Was tun bei Regen?
Eine drängende Frage, insbesondere für Eltern mit bespaßungsbedürftigen Kindern aber auch für vorrübergehende Besucher:innen der Stadt (oder deren Gastgeber:innen). So auch für Herrn K. Sp., der vor 150 Jahren in Innsbruck weilte und den allhier der Regen ereilte, worüber er am 9. Juli 1875 im Neuen Wiener Tagblatt berichtete.
Wie es sich für einen guten Gast gehört, streute Herr Sp. unserer Stadt zunächst Rosen: „Innsbruck ist gewiß eine herrlich gelegene Stadt, mit großartigeren Naturschönheiten als Salzburg“, aber: „aber beim heftigen Regenwetter so trostlos, wie Salzburg.“
Was tun bei Regen? „Von einer Bergpartie nach der Mutters-Spitze oder auf die „Frau Hitt“ hinauf, oder auf die „Höttinger Alm“ kann da keine Rede sein. Nicht einmal auf die Weiherburg oder Hungerburg. Kein Ausflug ist gut möglich„, lamentierte Herr Sp. Ob es die Redewendung von schlechtem Wetter bzw. falscher Kleidung wohl damals auch schon gab?
Was tun bei Regen? Herr Sp. war etwas ratlos, denn „das Repertoire der sonstigen städtischen Amusements ist bald erschöpft. Selbst die hier stationirte k. k. Militärkapelle Maroicic muß eine lange Spielpause machen, da laut Landeskommando-Befehl der Landestrauer wegen durch volle acht Wochen alle Platzmusiken und musikalische Zapfenstreiche zu unterbleiben haben.“ Unglücklicherweise war nämlich am 29. Juni 1875 der vormalige Kaiser Ferdinand I. verstorben. Schlechtes Timing für Herrn Sp.
Was tun bei Regen? Die Antwort war für Herrn K. sonnenklar (pun intended): „Bleiben also nur etwa die Kirchen übrig. Daran fehlt es in Innsbruck freilich nicht und das kirchliche Repertoire läßt an Mannigfaltigkeit nichts zu wünschen übrig. In Innsbruck, der Hauptstadt des Herz-Jesu-Landes, aber gewesen zu sein und keine Predigt gehört, keiner kirchenmusikalischen Produktion beigewohnt zu haben, das wäre für einen gewissenhaften Vergnügungs-Reisenden geradezu unverantwortlich gewesen.“ Der Regen, ein Zeichen von oben, also?
Herr Sp. wandte sich hilfesuchend an „eine bejahrte Frau, welche mit einem großen Regenschirme und zwei noch größeren Gebetbüchern ihren Kirchengang machte„. Äußerst hilfsbereit rezitierte sie „mit größter Bereitwilligkeit und einigen hierzuland unvermeidlichen Zischlauten“ das Gottesdienstprogramm der nächsten Tage, welches er „mit entsprechend frommthuender Miene mir sorgfältig in mein Reisehandbuch notirte„. Unter anderem „dösch hättens hören müssen […] i muß Ihna ja für’n Nachmittag Auskunft geben. Sehens, um halb 3 Uhr isch Jungferverein, bei dö Urschulinerinen„. Vielleicht hätte Herr Sp. mehr Konzentration auf die Zisch- und andere Tiroler Laute als auf die frommtuende Miene legen sollen.
Letztendlich musste sich Herr Sp. „gewaltsam“ von seiner Urlaubsbekanntschaft losreißen und entschied sich, die Jesuitenkirche aufzusuchen. Dort lauschte er einer Predigt von Pater Carolus (Karl) Hünner, der die biblische Geschichte von König Ahab mit dem Tiroler Kulturkampf verknüpfte. Herr K. zog sich „auf eine Bank mehr im Hintergrund zurück und machte mir stenographische Aufzeichnungen„, die er für die Lesenden des Neuen Wiener Tagblattes zu einer ausführlichen Zusammenfassung verarbeitete. Selbige erspare ich ihnen.
Was tun beim nächsten Regen? Dieser Beitrag sollte ihnen einige Anreg(n)ungen geliefert haben…
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Sammlung Günter Sommer, Bd. 51, Nr. 7)