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Das Atlantis Der Berge (II.)

Das Atlantis der Berge (II.)

Etwa 90 Familien mussten den steigenden Fluten weichen. Manche zogen an gänzlich andere Orte, aber einige blieben und schufen sich eine neue Heimat am Ufer des Sees. Die Entschädigung der Anwohner war eine langwierige Streitfrage. Es wurde eine Kommission eingesetzt, die aus zwei Vertretern des Montecatini-Konzerns, zwei der Anwohner und einem Professor der Universität Padua bestand. Die Zahlungen fielen sehr unterschiedlich aus; während für Häuser in etwa ihr Marktwert erstattet wurde, lagen die Entschädigungen für da Ackerland deutlich darunter. Somit mussten manche ihre neuen Existenzen mit Schulden beginnen, wenn sie dieselbe Anbaufläche andernorts erwerben wollten.

Die Inbetriebnahme der Kraftwerke Kastelbell und Glurns-Schluderns fand im August 1949 statt. Zusammen sollten sie jährlich 650 Millionen Kilowattstunden produzieren. Die österreichischen Zeitungen beäugten das Projekt kritisch – die Eröffnungszeremonie und sämtliche Plakate zu dem Anlass waren ausschließlich in italienischer Sprache, wie die Tiroler Nachrichten anmerkten. Auf das Opfer der vertriebenen Anwohner wies allein Senator Carl von Braitenberg (1892–1984) hin. Deren Bitterkeit wurde freilich durch die Tatsache nicht verbessert, dass bis zu Inbetriebnahme noch an niemanden auch nur ein Teil der Entschädigung ausgezahlt worden war.

Im September 1950 war der See bereits so angewachsen, dass nur noch einige Telegraphenmasten und der Kirchturm aus dem Wasser ragten. Die rund 60 Häuser sowie die Kirche, mit Ausnahme des noch heute zu sehenden Turmes versteht sich, waren zuvor gesprengt worden. Der Friedhof, der ebenfalls in dem Territorium lag, welches sich der Stausee Meter um Meter eroberte, wurde wie die Häuser der Lebenden auf höheren Grund verlegt.

(Signatur KR-NE-6451)

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  1. Und schon wieder sitze ich im Geiste in der Volksschule in Fritzens, im Oberdorf.
    Der Herr Oberlehrer, bei dem wir nunmehrigen „Drittklassler“ seit ein paar Tagen in den ersten vorderen paar Schulbänken des riesigen Klassenzimmers saßen, erzählte uns mit leuchtenden Augen etwas von „Paris“ und be-
    schloß seine Erzählung mit den Worten:
    „Jetz kimmt Südtirol wieder zu Öschterreich!“
    Ja, wenn man – so wie er! – aus Tschengls im Vinschgau gebürtig war – und noch ahnungslos gewese n war, daß es so etwas wie eine Grenze am Brenner geben könnte, als man, in Jugendtagen, von Innsbruck mit dem Zug südwärts fahrend, schnell bei der Haltestelle Schelleberg (Moncucco, so ein Blödsinn, so hats nia ghoaßn) aus dem Zug gesprungen und den Weg zum Bahnhof Gossensaß hinuntergerannt war, wo die Kellnerin, die Rosl (oder wars doch die Anna?) schon mit einem Tablett voller eingeschenkter Weinglasln gewartet habe, deren eins man rasch hinunterstürzte, um wieder den eben im Bahnhof Gossensaß einlaufenden Zug wieder zu besteigen
    – – – um am nächsten Tag in seinem grauen Arbeitsmantele zunächst stumm und verlegen 3x vor der großen Tafel hin und her zu gehen, um dann mit gesenktem Kopf kleinlaut und leise zu verkünden:
    „Jetz kimmt Südtirol decht nit zu Österreich…“
    Und ich kann mich nicht erinnern, daß er an diesem Tage mit uns Singstunde gehalten hat – und schon gar nicht „Wohl ist die Welt so groß und weit…“ wie sonst bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
    Ins Merkheft haben wir einmal – aber vielleicht erst in der Vierten – von der großen Tafel herab „Südtirol“ abzeichnen dürfen – Etsch – und Eisack – und die Passer – und die Rienz – und dann mußten wir – ganz zart in Rosarot – bis Meran und bis Brixen – den „Hauch des Südens“ hineinmalen -„weil bis dahin wachsen die Trauben…“
    Heimweh hatte er halt, dieses ansonsten grimmige Oberhaupt einer ganzen Lehrerdynastie.
    Und sein bratschenspielender Enkel (zufällig auf Ma.Brettfall getroffen) rief glückselig zu seiner Frau hinüber: „Denk dir, dee isch bei mein Opa Schual gangen…“
    (Ich hab ihm damals verschwiegen – und sags auch heute nicht, daß hinterm Kachelofen… ach was!)

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