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Der Bilderblog aus dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
Die Ehemalige Anderle-Kapelle

Die ehemalige Anderle-Kapelle

Im Titelbild meines letzten Beitrags war im Hintergrund die nunmehr nicht mehr existente Anderle-Kapelle am heutigen Paschbergweg zu sehen (danke für die Hinweise dazu!). In unserem Archiv gibt es tatsächlich einige Bilder der Kapelle, die im Zuge des Autobahnbaus in den 1960er Jahren weichen musste. Angesichts der Tatsache, dass die Geschichte des Anderl von Rinn nachweislich erfunden worden ist, der Kult um diesen aber trotz kirchlichen Verbots bis heute nachwirkt, war dies in der Rückschau wohl gar keine schlechte Lösung, auch wenn grundsätzlich eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema bzw. Geschichte im Allgemeinen zu begrüßen wäre.

Die Kapelle ist laut Hye um 1700 als barocker Zentralbau errichtet worden, gemäß einer Angabe bei Hochenegg zierte ein Deckenbild von Kaspar Waldmann die Kapelle . Schon vor dem Abriss der Kapelle gab es in den 1950er Jahren, als der Kult noch aufrecht war, Überlegungen die damals baufällige Kapelle abzutragen und durch einen Bildstock zu ersetzen. Dazu kam es dann jedoch nicht mehr.

Im Inneren der Kapelle befanden sich mehrere Bilder. Zentral war das schon in den Kommentaren des letzten Beitrags geschilderte Altarbild. Dieses zeigt die in der Legende überlieferte Szene, in der die Mutter von Anderl über ein himmlisches Zeichen vom Tod ihres Sohnes erfahren haben soll.

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Ph-13103; Ph-13104; Ph-6413)

Dieser Beitrag hat 12 Kommentare
  1. Jedenfalls in mehr als einer Hinsicht interessantes Bild -einmal abgesehen von der „Legende“.
    Die Orte Amras und Rinn (letzteres von diesem Standpunkt aus auch damals nicht sichtbar), der Blick weit ins Unterland hinunter, das (schmal, aber doch) angedeutete Kellerjoch…
    Und das Aufkommen der „Volkstracht“ (beim Kornschnitt wohl kaum getragen, oder? – nun, wir wissen es nicht, wäre aber eher arbeitshinderlich gewesen) läßt mich vermuten, daß dieses Bild „so um 1800“ entstanden ist (plus – minus 20 Jahre) – also nicht weit von der Zeit Andreas Hofers entfernt.

  2. Danke für die Bilder. Der recht stattliche Zentralbau spiegelt die Bedeutung der Anderlverehrung deutlich wieder. Man vergleiche die bescheidenen anderen Kapellen in der Umgebung.
    Das Bild über dem Eingang stellt was dar? Ich seh einen Engel, vielleicht der Schutzengel, der den Anderl in den Himmel führt. Oder so. Man, d.h. ich, kanns nicht gut erkennen,
    Das Altarbild taucht auf der schlimmen Legendentafel in fast identischer Darstellung als Nummer 10 von 30 Kadern auf. Diese Tafel war noch lange Zeit in der Kirche zu sehen, später noch als Postkarte aufliegend. Um die Darstellung des Anderl gruppierten sich kleine Bildchen, die Schlüsselszenen der ganzen Geschichte darstellend. Auf Nr. 30 tritt dann noch Kaiser Maximilian als Kirchengründer auf. Zuvor wurde eine beim Stein stehende wundersam immergrüne Birke einem Geißhirten zum Verhängnis als er sie umhacken wollte. Siehe Wikipedis ahttps://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/91/Judenstein_Legend.jpg/250px-Judenstein_Legend.jpg

    Ich habe eigentlich immer geglaubt, dass ein tatsächlich geschehener Kindsmord, Familiendrama z.B., durch Hinzudichten dieser Greuelgeschichte in den Legendenstatus erhoben wurde. Wie kann man im ländlichen Raum mit seiner ganzen Unmöglichkeit, etwas geheim zu halten, plötzlich sowas behaupten? Eine alte Gschicht ausgraben (Jaja, da war irgendwas, genau, am End die Juden… und die Eigendynamik rollt) und auf diese Judengeschichte umgefärbt, das ginge noch eher.

    Bedenklich finde ich diese Glaubenslust, die sich da die Gläubigen an dieser unbeschreiblichen Gewalttätigkeit mit detaillierter bildlicher Beschreibung einer Bluttat regelrecht zu delektieren scheint (natürlich in der bekannten Umkehrform, der Entrüstung).

    Inwieweit ich jetzt von der Tafel mit der „dunklen Mordgeschichte“ irritiert sein sollte, und das auch noch höchst, kann ich nicht nachvollziehen. Irgendwo gibts da eine Reizschwelle.

    Es gibt noch eine zweite Tafel in der Kirche, die den Anderl als Symbol der Gewalt gegen Kinder im allgemeinen darstellt. Mir gefällt dieser zweite Text, zumindest der zweite Absatz. Der erste, irritiert der auch? Dort ist nur von einem unbewiesenen Zusammenhang mit den Juden die Rede. Umkehrschluß: Sein hätte es schon können, der Beweis fehlt halt.

    Ich begnüge mich mit der Betrachtung einer verschwundenen Kapelle.

    1. Die Darstellung über dem Eingang ist wirklich schwer zu deuten, auf beiden Bildern nur schemenhaft zu erkennen. Für mich noch ein wenig besser auf dem Titelbild. Da sehe ich links einen Engel mit erhobenen Armen und rechts einen bärtigen Mann auf einer Art Thron. Dazwischen eine Person, von der ich zunächst dachte, es handle sich um das Anderl. Allerdings wird das Kind meist in einem Kleid dargestellt, hier irritiert mich auch die „Krawatte“. Womöglich falsch interpretiert, vielleicht sind es auch zum Gebet gefaltete Hände?
      Oder es wird, wie im Titelbild des verlinkten Beitrages, der Verkauf von Anderl durch seinen Paten dargestellt:
      https://www.uibk.ac.at/media/filer_public/05/6c/056cedb1-12b1-43c6-8cf2-f9b75a2e0caa/anderlvonrinn.pdf

      Aber vielleicht gibt es ja unter den von Herrn Aichner erwähnten, im Stadtarchiv vorhandenen „einige(n) Bildern der Kapelle“ auch eines, auf dem das Titelbild besser zu sehen ist und somit die Darstellung ganz ohne Spekulation gedeutet werden kann. Falls ja, danke schon mal im voraus für eine Nachlieferung.

        1. Danke für die rasche Ergänzung, Herr Aichner!
          Erstaunlich, ich erlebte soeben die wundersame Wandlung von einem bärtigen Mann auf einem Thron sitzend zu einer jungen Frau auf einer Gebetbank knieend; und der vorher vermutete Cherub mutierte zu einer Taube.

    1. Meine Hypothese:
      Die Burg ganz am Ende des Inntals – vielleicht die Festung Kufstein? Das Bild ist doch, denke ich zumindest, dem Stil nach im 1. Viertel des 19. Jahrhunderts entstanden. Und die Bayern…gell… die haben doch… gell… und die Franzosen, wer waren denen ihre Geldgeber .. . und das Anderl … und den Andreas Hofer haben die doch… ??? Wer weiß schon, was für krause Gedankengänge es damals gegeben hat?
      Und das Kind, das „Anderl“? Natürlich immer betont blond und mit Lockenkopf. Und mit blühweißem Schürzchen, so suber und unschuldig. Ja, das lange Gewand, blutrot? Na ja, war auch bei den Bubelen einfach d i e Kinderkleidung – bis die Geschichte mit dem „Trocken-werden“ endlich funktionierte. Pampers gabs ja noch (seit dem angeblich stattgehabten Mord im finstern Mittelalter) noch jahrhundertelang nicht.
      Aber, wie gesagt, auch nur Mutmaßungen.
      Nur das eine noch – zum Kornschnitt, in der Hitze des Sommertages, weil bei schlechtem Wetter schneidet man kein Korn – trägt oder trug man da wirklich die Tracht? Aus Wollstoff, verstärkt und gefüttert, mit blütenweißer Leinenbluse darunter??? Abgesehen davon, daß zur Zeit, in welcher dieses Bild vermutlich gemalt wurde, erst das Interesse an den Tyrolischen Gewändern langsam im Aufkommen begriffen war…?
      Für mich ist das Bild in dieser Hinsicht ein geschöntes „Zeitdokument“, was die „Tyrolische Selbstdarstellung“ in weltanschaulicher und pseudoreligiöser Darstellung betrifft. Eine Art „Werbung“ für das schöne Land und seine braven, unschuldigen, arbetsamen und leidgeprüften Menschen….

    2. Amras, Schloss Ambras und Rinn. Die Orte, die Berge und natürlich die ganze Szene ist halt nicht realistisch. Dafür schauen die Engel ziemlich echt aus.
      Hinter Amras sieht man gut die Innsbrucker Mülldeponie aufgeschüttet. Also doch 20. Jh? Achso, es ist der Arme Leit Bichl…

  3. Interessante Kappelle. Man wäre geneigt, wenn sie nicht erst um 1700 errichtet worden wäre, sie wegen der doch eher ungewöhnlichen Form Guarinoni zuzuschreiben. Andererseits fehlt aber die für Guarinoni typische Stukkatur, wie man sie z.B. von der Stiftsalmkapelle kennt. Wobei gerade diese Kapelle dort äußerlich recht schmucklos ist – und im Kunstkataster ca. 25 Jahre nach seinen Tod datiert ist. Also ist es auch nicht abwegig, dass „Schubladenpläne“ Guarinonis nach und nach realisiert wurden.

    Wie man sich damit kritisch aueinandersetzen kann? Ich meine, dass man mit dem Schlüssel in Judenstein ein ganzes Paket aufschnüren wird müssen, das die Gegenreformation thematisiert. Immerhin ehrt Guarinoni mit seinen Bauten Karl Borromäus, Francisco Borja, Anna Selbdritt und die Schmerzhafte Muttergottes. Vielleicht auch noch Johannes Nepomuk, denn die Lendkapelle ist auch recht „guarinoniverdächtig“. Das spannt einen Bogen von den Hexenverbrennungen im Misox (Karl) über den Kirchliches Lehramt (Karl und Francisco), Unbefleckte Empfängis (Anna) bis zu Beichtgeheimnis (Nepomuk) und Marienverehrung.
    Guarinoni war da sozusagen mitten drin, hat schöne, von Herzen kommeden Entwürfe für Sakralbauten entwickelt, und hat leider das ganze noch gehörig mit Antisemitismus gespickt. Tirol und seine Heimat Trentino war keine Peripherie sondern ein wichtiges geistiges Zentrum dieser Vorgänge. Wäre vermutlich ein Thema für eine Landesaustellung in der Europaregion.

    1. ….wenn man nicht Angst haben müßte, damit zwei „schlafende Hunde“, nämlich VORURTEIL und VERALLGEMEINERUNG wieder zu wecken…

      1. Das Risiko besteht natürlich immer und wahrscheinlich springen bei jedweder Aussage die auf, die sich gerade eben „empören“ wollen. Wahrshcienlich sind die individuelle Tradierung in den einzelnen Familien doch das wichtigste; die zeitgeschichtliche Aufarbeitung allein nützt wenig.

        Ich bin froh, dass mein Vater mir die Anderl-Geschichte in dieser Beziehung relativ neutral erzählt hat – nämlich in der Art und Weise, dass sich Kaufleute oder Spediteure auf der Durchreise an dem Kind vergangen haben; ein Lustmord, – mit der allerdings wenig beruhigenden Perspektive, das so was an jeder Straße mit internationalem Verkehr geschehen kann.
        Der ganze detaillierte Hintergrund dazu „kochte“ erst auf, als man den Anderlkult beendete. So erfuhr ich die Geschichte im Detail erst im Frühsommer 1985. Zu diesem Zeitpunkt war eine Verinnerlichung glücklicherweise nicht mehr möglich.

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