der Nacht ereigneten sich schließlich noch weitere Raufereien zwischen den Studentengruppen. Ein Bericht der Ereignisse aus deutscher Perspektive findet sich hier.
Professor De Gubernantis reiste am folgenden Tag unter dem Schutz der Polizei wieder ab. Diesen Moment hält wohl auch die Abbildung im Titel fest, die in der italienischen Zeitung Illustrazione Italiana erschienen ist. Die italienische Presse nahm die Proteste der deutschen Studenten und die Gewalt gegen italienische Studenten zum Anlass, um heftig gegen die Habsburgermonarchie zu schießen und Behandlung der Italiener in der Monarchie zu kritisieren. Die Freie Italienische Universität war im Übrigen schon nach dem ersten Vortrag wieder Geschichte. Die Auseinandersetzungen zwischen deutschen und italienischen Studenten sollten sich allerdings im folgenden November wiederholen, dann jedoch mit weit schwerwiegenderen Folgen.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum FW-M-898; KR-PL-691)