Der Krieg in Farbe
Warum einen das wackeligste Farbbild der selben Szene stärker emotionalisiert als ein scharfes Schwarz-Weiß-Bild, darüber haben Medientheoretiker viel nachgedacht und als Normalsterblicher merkt man es einfach: Man ist, speziell bei den frühen Bildern, also jenen aus Krieg und NS-Zeit, mitten drin im Geschehen und blättert nicht kühl-distanziert im Graustufen-Bilderalbum der Stadtgeschichte.
Das Dia ist mit Luftangriff 1944 beschriftet und kann, nach Prüfung der möglichen Daten und Abwurforte, eigentlich nur vom 15. Dezember 1944 stammen, genau am Jahrestag des allerersten und deshalb so folgenschweren Bomben-Angriffs auf Innsbruck 1943. Der Fotograf steht auf der Mutterer Alm oder ist auf dem Weg dorthin. In der Stadt sind am Vormittag die Sirenen losgegangen, der Chronist Leo Unterrichter listet auf:
„15.12.44, Innsbruck, 12. Angriff: Um die Mittagszeit, durchgeführt von 40 Flugzeugen. Hauptschadensstellen: Bahnanlagen, Pradl, Wilten. Das Kirchlein St. Barthlmä schwer getroffen. 40 Häuser total, 16 schwer, 166 mittel und leicht beschädigt. Durch Treffer in den Hörtnagl- und Plattnerhof und in Waggons wurde eine größere Anzahl von Großvieh getötet. Oberer Teil der Leopoldstraße arg verwüstet.“
…und den Angriff persönlich erlebt zu haben ist noch einmal was anderes als ein Bild in Farbe zu sehen. Wenn der/die Fotograf/in aus Innsbruck heraufgekommen ist, die bange Frage, hoffentlich bleibt das Haus stehen. Vorstellbar? Nur annähernd.
Auf etwa gleicher Höhe wie die Rechenhofwiese, vielleicht ein bissl höher, wird das Foto vom Nockhof aus aufgenommen worden sein. Dort gibts auch noch Lärchen. Man befand sich übrigens dort oben auch nicht in absoluter Sicherheit. Ein paar Tage später fielen 30 Sprengbomben auf und um den 1,5 km entfernten Scheipenhof, ein Tafele in der Kapelle des Hofes erzählt noch heute von diesem Ereignis. Auch der Eichhof entkam damals nur knapp der Zerstörung. Über Innsbruck lag eine Wolkenschicht, die Bomben wurden ohne genaue Zielmöglichkeit abgeworfen.
Die Aufnahme könnte auch am 16.12.44 entstanden sein, laut dem Kompendium von Albrich gab es da gleich den nächsten Angriff, diesmal mit Schwerpunkt Innenstadt.
Angesichts der hoch über der Stadtschwebenden schwarzen Wolken (die unscharf nebulosen, keine Artefakte) der krepierten Flakgranaten und der Rauchwolken der Zerstörung mag man die Aussicht garnicht erwähnen. Am unteren Bildrand sieht man die Natterer Kirche, in der Mitte die oberen Felder, die rechteckige Wiese des Nattererbodens, Oberplumes und die unberührten Hügel des Bergisel und der Sonnenburg.