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Aufs Pfriemesköpfl

Aufs Pfriemesköpfl

Haben Sie Lust, mit uns eine weitere klassische Skitour in der Innsbrucker Umgebung zu unternehmen? Dann kommen Sie mit! Wir reisen zurück in den Dezember 1918. Das Ende des Ersten Weltkrieges liegt kaum vier Wochen zurück, Stadt und Land sind von italienischen Truppen besetzt und es herrscht bittere Not. Dennoch, oder gerade deswegen, zieht es junge InnsbruckerInnen in die Natur; drei von ihnen unternahmen am 1. Dezember 1918 eine Skitour aufs Pfriemesköpfl, darunter meine Urgroßmutter Gabriele Stricker (1897-1989). In ihrem Tourenbuch findet sich dazu folgender Eintrag:

„Schon lange winselten wir um Schnee und die Freude war groß, als endlich Schneewetter eintrat; zur Not ging’s an mit 1/8 m Schnee und so saßen wir dann auch Sonntag Früh in der Stubeitalbahn [sic]; in Mutters war schon eine ganz nette Schneedecke und unsre Laune wurde immer besser. Auf bekanntem Weg walzten wir dem Nockhof zu; weiter ging’s auf die Muttereralm und nach kurzer Beratung spurten wir durch den Wald weiter aufwärts auf’s Pfrimesköpfl. Einige Minuten nach 12h hockten wir frierend droben, konnten aber des Lebens nicht froh werden, denn ein eisiger Wind vergällte uns gründlich die Rast.
Bald schnallten wir die Brettln wieder an und ’sausten‘ hinunter. Das erste Stück war fast aper, sosehr hatte der Wind gewirtschaftet, aber im Wald ging’s tadellos. Keßler ließ uns schnöderweise in Stich und so tschecherten Fritzl und ich durch den Wald der Muttereralm zu. Gleich darunter, man kann nur in der Spur der anderen fahren, flog ich so hinaus, daß ich mir dachte, ich könnte Schier und Knochen im Schnupftüchl nach Hause tragen. Erst probierte ich einmal alle Gelenke und siehe da, sie funktionierten alle. Nun konzentrierte ich meine Aufmerksamkeit auf die Brettln – da war schon mehr geschehen – das rechte war ohne Spitze. Na, ich fuhr bald weiter, so gut es ging. Geschimpft hab ich wohl wie ein Rohrspatz im Anfang, hab’s aber bald aufgesteckt, weil’s doch umsonst war.
Am Nockhof wartete unser ein herrliches Mittagessen, das uns wieder auffrischte und tatendurstig machte. Um 4h kehrten wir der gastlichen Stätte den Rücken und fuhren ab, ich natürlich immer als Letzte. Der Schnee war schon ziemlich zerfahren, im Wald war’s direkt schon aper und drunten auf den Wiesen konnte man sich freier bewegen. Bei der Nattererstraße schnallten wir ab und zogen singend und johlend die Brennerstraße entlang bis zum Berg Isel, wo ich in die Elektrische stieg.“

Dazu noch eine Anekdote: In bürgerlichen Familien galt damals oft allein die Vorstellung, dass Frauen eine Hose tragen könnten, als skandalös. Die Familie Stricker bildete hier keine Ausnahme. Allerdings ist ein Rock beim Skifahren nicht unbedingt praktisch, weshalb meine Urgroßmutter – so die mündliche Überlieferungen – stets heimlich eine Hose in ihren Rucksack packte. Die elterliche Wohnung in der Claudiastraße verließ sie zwar im Rock, aber bevor die Skitour begann, legte sie die Hose an. Nach der Abfahrt vertauschte sie wiederum die Hose mit dem Rock, und kehrte so nach Hause zurück …

(Foto: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-31390 / Text: Tourenbuch Gabriele Stricker, Privatbesitz)

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Na, das war ja eine lustige Partie. Beim Nockhof gabs offenbaur mehr zu essen als damals in der Stadt. Die andernorts schon besprochene Abfahrt über die Ferrariwiese ist dem Schneemangel oder der hereinbrechenden Dunkelheit zum Opfer gefallen.

    Zwei in meiner Jugend noch gebräuchliche Edeldialektwörter sind mir wieder in Erinnerung gebracht worden: Tschechern und etwas aufstecken.
    Und wie ein Rohrspatz schimpft eigentlich auch keiner mehr.

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