Wild Wild East: Die Schlacht an der Pradler Brücke
Die Pradler Brücke. Jeder Innsbrucker, jede Innsbruckerin kennt sie und hat sie gequert. Sie war die dritte Brücke unserer Stadt, nach Inn- und Mühlauerbrücke. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie, als die im Titelbild ersichtliche, schmale Holzbrücke errichtet. 1909 wurde sie dann aufgrund des immer stärker werdenden Verkehrs zu einer Eisenbetonbrücke ausgebaut, bis diese alt und hochwassergeschädigt, 1988 ein zweites Mal renoviert wurde. Nun soll es hier aber nicht mehr um die Bauhistorie dieser Brücke gehen. Nein, wir sind immer noch im wilden Osten! Und im April des Jahrs 1950 trugen sich hier legendenumwobene Ereignisse zu.

Wie bereits in meinem ersten Beitrag (Wild Wild East – Innsbruck erinnert sich) anklang, steht die von Anfang der 30er bis Anfang der 70er Jahre Bestand habende Bocksiedlung wohl in engem Zusammenhang mit dem „wilden“ Ruf der östlichen Randbezirke, vor allem der Reichenau. Namensgeber war der Johann Bock, praktisch der Vorsteher der „Bockeler“. Er und seine Söhne Egon und Hermann waren respektierte Männer in der Siedlung, außerhalb aber gleichzeitig gefürchtet. Einerseits galten sie als hilfsbereit, andererseits auch als hochgradig gewalttätig, vor allem gegenüber der Polizei.
Die Erzählungen, wie es sich am Abend des 24. April genau zugetragen haben soll, variieren in den verschiedenen Zeitungen etwas. Deshalb werde ich mich zusammenfassend Großteils auf die Aspekte beschränken, die man als Gegebenheiten annehmen kann.
Nach vollendetem Arbeitstag saßen die drei Bocks mit einigen anderen Weggefährten im Gasthaus „Brücke“, als Egon Bock einen Postangestellten niederschlug, der sich seiner Ansicht nach an dem vor dem Gasthaus abgestellten Fuhrwerk zu schaffen gemacht hatte. Johann Bock habe an diesem Abend ungefähr 22 Bier und einen Liter Wein getrunken. „I vertrag ja net viel“ suchte er später vor Gericht diese geringfügige Anzahl zu rechtfertigen.

Kurz darauf traf ein Überfallkommando der Polizei ein um Egon und Herrmann Bock abzuführen. Diese gingen auch anstandslos mit bis ihnen angeblich der 22-jährige Hilfsarbeiter Klammer zurief: „Ihr werdet doch nicht mitgehen mit den schwarzen Schweinen, schlagts sie nieder!“. Daraufhin wurde Widerstand geleistet, was von der Polizei mit Knüppelhieben beantwortet wurde. Die „Aufständischen“ bewaffneten sich ebenfalls. Mit Brettern und Schaufeln. Die Polizei war vorerst in der Unterzahl und zog sich auf die Brücke zurück. Die Bocks und ihre Kumpanen fuhren dann mit ihrem Pferdefuhrwerk davon, wurden aber von einem zweiten Überfallkommando gestoppt. Die Schlacht setzte sich vor dem „Lodronischen Hof“ fort bis die „Rebellen“ schließlich festgenommen werden konnten. Bei der Gerichtsverhandlung im darauffolgenden August wurden Arreststrafen von acht Monaten bis einem Jahr an die Beteiligten vergeben.
Interessant ist die durchaus unterschiedliche Darstellung des Vorfalls. Während die christlich-sozialen „Tiroler Nachrichten“ auf den unter der Schlacht angeblich der Polizei zugerufenen Satz: „Wenn die Kommunisten kemmen, weats es als erstes aufghängt“ eingehen und das Bild der gemeingefährlichen Aufrührer zeichnen, so ist die Darstellung der „Volkszeitung“ doch eher belächelnd.
Wie dem auch sei bei der „Schlacht an der Pradler Brücke“ handelt es sich um ein Stück Geschichte, das der Innsbrucker Stadtbevölkerung durch Erzählungen lange präsent geblieben ist und an das auch der ein oder die andere Leser oder Leserin eine Erinnerung hegen wird.
Verfasser: Julian Rakob
Titelbild: Stadtarchiv Innsbruck, Ph-6901
Links zu den verschiedenen Zeitungsartikeln:
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=tna&datum=19500804&seite=2&zoom=33&query=%22Klammer%22&ref=anno-search
https://ulb-digital.uibk.ac.at/obvuibz/periodical/pageview/7555784?query=%22Johann%20Bock%22
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19500804&seite=4&zoom=33&query=%22Johann%22%2B%22Bock%22&ref=anno-search