Der Bau der Nordtiroler Eisenbahn – Die schiefe Brücke
Die „Schiefe Brücke bei Innsbruck“, vermutlich wegen ihres ungewöhnlich geneigten Gewölbes so genannt, war selbstverständlich auch in unserem Blog bereits mehrfach Thema. Dieses monumentale Bauwerk aus Stein galt schon den Zeitgenossen als ein besonderes Meisterwerk der Ingenieurskunst und hat deshalb einen eigenen Abschnitt im Erinnerungsalbum erhalten. Darin findet sich eine ausführliche Baubeschreibung, ergänzt durch eine eindrucksvolle Schilderung der Bauarbeiten, ein Stück Tiroler Verkehrsgeschichte, das ich unseren Leser*innen natürlich nicht vorenthalten möchte:
„An den Viaduct schliesst sich unmittelbar die Innbrücken an. Diese überspannt mit drei Oeffnungen mit schiefen Gewölben in hier beim niedrigsten Wasserstande gegen 40 Klafter breiten Einfluss. Der Schrägungswinkel beträgt 24 Grad, die Weite jeder Oeffnung nach der Brückenachse gemessen 86 Fuss, die Pfeilhöhe der Kreissegmentbögen 7 Fuss. Die Gewölbsdicke hat am Schlusse 5 Fuss, und jene am Anlaufe 7 Fuss. Die Stärke der Mittelpfeiler am Gewölbsanlaufe 12 Fuss; dieselben haben an beiden Seitenflächen einen Aufzug von 1/12. Die Gewölbe erhielten einen 6 Zoll starken Ueberzug von hydraulischem Mörtel. Bei dieser Brücke sind die Mittelpfeiler, der grössere Theil der Landpfeiler, die Gewölbe, die Sohle und Parapete aus dem nächst Kramsach vorkommenden Felsenblöcken (Marmor weisser Gattung) gearbeitet. Die Widerlager und Mittelpfeiler der Brücke stehen auf pilotirten Grundrosten von Lärchenholz, dessen obere Flächen 8 Fuss unter dem niedrigsten Wasserstande des Flusses liegen. Die Fundirungen wurden in den durch die lärchenen Falzbretterwände abgeschlossenen Baugruben mit Zuhülfenahme einer Dampfschmaschine von acht Pferdekraft, zum Wasserschöpfen, vorgenommen. Die eigentlichen Fundirungsarbeiten für die Brücke wurden am 10. November 1853 mit dem Einrammen der Spundpfähle für das rechtsseitige Widerlager begonnen und am 26. Dezember 1854 beendigt. In den Monaten November und Dezember 1855 fand die Aufstellung der Lehrgerüste für die Brückengewölbe statt. Hierauf wurde am 12. Februar 1856 mit der Einwölbung begonnen und dieselbe am 12. April 1856 mit der Versetzung des Schlusssteines im Mittelgewölbe der Brücke beendet. Zum Versetzen der öfter bis 36 Kubikschuh grossen oder nahe 54 Zentner schweren Quadern für die Mittelpfeiler und Widerlager wurde ein Laufgerüst mit 2 Kranichen, und zum Versetzen der Gewölbsteine in einem Kubikmasse von 40 bis gegen 180 Fuss wurden 3 Kraniche angewendet, da die Wölbungen gleichzeitig vorwärts schreiten mussten. Die grösste Setzung, welche in den Gewölben von der Lüftung der Lehrgerüste bis zur vollen Aufmauerung der Stirnmauer und der Hinterumwagerung während einer Zeit von 8 Wochen beobachtet wurde, betrug 3 bis 4 Zoll oder ¹/₁₄₄ bis ¹/₁₀₈ der Spannweite des Gewölbes. Dieser Bau musste wegen der Wasserstandsverhältnisse des Innflusses, die in den Wintermonaten von November bis zum März am günstigsten, hingegen in den Sommermonaten am ungünstigsten sind, grösstentheils während der Winterszeit geführt werden. Wie die Brücke und der Viaduct, so sind auch die Erdarbeiten auf der Strecke zwischen Innsbruck und Hall in den Monaten Oktober und November 1853 und die kleinen Objecte im Frühjahr 1854 in Angriff genommen worden.„
Die Brücke wurde mittlerweile erweitert und erst kürzlich renoviert, dennoch ist sie die einzige große Eisenbahnbrücke im Originalzustand auf der Strecke zwischen München und Verona, ein oft übersehenes, aber zweifellos kostbares Bajuwel unserer Stadt.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Bi-k-652-14)