Am Rande des Wohlstandes
Wir sind gewohnt, dass wir auf den Glanz in unserer Gesellschaft zu schauen: „Wichtige“ Persönlichkeiten, große Häuser und erfolgreiche Firmen. Und die Meisten von uns würden auch gerne so sein oder zumindest dazugehören.
Nur selten wurde früher der Blick auf die Ränder der Gesellschaft gerichtet. Und dann meist auch nur, um das „Schlechte“ zu zeigen. Hier ist so ein Beispiel. Schauen wir uns das Foto einmal genauer an. Links im Bild sehen vermutlich ehemalige Hasenställe. Hasenzucht war in Zeiten schlechter Lebensmittelversorgung eine Möglichkeit, an Fleisch zu kommen. Im Gegensatz zu Hühnern waren deren Bewohner geräuschlos und brauchten keinen Freigang. Dahinter sehen wir bereits die unsäglichen Säulen der Autobahn.
Der Zaun ist mit einer grünen Pflanzenzeile umgeben. Das Haus selber ist eher desolat, nichts ist gerade oder intakt. Hier spürt man die Armut, aber nicht unbedingt Trostlosigkeit.
Immerhin etwas teilt dieses Häuschen mit allen anderen Gebäuden in Innsbruck: Eine Hausnummer. Hier ist es die 33. Darüber könnte sich ein Schild der Tiroler Landesfeuerversicherung (oder so ähnlich) befinden.
Kennen Sie den genauen Standort des Gebäudes? Steht es heute noch so unversehrt im weiten Feld? (Natürlich nicht…).
(Stadtarchiv/Stadtmuseum, Ph/A-24.396-188)
Kaufmannstraße 33, auf den Luftbildern von 1984 noch vorhanden 1986 weg. Das erstmal; Zahlen, Daten, Fakten.
Mich berührt diese Aufnahme. Einerseits weil ich genau in diesen Jahren Lieferant der Firma Blumen Schmid am Südring, gerade mal ums Eck, gewesen bin und das Haus zu Anfang meiner Anstellung noch gestanden hat und am Ende weg war, ich sicher fast täglich daran vorbei fuhr und mich nicht erinnern kann, dass es dann plötzlich weg war. Andererseits einfach die Geschichte, die in meinem Kopf abläuft, wenn ich hier genau hinschaue.
Ich vermute, nach dem Krieg bis spätestens Mitte der 1950er Jahre hat sich hier ein Paar den Traum eines eigenen Hauses verwirklicht. Inzwischen ist der Mann gestorben oder einfach nicht mehr in der Lage die „Männerarbeit“ zu erledigen. Hasenställe und Haus verfallen aber Wäsche aber wird gewaschen. Als dann Oma endlich auch stirbt oder ins Altersheim muss, reiben sich die Erben die Hände und heute stehen hier „wunderschöne“ Mehrfamilienhäuser.
Eine ganz unerwartete Freude, dieses Haus wieder zu sehen!
Meines Wissens hätte auf diesem Grundstück die St. Norbert-Kirche erbaut werden sollen.
Weil der/die Bewohner aber alle Angebote ausschlugen, mußte eine Alternative in Form des heutigen Standorts gefunden werden.
Danke, dass die verblassende Erinnerung jetzt wieder so klar ist!
Dieses kleine Häusel ist auch mir in bester Erinnerung. Welch wohltuender Gegensatz zu doof bürgerlicher Sauberkeit, Gartenpflicht, Tujenpflicht, Fenstertauschpflicht, Blumenschmuck-Einöde usw… 😉
Das Haus war, wenn mich das Gedächtnis nicht wieder einmal hereinlegt, auch eine Zeitungsmeldung wert. Die Bewohnerin, eine alte Dame, weigerte sich, ihr kleines Paradies gegen eine der mehrfach angebotenen Wohnschachteln in irgendeinem Zinshaus anzunehmen. Wo diese doch soooo schön sind! Aber auch.
Das unbegriffene Paradies war der Komfort einer unendlichen Vertrautheit. Unersetzlich.
Danke! Einfach nur danke Herr Hirsch für diesen Kommentar.
Wenn ich das recht sehe, müsste das knapp nach 1976 sein, die A12 scheint schon gebaut zu sein, die Mittelgebirgsbahn fährt über die Autobahnbrücke bereits drüber. Der Hang sieht aber frisch abgegraben aus.