Voller geht’s nicht
Die zwei Seiten einer Münze: Innsbruck und Bozen. Verbunden durch unzählige Gemeinsamkeiten:
Die größte davon ist definitiv der unaufhaltbare Alljahrestourismus. Im Sommer und im Frühling auf den Berg und zu den kühlenden Seen, im Herbst das Südtiroler Törggelen und im Winter werden die Skipisten, Christkindlmärkte und Hallenbäder ausgelastet. Die Berge sind das ganze Jahr ein Tourismusmagnet. Die anziehenden Südtiroler Dolomiten und die Tiroler Nordkette werden das ganze Jahr bewandert und verwandeln sich im Winter in den Traum jedes Skifahrers.
Die Städte Bozen und Innsbruck sind dem sogenannten „Overtourism“ dabei das ganze Jahr ausgesetzt. Die Innsbrucker Altstadtlauben oder die Bozner Lauben sind fast nie leer anzutreffen. Auf der Suche nach dem Goldenen Dachl oder dem Ötzi drängen sich die Mengen durch die Straßen der Kleinstädte und verärgern damit so manchen Einheimischen. Schon in den 1970ern und 1980ern waren die Städte überfüllt. Der „Overtourism“ ist also keine kürzliches Phänomen.
Folgen dieses „Overtourism“ sind Umweltverschmutzung sowie immer weiter steigende Preise. So verwundert es nicht, dass Bozen und Innsbruck zu den teuersten Städten ihres Landes zählen.
Titelbild: (Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-G-23716)
Verfasserin: Ariadne Simmerle
Oha, da muss ich jetzt aber ein bisschen maulen.
Es beginnt damit, dass ich den Begriff „Kleinstadt“ in diesem Blogpost doch etwas despektierlich finde. Ja eh, Städte in der Größe von Innsbruck, Salzburg, Linz oder Graz sind keine Millionenstädte, aber sie sind, bitteschön, auch keine „Kleinstädte“, so wie sich das Stadtarchiv ja sicher auch nicht bloß als Kleinstadtarchiv sieht. Die Schwelle von der Mittelstadt zur Großstadt hat Innsbruck bereits vor langer Zeit, in den 1960-ern, überschritten, und die meisten Einwohner:innen werden sich heute nur ungern zu Kleinstädter:innen und damit zu Provinzpomeranzen von des Furchenadels Gnaden degradieren lassen. Dazu braucht es auch gar keinen Stadtchauvinismus, das haben wir Städter:innen in der DNA.
Darüberhinaus glaube ich, dass Städtetourist:innen vor allem wegen Kultur, Gastronomie, Shopping, Architektur und dem speziellen, einzigartigen Flair eine Stadt besuchen, die ja eine von Menschen geschaffene künstliche Umgebung aus Gebäuden, Straßen, anderen Strukturen, ihrer individuellen Topografie, ihren eigenen Gerüchen, Geräuschen und auch ihren Menschen ist. Daraus besteht eine Stadt und daraus schöpft sie ihre Identität. Dass, wie in dem Artikel angedeutet, Tourist:innen wegen irgendwelcher Hallenbäder oder „kühlender Seen“ (mit denen wir in Innsbruck eigentlich ja nicht gerade reich gesegnet sind, Bozen auch nicht so, oder?) kommen, halte ich für eine gewagte These; die Thermen von Prag oder die Onsen von Kyoto mögen in jenen Städten durchaus die Massen anziehen, ja, aber die Hallenbäder O-Dorf und Amraser Straße?
Ich glaube auch, als jemand, der zwölf Jahre lang mitten in der Altstadt gelebt hat, dass wir zumindest in Innsbruck von Overtourism noch ein ordentliches Stück weit entfernt sind; durch die noch engeren Altstadtgassen von Salzburg wälzen sich ungefähr doppelt so viele Menschen und von Venedig oder Dubrovnik wollen wir gar nicht erst reden. Sollte es sich so entwickeln, ist eine Tourist:innenflut aber auch nicht „unaufhaltbar“; es gibt durchaus Methoden, das zu regulieren. Also, nichts für ungut, aber diesen Artikel reißen leider auch die beiden historischen Fotos nicht so wirklich heraus.
Gerne hätte ich meinen Rant positiver abgeschlossen. Aber macht nix, dafür sind alle anderen Blogposts gut.
Ich seh’s prosaischer. Man hat halt überall auf der Welt, wo es gelungen ist, ein noch so kleines Anreiseargument zu erfinden, jahrzehntelang auf den Knieen um Touristenströme gebettelt. Innsbruck und Tirol, pardon, Tyrol, ist da keine Ausnahme. Auch die teuren Olympiaden wurden nicht dem Sport zu liebe an Land gezogen, sondern für den Torismus und seine Afterunternehmer, die Bauwirtschaft.
Und jetzt kommt halt Kreti und Pleti zu den von den Medien weltweit eingeredeten Sammelplätzen der Gaffgelüste, des Helm und Seil geschützten „Abenteuers“, bei dem sich die untrainierten Tollpatsche reihenweise derstessen, und der aufs Auge gedrückten Kulturbeflissenheit, wo dann biedere Bustouristen ratlos vor Kunstwerken nie gehörter Künstler stehen, während es aus dem Mund einer Erklärungsperson Jahreszahlen und Namen hagelt, die sich kein Mensch merken kann. Anschließend gehts zur Weinprobe. So funktionierts eben, und dann ist es überall plötzlich voll, na sooowas! Mercatino natale tutto l’anno allüberall in verschiedenem Gewand.
Man schreibt Bücher wie „1000 places you must see“ und auch grün gestrichene Zeitungen wie der Standard bringt ein paar Seiten nach dramatischen Umweltberichten Empfehlungen für Fernreisen für die man nach der Landung natürlich am besten gleich einen Leihwagen mietet. Und wenns einwenig Umweltschauer sein muß, dann eine Flug/Schiffsreise zu den Gletschern der Antarktis, oder „nur“ nach Feuerland für die Armutschgerln.
Neuester Tourihype sind derzeit die Hängebrücken, von denen sich unbelehrbare Touristiker wieder einen Zustrom erwarten, Beispiel die im Bau befindliche ponte sospeso nahe der kleinen Ansiedlung Monte hoch über Mezzocorona, wo es eine 6 Personen fassende Miniseilbahn als Massenverkehrsmittel gibt, deren Kapazität jetzt schon an die Grenzen stößt. Neue Seilbahn und Riesenparkplatz schon in Planung. Eine Nummer größer erhofft sich Sizilien „endlich“ einige hunderttausend Touristen mehr, wenn die Brücke über die Meerenge von Messina fertiggestellt ist. Die reizvolle Zwangsentschleunigung der Fahrt mit der Fähre sieht keiner als Vorteil. Nur mehr zum Lachen.
Natürlich kann man das alles in bester Ostblockmanier verbieten, aber mir wäre es lieber, die Leute kämen von selber drauf, daß es eigentlich i h r e FREIzeit ist, die von Touristikmanagern in Beschlag genommen wird. Die tolle Abbildung des Dogenpalases dazu die Ikone des gezahnten „ferro“ der Gondeln…wozu muß man da hin? Man hats ja eben gesehen 🙂 .
Aber derzeit sieht es nicht danach aus. Im Gegenteil. Die letzten Refugien unbeschwerten Reisens, die Eisenbahnen, werden leider auch mit Billigsttickets regelrecht zugemüllt. Flucht in die Erste Klasse? Für nur 0,99 Aufschlag können Sie (natürlich in Prolosprech, kannst DU) mit dem 9,99 Ticket Erste fahren. Schade.