Das Ende des Hochzeitsmahls
Vor einigen Jahren kamen über einen Ansichtskartenhändler zwei Hochzeitsfotos zu uns, beide mit dem Stempel „Photo Gratl Innsbruck“. Das eine war auch beschriftet, mit „Familie Buchroithner“. Und „Ende des Hochzeitsmahls“. Nur bei einem Wort am Ende bin ich gescheitert. „Helmut Sumgaub[?] / Samgrub[?]“ Zum Glück bin ich heute noch einmal über diese Fotos gestolpert und zum Glück gibt es Kollegen mit einem besseren Blick für die betreffenden Buchstaben. „Irmgard.“
Damit – und mit anno natürlich – können die Aufnahmen (die ich mit viel Unsicherheit, da ich eigentlich keine markanten Details erkennen konnte, in die 1950er-Jahre platziert hätte) nun ganz exakt datiert werden: „In der evangelischen Christuskirche in Innsbruck fand am 23. ds. die Vermählung des Hellmut Buchroithner, Mitinhaber der Wagnerschen Universitätsbuchdruckerei und Herausgeber der ‚Innsbrucker Nachrichten‘, mit Irmgard Kunater, Tochter des Medizinalrates Dr. Hubert Kunater in Sillian, statt,“ notierte der Allgemeine Tiroler Anzeiger am 25. Oktober 1937.
Eine weitere, für dieses Foto zentrale Information, nämlich wo das Hochzeitsmahl stattgefunden hat, fehlt in der Presse. Auf dieser zweiten Aufnahme wirkt es wie ein sehr großer, hoher Raum, den Vorhängen und dem Portal nach vielleicht ein neueres oder modernisiertes Gebäude denn Gründerzeit oder früher. Gibt es dazu Vorschläge?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-33869-1, Ph-33869-3)
Keine Chance, sowas zu erraten. Man hält uns mittlerweile für Hellseher. Ein standesgemäß eher auf der vornehmeren Seite zu findendes Haus an einer Ecke. Markante Eingangstür. Vielleicht ein an ein Hotel angeschlossenes Restaurant. Und jetzt diese Ecke am Stadtplan suchen 🙂 . Igls nicht vergessen.
Nach dem Zustand der Tafel (Kaffee, Sekt, Rest schon abgeräumt) zu urteilen, ist das erste Foto das zweite.
Aber Herr Hirsch! Wir halten Sie (pl) doch nicht für Hellseher sondern nur für Allwissende. An was für Details Sie hier laufend Fotos identifizieren (ich sage jetzt nicht das Z-Wort), ist derart beeindruckend, da kann ich doch nicht von vornherein ausschließen, dass nicht jemand von Ihnen das Muster der Tapeten, die Art der Lampen oder die Form der Stühle wiedererkennt. Aber wenn das diesmal (noch) nicht der Fall ist, nehme ich das auch ohne Vorwurf zur Kenntnis. 🙂
Man könnte es bei solchen Bildern vielleicht auch noch mit einer Séance-Sitzung oder Tarot-Kartenlegen versuchen, um mit den auf dem Foto abgebildeten Verstorbenen oder Geistwesen Kontakt aufzunehmen…. – vielleicht sollten Archivare als Zusatzausbildung ja doch eine Fortbildung für übernatürliche Kontakte zur Totenwelt absolvieren, man lernt ja nie aus?
Das war kein Vorwurf, Herr Bürgschwendtner, der Zufall schlägt oft die verrücktesten Kapriolen, sag niemals nie. Wenn z.B. meine Eltern im selben Gasthaus das Hochzeitsmahl bestellt hätten, dann gäbe es Fotos dieser Lampen und Stühle bei mir zu Hause, ich müßte nur die Schublade finden. Oder die Vorfahren irgend eines anderen Mitglieds der p.t. Leserschaft haben so ein Foto. Wenn hinter dem Ausgang kein Eingang wäre, hätte ich Ähnlichkeiten mit dem Hinterzimmer des ehemaligen Gasthof Goldener Stern in der Leopoldstraße getippt.
Jedenfalls waren die Buchroithnerischen evangelisch wenn sie in der Christuskirche geheiratet haben, aber es wird wohl keinen evangelischen Wirt gegeben haben, nur um zu zeigen, wie weit die abstrusesten Gedanken schweifen. Andererseits, vielleicht hat man die Hochzeitstafel in der Nähe aufgeschlagen, beim Dollinger oder Koreth?
Das kann eigentlich nur jemand aus der Familie Buchroithner wissen…. Oder man durchforstet alle Bilder von historischen Speisesälen in und um Innsbruck und kommt im Ausschluss-Verfahren per exclusionem auf die Lösung bzw. welche Etablissements es nicht sind.
Dem „Gemüse“ nach zu urteilen war das in der Stadtgärtnerei.
Der von barbarischen Kulturvandalen vor einiger Zeit unwiderbringlich zerstörte Barocksaal im ehemaligen Hotel Europa ist es schon einmal nicht.
Neben dem Bräutigam lächelt seine Schwiegermutter Ida Kunater geb. Edle von Wallpach zu Schwanenfeld in die Kamera. Sie wurde 1881 in Lana geboren als Tochter des Ivo von Wallpach und der Adelheid Dusini geboren und starb am 20. April 1961 nach kurzer Krankheit.
Zu dieser Zeit war eine Hochzeit einer Osttirolerin mit Südtiroler Wurzeln und einem Protestanten doch eher selten.
ich bin doch sehr irritiert. das ist heute schon das Zweite mal daß ich folgende Meldung sehe: Dein Kommentar wartet auf die Moderation. Dies ist eine Vorschau, dein Kommentar wird sichtbar, nachdem er freigegeben wurde. Bin ich da auf einer Blacklist; liebes Stadtarchiv Team`?
Lieber Herr Unterholzner – ich habe keine Ahnung, woran das liegen kann. Vielleicht am PZ-A7483 im Namen, wodurch Sie dem Programm als gefährlicher Agent erscheinen?
scheine ich unter diesem Spitzel Kürzel auf? wer hat da meine Tarnung auffliegen lassen 😉
Meine Glaskugel aus Bergkristall zur Express-Lokalisierung von historischen Bildern funktioniert leider nur bei Vollmond, im Traubuch der Christuskirche konnte ich jedoch in Erfahrung bringen, dass die Ehe von Hellmuth Buchroithner und Irmgard geb. Kunater bereits am 4. März 1943 wieder geschieden wurde.
Der Bräutigam war Sternzeichen Krebs und die Braut Sternzeichen Wassermann – ein in der Tat häufig problematisches Liebes-Horoskop!
Vielleicht es ja beim Grauen Bären, Hotel Tirolerhof, Hotel Maria Theresia oder einem anderen der altrenommierten Traditions-Hotels in der Innenstadt? Es ist wahrscheinlich ein Gründerzeithaus mit hohen Räumen.
Ich werde es als ultima ratio noch mit Floromantie versuchen, um das Rätsel zu ergründen….
Man möchte meinen, daß die Auswahl nicht so groß wäre. Alle Gasthäuser ohne Ecke, wie sie auf dem oberen Bild erkennbar ist, scheiden schon einmal aus. Die möglichen vier Ecken reduzieren sich auf gewagte zwei (Fenster im Rücken der Gäste nicht Norden, wenn man den LIchteinfall berücksichtigt, und wenn man schon beim Kaffee sitzt, vielleicht um 3 Nachmittags, kommt das Licht auch Süden oder Südwesten. Also bei üblicher Nordrichtung am Stadtplan eine linke Ecke. Der schwarze Adler hätte eine solche, aber wahrscheinlich nicht solche Stühle?
Und an der Ecke darf nicht, wie so oft, eine Eingangstür sein. Die Rätselfrage nähert sich bald dem Ausruf „Das kann nicht Innsbruck sein!“.
Eine sehr interessante Beobachtung betreffend Tageszeit und Lichteinfall! Wenn man in einer Suchmaschine „Innsbruck alte Fotos Speisesaal“ eingibt, kommen schon einige Bilder daher. Man müsste anhand des Stadtplanes und der Suchmaschinen wohl etwas tiefergehend recherchieren und die Hotels der Reihe nach abklappern.
Oder die Nachkommen, Kinder und Enkel der Familie Buchroithner erinnern sich an die Lokalität des Speisesaals……
Jetzt wo wirs wissen fällts mir erst auf: Sonne von Süden = rechte Ecke.
Wenn es die „Neue Post“ gewesen wäre – und das Blumenladele daneben in der Maximilianstraße mit der Beschaffung des „Gemüses“ betraut worden wäre – die hätte wohl „das Geschäft ihres Lebens“ damit gemacht, die Maria Matscher-Fröhler!
Zur Familiengeschichte lässt sich noch sagen:
Der Großvater des Bräutigams war Johann Buchroithner, k.k. Gefangenenaufseher und in späteren Jahren k.k. Postunterbeamter, verstorben 1918 in Salzburg. Er war verheiratet mit Zäzilie geb. Rahberger und hatte zusammen mit ihr die drei Söhne Engelbert, Hans und Karl Buchroithner. Engelbert heiratete Maria vulgo Mizzi Kiesel, die Tochter einer Buchdruckereibesitzerswitwe. Mit ihr hatte er die Söhne Engelbert jun. und Hellmut.
Lt. Adressbuch gab es 1937 in Innsbruck (inkl. Hötting, Mühlau und Amras) 20 Hotels, 49 Gasthöfe und 164 (!) Gastwirtschaften. Von Letzteren kommen sicher mehr als die Hälfte aus den verschiedensten Gründen als Rätsel-Lösung nicht in Frage, es bleiben leider trotzdem noch genügend …
Ruft man in diesem Blog das Untermenü Gasthäuser auf, werden 215 Ergebnisse ausgeworfen, wobei manche Häuser mehrmals vorkommen, z. B. wenn es eine Serie über sie gibt. Die meisten dieser vorgestellten Gasthäuser sieht man nur von außen, von einigen gibt es allerdings auch alte Ansichtskarten, die das Interieur zeigen. Auf die Schnelle habe ich noch keine Übereinstimmung mit den Bildern dieses Beitrages (Stühle und Lampen) finden können.
Bei dieser Gelegenheit eine Frage an das hochlöbl. Stadtarchiv: Wäre es möglich, die Suchfunktion so zu programmiern, dass die Anzahl der Ergebnisse auch als Zahl angezeigt wird, ähnlich der Anzahl der Kommentare?
Interessant ist auch die Vita des Bräutigams Hellmuth Buchroithner:
Er ist bereits am 4. September 1945 mit 33 Jahren, also nicht einmal 10 Jahre nach diesem Foto, in Deutschland verstorben und offenbar auch dort bestattet worden…. Darum habe ich ihn in der Innsbrucker Friedhofsdatenbank auch nicht gefunden.
Es ist dies eine sehr tragische Geschichte wie sie in jenen Kriegs- und Nachkriegstagen häufig passiert ist:
Die Mutter Maria Buchroithner geb. Kiesel erhielt erst am 15. Juni 1946 nach über einem Jahr Ungewissheit die Todesnachricht, dass ihr Sohn am 9. April 1945 in Kiel gefallen ist. Er war Leutnant-Ingenieur bei der deutschen Marine und hinterließ 2 kleine Kinder namens Christa und Hellmuth jun.
Die Angabe 4. September war ein Zahlendreher von 4.9. statt recte 9.4.
Mehr zur äußerst bewegten Geschichte der Familie Buchroithner und ihrer Betriebe erfährt man auch in diesem lesenswerten Beitrag von Herrn Hofinger:
https://innsbruck-erinnert.at/erste-retuschen-der-stunde-null/
Eine aller – allerletzte Frage:
Zu welchem Gebäude auf der anderen Straßenseite könnte die Reihe der beleuchteten Fenster im Hintergrund gehören?
Um das Geheimnis darüber zu beenden, möchte ich eine Kopie der damaligen MEnükarte des Hochzeitsmahls meiner Eltern mit dem Link
https://www.dropbox.com/scl/fi/2hdllvie230g74jlkzztn/Xerox-Scan_12032024134410.jpg?rlkey=q0ub3p9gsd1t6vr4oz3q447ua&dl=0
https://www.dropbox.com/scl/fi/mkzhc8ts4lzvll9z4qmfk/Xerox-Scan_12032024134341.jpg?rlkey=u41v3zmmbeakmgwqzbmxq1g4c&dl=0
zeigen. Es freut mich, dass sich noch so viele über das Ereignis Gedanken machen. Die erhobenen Daten stimmen im übrigen.
Hellmut Buchroithner