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Beschmiert Und Vertrieben

Beschmiert und vertrieben

Wenn ich Ihnen von berühmten Frauen aus Innsbruck erzähle, habe ich meist viele biografische Hintergrundinformationen parat, aus denen ich anschließend einen Text zusammenbastele. Im Anschluss suche ich noch ein passendes Foto für den Beitrag heraus. Aber für den heutigen Artikel verlief meine Recherche in umgekehrter Reihenfolge. Mir fiel ein Foto in die Hände, wofür ich anschließend die passende Biografie suchen musste.

Wir wissen nicht, wie Pini Stössinger gelebt hat. Wir wissen auch nicht, wie sie ausgesehen hat. Lediglich ein Foto, das ihr  beschmiertes Geschäft zeigt, bezeugt ihre Existenz. Wir befinden uns inmitten der Unruhen des Jahres 1938, als die Nationalsozialisten am Karfreitag die Auslage von Stössinger beschmierten. Für die Verschandelung der Auslage wurde eine ätzende Flüssigkeit verwendet, dessen Entfernung 334 Reichsmark (entspricht heute einer Kaufkraft von 2300 Euro) kostete. Pini Stössinger wurde kurze Zeit später sowohl ihr Geschäft als auch ihre Gewerbeberechtigung entzogen. Sie verließ Innsbruck am 25.Oktober 1938, musste nach Prag ausreisen und konnte somit der Pogromnacht Anfang November entgehen.

Aber wer war Pini überhaupt? Philippine Stössinger wurde 1889 in Meran geboren. Da ihre Eltern aus Prag stammten, besaß sie das Heimatrecht ebenda und erhielt nach 1918 die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit. Bereits ihr Bruder Oskar Stössinger war als Direktor der Innsbrucker Filiale der Mercurbank Opfer von antisemitischen Angriffen betroffen. Sein Name taucht unter anderem auf Flugblättern wie „Wer ist Jude in Innsbruck und Umgebung?“ auf. Zwar suchte Pini Stössinger mehrmals bei der Stadt Innsbruck um die österreichische Staatsbürgerschaft an, diese wäre ihr allerdings erst nach Bezahlung einer Aufnahmetaxe von drei Millionen Kronen gewährt worden. Diese Praxis gegenüber Jüdinnen und Juden war nichts Ungewöhnliches, das belegen zahlreiche ähnliche Fälle wie der von Pini Stössinger.

Pini durfte also in Innsbruck leben, hatte allerdings keine Rechtssicherheit und konnte für ein Vergehen jederzeit ausgewiesen werden. 1924 eröffnete sie ihr Wäschehaus, das auf dem heutigen Foto abgebildet ist. In den Innsbrucker Nachrichten vom 2.11.1938 findet sich folgende Anzeige zur „Entjudung“ von Stössingers Geschäft: „Das Geschäft wurde von mir käuflich erworben. Ich werde dasselbe in fachmännischer Weise führen und bin bestrebt, meine Kunden zufriedenzustellen. Maria Graf, Spezialgeschäft für Wäsche.“ Nach dem Zerfall des NS-Regimes kam es 1949 zu einer Gerichtsverhandlung zwischen Maria Graf und Pini Stössinger, mit dem Ergebnis, dass Graf 10.000 Schilling (entspricht einer heutigen Kaufkraft von 11.000 Euro)  an Stössinger zu bezahlen hatte, vermutlich als Entschädigung.

Nun möchte ich abschließend von Ihnen wissen, wo sich Stössingers Geschäft befunden hat. Erkennen Sie die Straße wieder?

(Verena Kaiser)

(Foto: Ph-1259)

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare
  1. Totaler Ratefuchs heute:
    Links lese ich „Toni Kirchmeyr“. Dieser namhafte Tiroler Künstler hatte doch sein Atelier in der Erlerstraße. Gut dazu passen würde auch die Bäckerei rechts, wo heute die Brotbuben untergebracht sind. Also würde ich sagen (raten) Erlerstraße. Die Straße selbst hätte ich nicht erkannt, sieht ja heute total anders aus. Kann mich natürlich auch komplett irren.

    1. Ja, das ist eindeutig die Erlerstraße, das Haus rechts mit dem Mezzanin und den Jugendstilornamenten ist ja doch prägnant.

      Die Bäckereifiliale war bis vor nicht allzulanger Zeit noch an der selben Stelle, ist mittlerweile aber ums Eck in der Museumstraße zu finden.

  2. Liebe Leserinnen und Leser,

    Sie haben natürlich Recht. Stössingers Geschäft befand sich tatsächlich in der Erlerstraße.

    Liebe Grüße

    Verena Kaiser

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