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Piccolo Ma Potente

Piccolo ma potente

In der Seilergasse stehen im ersten Block rechts gerade zwei Häuser: Nummer zwei gehört der Cafetiers-Dynastie Katzung, Nummer 4-6 zum Roten Adler/Hotel Innsbruck-Komplex der stadtbekannten Südfrüchte importierenden Familie Ischia. Da gestern Abend das Café Ischia leider seine gastronomische Tätigkeit in der derzeitigen Form einstellte, beleuchtet dieser Artikel die in den Akten der Gewerbebehörde erhaltenen Reibereien zwischen dem Pächter der im Katzung-Imperium angesiedelten Bar Piccolo und den Anwälten der Ischias.

In Innsbruck gewohnheitsmäßig (oder auch nur ab und zu) die ganze Nacht auszugehen, dafür bedurfte es bis in die 1990er einiges an Spezialwissen, speziell für die Zeit nach 1 oder 2, wenn die meisten Gasthäuser schlossen. Das Piccolo hatte zunächst eine Erlaubnis bis 3, später bis 4 und dann auch noch bis 5 Uhr offen zu halten. Also begaben sich die Nachtschwärmer der ganzen Stadt in die Seilergasse, um einmal zu schauen, ob dort noch was los war. Damit betraten sie die verbotene Welt des Georg Wulz und seiner „Mädchen“.

Im Grunde drehen sich die Konflikte nur um den Lärm, den die Nachtschwärmer in der Seilergasse erzeugten und den die Hotelgäste im Roten Adler nicht schätzten. Um diese so einfache wie irgendwie auch unlösbare Problemstellung drehten sich die seitenlangen Beschuldigungen. Sie wurden zur Beweiswürdigung mit Aufzählungen aller möglichen tatsächlichen oder vermuteten Verstöße gegen die guten Sitten garniert. Die Polizeikommissare hatten alles im Griff und nahmen die Mühen in Kauf, um sowohl im Sündenpfuhl Überstunden zu schreiben als auch die penible Auflistung aller der Prostitution verdächtigen Damen mit kurzen Lebensläufen erstellen zu können. Die Begleiter/Zuhälter durften das Piccolo nicht betreten, was dann die Fantasie so weit anregte, zu vermuten, der Wirt würde auf eigene Rechnung den Mädchen Kunden zuführen. Der Wirt Georg Wulz philosophiert in seiner Antwort dann ausweichend über die ewige Problemstellung, ob Frauen allein überhaupt außer Haus geschweige denn in ein Lokal gehen sollten:


Der Standardtarif im Piccolo für die angebotenen Leistungen der Prostituierten sei im Jahr 1967 bei 500 Schilling gelegen, berichten die Polizisten. Es folgen noch Details, wie gelegentlich Schweizer Handelsmänner, Bundesdeutsche Bobfahrer oder Oberländer Hoteliers im Zuge von Diskussionen um den Preis oder einfach so nach erfolgter Dienstleistung beraubt oder bestohlen worden waren. Das liest sich alles ein wenig wie Kottan ermittelt… dass die Sexarbeiterinnen in der Regel sowohl von ihren Zuhältern als auch von ihren Kunden schlecht behandelt und ausgenutzt, von der Polizei gejagt und von der Gesellschaft verachtet wurden, muss nicht extra erwähnt werden. Da ist ein Wirt, der einem zu Weihnachten in Anerkennung einer symbiotischen Geschäftsbeziehung oder einfach aus Freundschaft ein Flascherl Parfum schenkt, eher die Ausnahme.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare
  1. Die Piccolo-Bar hab ich in den 70ern einige wenige Male besucht. Zu dieser Zeit war die Bar weniger von Prostituierten (zumindest ist mir das nicht aufgefallen) als vielmehr von Herren „vom anderen Ufer“ bevölkert(dafür war die Bar bekannt), ähnlich wie (später) der Bacchus-Keller. Nach dem Scotch Club (damals noch unter der Führung von Beinl Bernd/Kalchschmid Walter) ging man noch zum Löw ins Domino und wenn dort nix los war oder er zumachte und man den Kragen gar nicht vollkriegen konnte, schaute man eben, ob „die Pic“ noch offen hatte. Es war meiner Erinnerung nach eine gemütliche Bar, man wurde auch nicht belästigt, aber da ich mit der einschlägigen Ausrichtung der Herren nichts anfangen konnte, blieb es bei meinen spärlichen Besuchen.
    Übrigens: beim Ischia war der „Tote Hund“ untergebracht, eine Stehsaufhalle, wo man ausgesprochen billig Wein trinken konnte. Auch dieses Vergnügen habe ich mir in den inzwischen so weit entfernten Jugendtagen hie und da gegönnt…

  2. Der „Tote Hund“ kam seit der Volksschulzeit in so mancher unserer Wegbeschreibungen vor, ohne zu wissen, woher der Name kam. Erst seit wenigen Monaten weiß ich, auf Grund eines Eintrages in „Innsbruck-erinnert.at“ darüber bescheid.

    1. Ja ich glaub in einem der unbeschriftet Bögen bei der Piccolo-Bar hat die Firma Törger&Zehm noch ihre Altstadtniederlassung.
      Diese betreute Frau Tröger. Ein ältere Dame, mit sehr altmodischer Haartracht (ich erinnere mich, dass so ein strenge Flechtfirsur hatte), hingegen einem sehr wachen Blick, humorvoll. Sie saß mit ihrem grauen Arbeitsmantel, umgeben von allerlei Flechtwerk in dem dunkelgrauen Gewölbe, das von einer 15 Watt – Birne erhellt wurde. Jedesmal wenn ich mit meinem Vater in der Stadt war, kehrten wir dort auf ein Plausch ein. Ich durfte irgendwie zwischen den gestaplete Korbwaren sitzen. Es roch stark nach Spagat. Und ich wollte meist aus der Höhle nur mehr sehr ungern raus.
      Irgendwann einmal trafen wird Frau Tröger zufällig bei der Bushaltestelle in Prutz – ich brauchte damals einige Zeit das zu realsieren, so weit entfernt von ihrer angestammten Höhle.

      1. Und in dieser Seilerei bekam man noch bis in die 90er Jahre (!!!) die letzten Holztotzn auf dieser Erde. Natürlich mit genau der Totznschnur, die man auch schon in den 60ern verwendete. Sagenhaft.

        1. Diesen Totzn in XL bekam ich am Christkindlmarkt! Er liegt immer vor mir unterm Bildschirm als Verbindung zu meiner Jugendzeit in Altpradl! https://postimg.cc/zbG2sFht. Ich muss mir aber noch eine Schnur zulegen, damit ich bald einmal für Ihren neuen Verein trainieren kann!

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