Schein und Werden
Eine noch nicht gezeigte Vision unseres Stadtplanungsbüros aus dem Jahr 1908 (hier in mittelguter Auflösung interaktiv zu konsultieren) behandelt die frühen Ideen für das Osterweiterungsgebiet Pradl. Das vier Jahre zuvor um diese Gebiete halbierte Amras bleibt einstweilen noch außen vor, die heutige Grenzstraße limitierte die Fläche auf das der Stadtplanung unterstehende Gemeindegebiet Innsbrucks. Abgezeichnet hat das Papier im Jänner 1908 der städtische Oberbauingenieur Ferdinand Mayr.
Zunächst ein Blick auf den Status quo zur Entstehungszeit des Entwurfs: Auf einem 1907er Stadtplan erkennt man gut, was hier schon steht (im Saggen erste Blockteile, in Pradl ist es ist nur das Kerndorf). Die Sill ist noch nicht in ihren begradigten Canaletto geschleust, was nach erfolgter Umbettung dann den seither im Weg herumstehenden Frachtenbahnhof ermöglicht hat. Eine in dieser Farbigkeit gehaltene Variante aus dem Jahr 1913 (Ferdinand Mayr war schon zum Land gewechselt, wo man angeblich mehr verdiente) folgt vielen Ideen unseres heutigen Entwurfs aber behandelt gleich das gesamte Stadtgebiet (völlig entspannt auch das benachbarte Gemeindegebiet Amras) mit Filzstift und Fantasie. Sie lässt einige Kernideen des 1908er Planspiels wieder fallen.
Was fällt nun auf unserer Variante ins Auge: Ein angedachter Reihen- und Waldfriedhof am Ende der Gumppstraße, der in den Folgeentwürfen schon wieder verschwunden ist (und hier dann ein virtuelles Spital andenkt). Mit dem Umweg über die ebenfalls nicht errichtete Kriegerheimstätte ist hier dann schlussendlich die Mischsiedlung der 1930-er Jahre entstanden. Der Friedhof wird 1913 bereits in Amras, genau wo er heute steht, verortet.
In gelber Farbe gehalten sind vier stadtnahe Blocks für Kleinindustrie und ein veritabler Industrie-Streifen am Inn. Südlich des stark vergrößerten Bahnhofsgebietes sieht man noch einen Viehmarkt. Dem Pradler Saggen würde man für die kollektive Gesund- und Sauberkeit der Innsbrucker Körper eine Turnhalle und ein Tröpferlbad spendieren. Wahrscheinlich ist kein katholischer Ingenieur mit am Planungstisch gesessen, Kirchenbauten fehlen sowohl in der Reichenau als auch im Saggen. Dort sind die Eis- Spiel- und Sportplätze auf das (bis heute unverbaute) grüne Gallische Dorf nebst den Barmherzigen Schwestern hinausgewandert, auch ein Innsteg nach Mühlau wäre dabei gewesen. Der vormalige Eislaufplatz wird in einen Sieberer-Park umfunktioniert (heute: Messegelände). Die Schlachthof-Idee am Sillfortsatz wurde realisiert, die verschiedenen k.k. Militair-Fantasien rund um die Trainkaserne sind nach der Implosion der Monarchie nicht mehr relevant (und ermöglichen in der Zwischenkriegszeit den Bau des repräsentativen städtischen Schlachthofblocks, der sich auch gerade in seine Einzelteile auflöst).
Im Blick auf die interaktive Karte:
Vertraute Begriffe: Geschlossene Bauweise, offene Bauweise,
Das Gewerbegebiet hieß damals noch anders – Gebiet für industrielle Anlagen
„Militärische Etablissements“ liese aus heutiger Sicht auch andere Deutungen zu 😉
Interessant, dass die Walde-Keksfabrik bereits damals als Kleinindustrie definiert wurde
Damals dachte man beim Anlegen von Gewerbgebiet noch mehr mit als heute: Ein Gleisanschluss war bis zur Reichenauerbrücke vorgesehen (ein relikt war ja die mittlerweiler längst außer Betrieb genommen und kürzlich abgetragene Rampe zum ehem. Schlachthof); nun mittlerweil gibt es dort kein Gewerbe mehr bzw. müsste der Gleisanschluss so weit reichen, dass es kürzer wäre, was ähnliches , wie die Umfahrungsbahn aus dem 2 WK wieder zu aktivieren.
Verwunderlich hingegen ist, dass im Plan die Straßenbahnlinie 3 nicht in Ansätzen eingezeichnet ist.
Der „Wald“friedhof ist nun auch woanders.
Das Parkrestaurant beim Rosssprung wäre was – heute irgendwie sehr undefiniert, der Ort