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Aus Dem Tagebuch Eines Kaiserschützenoffiziers II

Aus dem Tagebuch eines Kaiserschützenoffiziers II

Major Rudolf Hermanny-Miksch (1874-1964) hatte, wie wir im ersten Teil erfahren haben, Ende November 1915 an der Tiroler Westfront, genauer gesagt im Rayon II (Tonale), ein Abschnittskommando übernommen. Seine Tagebuchaufzeichnungen aus dem Winter 1915/16 vermitteln einen anschaulichen Einblick in den Alltag und die Lebensbedingungen in diesem Teil der Südwestfront. Insbesondere werden auch die alpinen Gefahren (Lawinen, Steinschlag, etc.) greifbar, denen Soldaten und Offiziere gleichermaßen ausgesetzt waren und die tausende Menschenleben auf österreichisch-ungarischer und italienischer Seite forderten. (Allerdings war die in der Zwischenkriegszeit kolportierte Anzahl der Lawinenopfer viel zu hoch angesetzt wie Siegfried Sauermoser jüngst in seiner lesenswerten Dissertation zeigen konnte.) Auch die vergleichsweise priviligierte Stellung der Frontoffiziere gegenüber der Mannschaft (Stichwort Urlaub) lässt sich fassen. Und schließlich erwähnt Hermanny-Miksch eher beläufig auch den völkerrechtswidrigen Einsatz von Kriegsgefangenen im Frontgebiet. Doch lesen Sie selbst:

1/1 1916
Mit Gott fange ich dieses Jahr an – er möge den von allen ersehnte Frieden geben.
Nachm. zum 1. Baonskmdo Tonalespitz gestiegen mit Feldkurat Onsika [?].

[…]

6/1 1916 Feldmesse – Mittag zum 2-3 tägigen Aufenthalt in Bozen u. Meran abgegangen, um meine Familie (Helene samt Kind) […] nach Meran zu bringen.

[…]

11/1 1916 Zurück auf Malga Strino.

[…]

17/1 Montag – Feierliche EinEinweihung des Aufzuges Werk Strino – Malga Strino. Anwesend General v. Eckhard [sic], Oberst von Slonika u. andere Offz. etz.
11h feierliche Feldmesse, gehalten durch Feldkurat Hager. Dann Ansprache durch denselben – hernach Einweihung. Während der Messe sangen Einj.F. – Nach der Messe Volkshymne, während der Einweihung „Tag des Herren“.
Gerade zu dieser Zeit funktionierte der Aufzug nicht.
Nach … [?] Gabelfrühstück in OffzMesse auf Malga Strino.

[…]

1/2 Kriegsmaler Hptm [Julius] v. Kaan geht ab. – Etwas Schneefall. Ein Mann des 1. Baons, der am 31/1 abstürzte von Feldw. 1 begraben.

2/2 Schönes Wetter – Feldmesse.
Ital. richten an ihrer Sandsackstellung Hindernisse auf Albiolo Hindernisse her – 1 Mann wurde durch unser Feuer verwundet oder getödtet. It. antwortete mit Revolverkanone u. treffen das Schutzschild eines unserer Posten auf Albiolo.
1 Mann des 2. Baons auf Albiolo gestern abgestürzt, wurde heute begraben, somit seit gestern der 2te Todte. – Heute wieder einer abgestürzt, jedoch nur leichte Verletzungen.

3/2 Etwas Schneefall – 4. Komp. visitiert – Bad auf Werk Tonale genommen – dort Mittagessen (Oblt.Schiman u. Georgi), dann gegen Werk Mero u. zu Lt. Noldin.

[…]

13/2 Sonntag 11h Feldmesse – Rgtsmusik spielte hiebei.
9 abds. suchte eine 4 Mann starke fdl. Patrouille am Albiolograt vorzugehen und gelangte 50x [=50 Schritte] nahe an unsere Hindernisse. Das Feuer unserer Schitzposten [sic] wurde von der fdl. Patrouille stark erwidert. Ein Aufschrei auf Seite des Gegners verbunden mit einem Herabkollern von Steinen gibt zur Annahme den Anlaß, daß die Gegner getroffen wurden, da der Fd. sofort das Feuer einstellte u. vollk. Ruhe eintrat.

[…]

24/2 In der Nacht vom 23. auf 24/2 Niedergang einer Lawine vom Tonalerücken gegen den mittleren Stall (2h morgens) 4 Pferde von 4 Meter Schneedecke u. Bretterwand zugedeckt, wurden jedoch lebend ausgeschaufelt.
Es schneit ununterbrochen.
Um 1/2 9 h vorm geht 2te Lawine vom Tonalerücken herab u. reißt 8 Mann des ung. Inf. Baons II/37 mit sich u. 1 Italiener (Zivilarbeiter). 6 Schwerverwundete u. 3 Todte.
Außerdem wurde 1 Ordonanz, welche zum 1. Baon zu gehen hatte u. zw. in Begleitung von 30 Serben [Kriegsgefangene] als Schaufler, von einer Lawine verschüttet u. ist jedenfalls todt, da er bis nachm. nicht gefunden werden konnte; er trägt selbst die Schuld, da er sich eigenmächtig von den Schauflern entfernte.
Weiters schoß sich ein Waffenmeister durch eig. Unvorsichtigkeit in die Füße u. rückwärts hinaus, dürfte nicht lebend davon kommen.
Es schneit ununterbrochen – am Tag des Unglücks. […]
Um 10h 15 abds plötzlich ein dumpfes Rollen [sic] u. es gehen 5 Lawinen aufeinmal nieder u. überschütten 3 Ställe u. 1 Mannschaftsbaracke – 2 Ställe u. 1 Mannschaftsbaracke waren infolge der Ereignisse am Tag vorher nicht belegt; in dem überschütteten Stall befanden sich 60 Pferde u. eine Anzahl von Chargen u. Tragtierführern. Es wurden 4 Mann u. 24 Pferde getödtet – die Kantonierungswache wurde auch mitgerissen (6 Todte) – somit 10 Menschenleben und 24 Pferde – ein gräßliches Unglück!
Die Leute, 2. Komp. L[andes]S[chützenregiment Nr.] I u. 13. Komp. des 29. IR schaufelten u. arbeiteten die ganze Nacht. Ich war am Platze bis 3 früh des 25/2, dann legte ich mich todtmüde hin, ohne schlafen zu können […].

Fortsetzung folgt …

(StAI, NL Rudolf Hermanny-Miksch)

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Beim genannten „Aufzug Werk Strino – Malga Strino“ handelt es sich wohl um eine Seilbahn.

    Von dieser Seilbahn gibt es beeindruckende Aufnahmen, u.a. von einer 40m hohe Stütze. Das Foto wurde während der Fahrt aus der Gondel fotografiert. Auf der Stütze ist ein Nadelbaum montiert, wohl Zeichen für eine First- oder Eröffnungsfeier, wie im Tagebuch geschildert. Die Konstruktion der Stütze ist sehr interessant:
    https://www.europeana.eu/lt/item/9200291/bildarchivaustria_at_Preview_15583290

  2. Beim erwähnten Kriegsmaler von Kaan handelt es sich um den Künstler Julius von Kaan-Albest. Dieser hatte in Steinach am Brenner eine Sommervilla, wo er nach dem 1. Weltkrieg viele Sommer verbrachte.

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