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Schauplatz Eines Attentatsversuches

Schauplatz eines Attentatsversuches

Wohl im Jahr 1893 erteilte der Jurist Karl Gerok (1863-1939) dem Innsbrucker Baumeister Josef Mayr den Auftrag, für ihn ein Zinshaus in Wilten zu errichten. Der Bauherr war selbst Sohn eines Architekten. In Wien zur Welt gekommen, hatte er in Berlin, Lausanne und Tübingen studiert und sich um 1890 dauerhaft in Innsbruck niedergelassen. Offenbar war Gereok recht vermögend, denn er wird nicht nur auf dem oben abgebildeten Plan als Privatier geführt, sondern auch im Adressbuch.

Spätestens im Frühsommer 1894 war Geroks Haus bezugsfertig. Im August jenen Jahres inserierte Gerok eine „Herrschaftswohnung“ in seinem Neubau zur Vermietung:

[…] auf Augusttermin oder später ist im ersten Stock meines direkt vor den Spitalgärten gelegenen Hauses, Maximilian Grenzstraße Nr. 3 in Wilten [heute Maximilianstr. 39], noch zu vermiethen. Vier sehr große Zimmer, Stube für 2 Dienstboten, Küche mit Speisekam­mer, 10 m 2 Glasveranda, Wassercloset, Wasser- und Gasleitung, drei Kellerabtheilungen, geräumige Dachkammer, Trockenboden, Waschküche. Keine zweite Partei auf gleichem Stockwerk. Herr­liche Aussicht nach Nord und Süd. Recht auf Nutzgarten und anschließendem Ziergarten mit eigenem Gartenhäuschen. Auskunft, auch brieflich, bei Karl Gerok, dortselbst im 3. Stock.

IN, 9.8.1894, 12.

Rasch bevölkerten einige honorige Herrschaften Geroks Neubau. Wir finden dort einen k. k. Postamtsdirektor, einen Kaufmann, einen Universitätsprofessor und den Oberst a. D. Karl Edler von Gratzy, der einmal – freilich ohne Absicht – einem Attentäter den Weg zum Hausherren weisen sollte. Und das kam so. Karl Gerok war 1897 von Kaiser Wilhelm II. zum deutschen Honorarkonsul in Innsbruck ernannt worden. Sieben Jahre später, im März 1904, geriet er ins Visier eines Attentäters:

Der Welschtiroler Cararo, welcher am Freitag nach­mittag das Attentat auf den kaiserlich deutschen Konsul Karl Gerok ausführen wollte, befindet sich derzeit beim Landesgerichte hier in Haft. Es wurde eine eingehende Untersuchung über die ganze Angelegenheit eingeleitet, da Cararo bei seinem ersten Verhöre gestand, daß er eigens von Salzburg nach Innsbruck gereist sei, um den deutschen Konsul zu erstechen. – Über den aufregenden Vorfall, der sich an diesem Tage sowohl im Gange des Hauses des Konsuls Gerok, als vor dem Speckbacher-Gasthause abspielte, war Herr Postoffizial Würzer so freundlich, zu un­serem früheren Berichte ergänzend bezw. berich­tigend noch folgendes mitzuteilen: Ich wollte meinen im Hause des Herrn Gerok wohnenden Schwager besuchen. Oberst v. Gratzy betrat es kurz vor mir. Als ich die Schwelle überschritt, bemerkte ich, daß der Herr Oberst auf der Treppe von einem fremden Mann ungestüm angehal­ten wurde. Wie ich nachträglich von ihm er­fuhr, befand sich dieser bereits im Hausflur, als Herr v. Gratzy eintrat. Auf der Treppe fragte ihn der Mann, in welchem Stock der deutsche Konsul wohne, worauf ihm Herr von Gratzy die entsprechende Auskunft gab. Der Fremde führte aber gleich darauf einen Stoß gegen den Obersten, der, in der Meinung, einen Betrunkenen vor sich zu haben, bei dessen Handbewegung auswich, ohne sich sonst der Gefahr, in der er schwebte, bewußt zu sein, da er das Messer in der Hand des Italieners nicht be­merkt hatte. Eben wollte dieser zu einem zwei­ten Stoße ausholen. Als er aber mich erblickte, erschrak er und wandte sich zur Flucht. Meine gefährliche Lage im Hausflur dem Attentäter ge­genüber erkennend, ließ ich ihn vorüber und folgte ihm auf die Straße. Dort begann nun ein Kampf zwischen uns, indem der Welsche zu entkommen, ich ihn aber festzuhalten suchte. Wohl drei- bis viermal rannte er gegen mich, um mir das spitze, zweischneidige, lange Messer in den Unterleib zu stoßen, und nur mit genauer Not, indem ich immer zur Seite sprang, rettete ich mich vor seinen lebensgefähr­lichen Ausfällen. Leider hatte ich keinen Stock und die Leute, die herum waren, mieden die ge­fährliche Nähe. In der Mitte der Speckbacher­straße angelangt, sah ich einen mir bekann­ten Herrn aus der Restauration treten; ich rief ihn um Hilfe an. Ter Messerheld schaute zum Angerufenen hin; dadurch gelang es mir, den Welschen von hinten mit beiden Armen zu um­klammern und auf diese Weise, bis mir von deutschen Studenten Hilfe kam, festzuhallen. Das Messer lag am Boden. Herr Oberst v. Gratzy war auch herbeigekommen und als ihn einer der Herren mit „Herr Oberst“ ansprach, sagte der Welsche zu Herrn v. Gratzy: „Wenn Sie mir gesagt hätten, daß Sie nicht sein Konsul, ich nicht hätte gestochen auf Sie.“ Nach Verlauf von mehr als einer Viertelstunde konnte der Attentäter der Polizei übergeben werden. – Dem entschlossenen, tatkräftigen Handeln des Herrn v. Würzer ist es zu verdanken, daß.’ein großes Unglück verhütet wurde und der Ver­brecher unschädlich gemacht werden konnte.

IN v. 24.3.1904, 6

Für seine Zivilcourage erhielt der Postoffizial Würzer vom deutschen Kaiser einen Orden, der im sinnigerweise von Karl Gerok in seiner Eigenschaft als deutscher Honorarkonsul im September 1904 überreicht wurde. Im Frühjahr 1906 legte Gerok dann sein Amt aus gesundheitlichen Gründen zurück …

(StAI, Archiv der Baufirma Mayr)

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